„Rentrée“-Interview / Claude Meisch: „Das hat mich nicht überrascht“
Im „Rentrée“-Interview sagt Bildungsminister Claude Meisch, dass man Infektionen an Schulen nicht hundertprozentig vermeiden kann. Er räumt ein, dass man manches im vergangenen Schuljahr hätte besser machen können und gibt Einschätzungen, wie wahrscheinlich Extremsituationen an den Schulen sein können. Das neue Schuljahr wird von zwei pädagogischen Schwerpunkten geprägt werden.
Tageblatt: Familien mit schulpflichtigen Kindern kommen nun aus unterschiedlichen Ländern und Regionen aus dem Urlaub zurück. Am 15. September sitzen rund 100.000 Schüler in Luxemburgs Schulen. Reichen der am Freitag vom Bildungsministerium vorgestellte Maßnahmenkatalog sowie das freiwillige Testen vor dem Schulstart aus, um Infektionen an den Schulen zu vermeiden?
Claude Meisch: Hundertprozentig können wir Infektionen nie vermeiden. Aber wir müssen darauf achten, dass die Schule kein Ort wird, wo sich die Infektionen besonders schnell verbreiten. Das hat ja auch die Analyse „L’école face à la Covid-19 au Luxembourg“ gezeigt, dass das nicht der Fall war. Da haben wir die ganzen positiven Fälle analysiert und geschaut, wo die Infektionen herkamen. Es gab Grauzonen, etwa 40 Prozent, wo wir nicht genug Informationen hatten. Da, wo wir Informationen hatten, haben sich 40 Prozent der Fälle in der Familie infiziert und bei elf Prozent hat die Infektion in der Schule stattgefunden. Die restlichen Prozente fielen auf außerschulische Aktivitäten oder das Vereinsleben.
Und wir werden im Laufe des Schuljahres auch den einen oder anderen Fall haben, wo es zu Infektionen in den Schulen kommt. Auch das wird nicht zu vermeiden sein. Dann ist es wichtig, dass wir dies dokumentieren und darauf reagieren.
Unser Ziel ist es, so wenig wie möglich Infektionen in den Schulen zu haben. Andererseits muss aber auch die Schule so normal wie möglich stattfinden. Wir haben ein Maximum an Recht auf Bildung und ein Minimum an Platz für das Virus. Wir werden allerdings Schüler haben, die positiv getestet werden, weil sie sich irgendwo mit dem Virus infiziert haben, sei es in den Ferien, Zuhause oder bei sonstigen Aktivitäten. Das wird nicht zu vermeiden sein. Und wir werden im Laufe des Schuljahres auch den einen oder anderen Fall haben, wo es zu Infektionen in den Schulen kommt. Auch das wird nicht zu vermeiden sein. Dann ist es wichtig, dass wir dies dokumentieren und darauf reagieren. Das Stufenmodell, das jetzt vorgesehen ist, sieht ja vor, dass man in solchen Fällen auch in eine andere Stufe kommen kann. Der Plan, der jetzt für den Anfang vorgesehen ist, ist bei relativ geringen Infektionen anzuwenden. Wenn die Gesamtzahl der Infektionen bei der Bevölkerung oder bei den Schülern zunimmt, kann man ein Stück weiter gehen. In einer Schule, in einer Region, weil das ja nicht überall gleich verteilt ist. Und wenn wir Infektionen an einer Schule feststellen, dann können wir dort ganz neue sanitäre Maßnahmen vorsehen.
Was sagen Sie beunruhigten Eltern?
Wir können die Eltern beruhigen, dass wir alles in unserer Macht Stehende unternehmen, damit das Virus so wenig wie möglich Platz hat, allerdings kann es, wie überall sonst auch, bei sozialen Kontakten zu Infektionen kommen. Jene, die wirklich ein Risiko bei Covid-19 tragen, sind nicht die Schüler, also nicht die jungen Menschen, sondern andere Bevölkerungskategorien. Wenn ein Schüler Gefahr läuft, dass eine Infektion bei ihm zu Problemen führen könnte, dann müssen wir einen besonderen Schutz aktivieren. Diese Schüler werden dann durch Distanzunterricht zu Hause unterrichtet oder durch spezielle Vorkehrungen in der Schule, die es ihnen ermöglichen, mehr Distanz zu den anderen Schülern zu bekommen. Das wird von Fall zu Fall betrachtet.
Haben sich schon viele Schüler testen lassen?
Ich weiß es nicht. Diese Informationen haben wir nicht. Das geht über das Laboratorium, das den „Large Scale Test“ durchführt. Da habe ich noch keinen Zwischenbericht bekommen. Sobald wir Informationen dazu haben, werden wir diese veröffentlichen.
Das heißt, die Schulen können dann selber entscheiden, welche Maßnahmen sie zum Schutz vor Covid-19 ergreifen? Wenn ein „Lycée“ in Esch strengere Maßnahmen einführen möchte, da es in dieser Region mehr Infektionen gibt, kann es dann andere Maßnahmen beschließen wie beispielsweise ein „Lycée“ im Norden des Landes?
Diese Möglichkeit beschränkt sich auf die Lyzeen und ist nicht für die Grundschulen gedacht. Eine Schule kann eigentlich ab dem ersten Schultag strengere Maßnahmen beschließen. Dazu zählt beispielsweise eine Maskenpflicht während des Unterrichts. Oder die Reduzierung der Schülerzahl pro Klassen, indem die Direktion beschließt, einen Teil der Klasse auf Distanz zu unterrichten. Das sind die zwei Möglichkeiten, die wir den Sekundarschulen überlassen. Dazu müssen keine spezifischen Kriterien erfüllt sein. Das kann die Schule autonom entscheiden und durchsetzen. Es kann allerdings sein, dass wir in der „Cellule“, die wir nun zusammen mit der „Santé“ geschaffen haben, entscheiden, dass in einer bestimmten Schule zusätzliche Maßnahmen unsererseits erforderlich sind. Dies liegt demnach nicht nur in den Händen der jeweiligen Schule.
Haben Schulen bereits strengere Maßnahmen angekündigt?
Nein, bislang noch nicht. Wir haben das im Vorfeld mit den Direktionen der Schulen diskutiert. Ich glaube, dass die Reflexionsprozesse dort laufen. Auch bislang gab es bereits Schulen, die die Maskenpflicht während des Unterrichts eingeführt hatten. Ich könnte mir vorstellen, dass diese Lyzeen dies im Sinne der Kontinuität fortsetzen.
Was sagen Sie rückblickend über das vergangene Schuljahr? Waren die damals beschlossenen Maßnahmen richtig? Was ist Ihrer Meinung nach nicht gut gelaufen?
Ich glaube, dass sie richtig waren zu dem Zeitpunkt, wo wir die Maßnahmen getroffen haben. Heute haben wir viel mehr Erkenntnisse, deshalb können wir auch andere Maßnahmen einleiten. Wir können jetzt der Bildung mehr Raum lassen, wie wir das in den langen Phasen von März bis Juli getan haben. Rückblickend kann ich sagen, dass ich mir sicherlich gewünscht hätte, das eine oder andere mehr im Detail erklären zu können. Auch hätte man sich mehr zusammensetzen und mehr Konsens finden können, was allerdings in einer Krisensituation sehr schwierig ist. In einer kurzen Zeit muss Verantwortung übernommen werden. Mir war es stets wichtig zu hören, wer was zu einem bestimmten Punkt zu sagen hatte, um mir ein Bild davon zu machen. Wir mussten im Bildungsministerium allerdings Entscheidungen treffen, die nicht direkt von allen Akteuren mitgetragen wurden, die sich aber im Nachhinein nicht als grundlegend falsch herausgestellt haben.
Der Moment, die Schulen nacheinander wieder aufzumachen, hatte für Aufregung gesorgt. Die schrittweise Öffnung hat jedem Sorgen bereitet. Das lief aber gut. Die Aufteilung in A- und B-Wochen wurde sehr kontrovers diskutiert. Dennoch konnte das eine gewisse Form von Unterricht sicherstellen. Dann wurde das Zusammenlegen der Klassen sehr stark kritisiert, was ich absolut nachvollziehen kann. Folgender Spruch war zu hören: Es sind ja nur noch zwei Wochen, wieso müssen wir das nun tun? Ich glaube aber, dass wir heute gut da stehen, weil wir die Erfahrung machen konnten. Ich glaube auch, dass wir ein viel größeres Unsicherheitsgefühl hätten, wenn wir das nicht so getan hätten. Im Ausland sieht man, dass sich dort, wo die Schulen noch nicht mit einer gewissen Normalität funktioniert haben, viel mehr Sorgen gemacht werden als in jenen Ländern, die relativ früh zu einer gewissen Normalität zurückgekehrt sind.
Wie war Ihre Reaktion, als der Mitte August vorgestellte Bericht „L’école face à la Covid-19 au Luxembourg“ offenbarte, dass sich doch mehrere Schüler und Lehrer innerhalb der Schulen infiziert hatten?
In der Schule geht es um ein permanentes Abwiegen zwischen der Sicherheit, also dem Bremsen des Virus und andererseits dem, was Schule als Kernmission hat, nämlich Bildung der Kinder sicherzustellen
Das hat mich nicht überrascht. Da gibt es ja mein Zitat: In der Regel steckt man sich nicht in der Schule an. Das heißt nicht, dass es unmöglich ist, sich dort anzustecken, aber wenn es ein Muster gibt, dann ist es ein anderes. Das hat sich mit dem Bericht herausgestellt. Infektionen sind eher über die Eltern gelaufen, das heißt, dass zuerst die Mutter oder der Vater infiziert waren, dann erst die Kinder. Auch das Verhältnis 1 zu 4, also dass ein Kind sich in der Schule und vier zu Hause infiziert haben, hat mich nicht überrascht. Es ist ja auch das, was von uns verlangt wird. Niemand bekommt als Aufgabe, die allerletzte Infektion zu verhindern. Das geht nur, wenn wir uns alle einsperren. In der Schule geht es um ein permanentes Abwiegen zwischen der Sicherheit, also dem Bremsen des Virus, und andererseits dem, was Schule als Kernmission hat, nämlich Bildung der Kinder sicherzustellen. Das kann eingeschränkt werden, darf aber am Ende nicht zu kurz kommen.
Der Bericht war ja die Grundlage für den neuen Maßnahmenkatalog für das neue Schuljahr. Wobei nicht so viele neue Maßnahmen nun beschlossen wurden. Was sind denn die wichtigsten Änderungen?
Natürlich gibt es keine ganz neue Maßnahme. Mir ist keine besondere in den letzten Wochen eingefallen. Auch in anderen Ländern konnte niemand sagen: Ich weiß jetzt, wie ich die Schulen sicher mache. Wir haben einen Mix aus verschiedenen Maßnahmen. Der Bericht hat dabei geholfen, indem wir diesen Mix noch präziser gestalten können und auch die bestehenden Maßnahmen im Detail anders umsetzen können. Die große Änderung ist, dass wir landesweit nicht mehr die gleichen Regeln haben. Davor hatten wir vom „Précoce“ in Rümelingen bis zur „Première“ in Wiltz quasi die gleichen Vorschriften mit kleinen Unterschieden zwischen dem „Cycle“ 1 und den anderen sowie zwischen der Grund- und Sekundarschule. Ansonsten wurde jeder gleich behandelt. In einer Regionaldirektion hatten wir 14 positive Fälle, in einer anderen keinen. Beide Regionaldirektionen hatten aber die gleichen Regeln. Das ist der große Unterschied. Wir wollen nun gezielter vorgehen und dort die sanitären Vorschriften verstärken, wo wir auch eine Präsenz des Virus haben und besonders dort, wo es zu Infektionen in einer Schule gekommen ist.
Wir haben auch Sachen gelernt. Distanzunterricht, A- und B-Gruppen, Lern- und Übungswoche, das ist alles sehr limitiert. Das ist auch der Unterschied zum neuen Schuljahr. Wir haben versucht, das vergangene Schuljahr zu Ende zu bringen, sauber abzuschließen und nicht einfach abzubrechen. Das war unsere Hauptambition. Dies ist uns, glaube ich, auch zum großen Teil gelungen. Nun fangen wir ein neues Schuljahr an. Es könnte sein, dass wir das ganze Schuljahr unter Covid-Bedingungen abhalten müssen. Wir hoffen, dass dies nicht der Fall sein wird, gehen aber davon aus. Wir wissen, was durch das A- und B-Modell an Zeit, Unterrichtsstunden, an Inhalten und am Schulprogramm verloren geht. Deshalb sagen wir: Wir können punktuell einen Distanzunterricht einführen, wie zum Beispiel im Lyzeum ab der 4e, aber wir machen es anders. Es soll keine Lern- und Übungswoche mehr geben, sondern die Schüler, die zu Hause sind, nehmen aktiv per Distanz am Unterricht teil über ein Streaming. Das ist technisch natürlich aufwendiger. Wir haben auch neue Laptops und Tablets bestellt. Die Lehrer haben sich mit dieser Methode stärker familiarisiert.
Offiziell haben sich noch keine Akteure des Bildungsbereiches zu Wort gemeldet. Sind alle zufrieden mit den Maßnahmen? Gab es keine Unstimmigkeiten bei der Beschließung?
Die letzten Tage haben wir uns sehr intensiv zu den Maßnahmen beraten. Sämtliche Gewerkschaften aus den Grund- und Sekundarschulen waren eingebunden, die nationale Elternvertretung, die Schülerkonferenz, die Direktionen. Ich will nicht sagen, dass jeder mit allen Maßnahmen einverstanden ist, aber die Zustimmung durch die Bank ist sehr positiv. Man hat gesehen, auch aufgrund der Realitäten, die wir hatten, dass die Maßnahmen greifen und wie man sie besser machen kann. Da gibt es keine ideologischen Diskussionen, da geht es darum, so gut wie möglich den Unterricht sicherzustellen. Es leuchtet jedem ein, dass wir zwei Sachen machen müssen: das Virus bremsen und Platz für Bildung garantieren. Wenn man davon ausgeht, dann kommt man eigentlich zu dem gleichen Ergebnis. Die Zustimmung ist viel größer, als dies bei den „Rentrées“ im vergangenen Schuljahr der Fall war.
Wenn ich morgens in die Schule gehe und kein Fieber habe, dann kann ich trotzdem jemanden anstecken. Ich denke, ich wäre kerngesund und halte mich vielleicht nicht mehr an alle Regeln.
Der Vorschlag vom Fiebermessen vor den Schulen hat es nicht in den Maßnahmenkatalog geschafft.
Der Vorschlag ging von Gewerkschaften und Schuldirektionen aus. Die „Santé“ sagt uns, dass wir uns dadurch in einer falschen Sicherheit wägen. Wenn ich morgens in die Schule gehe und kein Fieber habe, dann kann ich trotzdem jemanden anstecken. Ich denke, ich wäre kerngesund und halte mich vielleicht nicht mehr an alle Regeln. Die „Santé“ meinte, macht das bitte nicht. Es ist auch aufwendig. Ist es unsere Rolle als Schulbehörde, dies zu diagnostizieren? Vielleicht nicht unbedingt. Dass wir das Thema aufgreifen, wie wir mit unterschiedlichen Symptomen in der Schule umgehen, das ist klar. Da werden wir noch eine separate Mitteilung, in erster Linie an die Eltern, herausgeben. Wenn das Kind Fieber hat, sollte es nicht in die Schule gehen. Wenn es eine Reihe anderer vielleicht schlimmerer Symptome wie starken Husten hat, dann auch nicht. Dann sollte das Kind zum Arzt gehen und getestet werden. Das galt auch schon die anderen Jahre. Dieses Jahr müssen wir mehr darauf pochen. Wir haben Angst, dass es zu einer Vermischung sehr unterschiedlicher Symptome kommen wird. Darauf müssen wir reagieren, dürfen aber auch nicht überreagieren. Wenn jemand zweimal niest, dann sollte man ihn nicht direkt nach Hause schicken, sonst sitzt am Ende niemand mehr in der Schule. Wenn die Lehrer merken, dass die Eltern ihre Verantwortung dort nicht wahrnehmen, dann obliegt es den Lehrkräften, sie darauf aufmerksam zu machen.
In der Pressekonferenz am Freitag haben Sie gesagt, dass ein tagtäglicher Bericht über die Lage in den Schulen erfolgt. Wird dieser auch der Öffentlichkeit jeden Tag zugänglich gemacht?
Der Bericht soll nicht tagtäglich veröffentlicht werden. Wir wollen allerdings als Fortsetzung des August-Berichtes diesen immer wieder aktualisieren. Mit den neuen Infektionen, die es gibt, und Analysen dazu, woher das kommt. Wir wollen das eher in einem zweiwöchigen Rhythmus publizieren. Wir wollen Vertrauen schaffen und auch beruhigen, indem es Klarheit gibt und Transparenz da ist. Als die Schulen geschlossen waren, gingen viele vom Schlimmsten aus, statt davon auszugehen, was eigentlich ist.
Innerhalb der neuen „Cellule“ wird aber tagtäglich die Lage analysiert?
Die „Cellule“ stellt fest, wie viele junge Menschen sich an dem Tag infiziert haben, in welchen Schulen sie sich befinden und was das für Fälle sind. Wir haben ja drei Kategorien, wie darauf reagiert werden soll. Den isolierten Fall, wo man davon ausgehen kann, dass es nicht in der Schule passiert ist, da niemand anders dort positiv ist. Darauf wird anders reagiert, also keine Quarantäne, als wenn es ein paar Fälle in der Schule gibt. Das soll erst mal festgestellt werden. Und wenn es sich um Infektionen in einer Schule handelt, ist es an der „Cellule“, neue Maßnahmen vorzuschlagen. Abends wird das dann von der „Cellule“ bewertet. Die „Cellule“ trifft allerdings keine Entscheidungen. Pädagogische und organisatorische Entscheidungen werden vom Bildungsministerium getroffen, die sanitären von der „Santé“. Wichtig ist, dass wir uns da absprechen. Das soll zeitnah passieren, abends, sobald die Informationen vorliegen.
Können Sie sich vorstellen, dass die Schulen – wie damals im Lockdown – im Laufe des Schuljahres ganz geschlossen werden könnten?
Niemand kann in die Glaskugel schauen. Allerdings muss ich dazu sagen, dass wir in dem Fall eine sehr schwerwiegende Situation haben müssen. Solange wir das gesellschaftliche Leben größtenteils aufrechterhalten, kann ich mir nicht vorstellen, dass wir die Schulen zumachen. Die Schulen sind Orte, die relativ sicher sind. Es gibt Regeln und es gibt Autoritäten, die aufpassen, dass diese Regeln eingehalten werden, und gegebenenfalls auch sanktionieren könnten. Das ist in anderen Bereichen, wo junge Leute sich aufhalten können, nicht der Fall. Es bringt nichts, einem Primaner zu sagen, jetzt kommst du nur jede zweite Woche in die Schule oder bleib ganz zu Hause. Dann sitzt er in der Kneipe. Da gibt es auch Regeln, aber weniger streng und weniger kontrolliert als in der Schule. Oder die Jugendlichen treffen sich in ihrer Freizeit. Schulschließungen ergeben nur Sinn, wenn auch andere Aktivitäten heruntergefahren werden nach dem Motto „bleift doheem“.
Andersrum, können Sie sich vorstellen, dass der angekündigte Maßnahmenkatalog im Laufe dieses Schuljahres aufgrund einer verbesserten Infektionslage bzw. durch einen zuverlässigen Impfstoff teilweise oder ganz aufgelöst wird?
Wir stellen uns darauf ein, dass wir bis zum 15. Juli vielleicht mit diesem Modell, das ja immer wieder verändert werden kann und flexibel ist, weitermachen müssen
Wir hoffen das alle. Aber ich glaube, es wäre naiv, davon auszugehen. Es werden viele Impfstoffe getestet. Um dann zu sagen, dass manche davon gut sein werden und dass wir an Weihnachten das Virus los sind, wäre naiv. Wir stellen uns darauf ein, dass wir bis zum 15. Juli vielleicht mit diesem Modell, das ja immer wieder verändert werden kann und flexibel ist, weitermachen müssen. Wenn es ruhig bleibt, haben wir eine größtmögliche Normalität an den Schulen. Wir haben ganze Klassen zusammen, es fallen in der Regel keine Unterrichtsstunden aus, sämtliche Fächer werden angeboten und die Kinderbetreuung funktioniert auch. Aber es ist alles ein bisschen anders. Ich wünsche mir für die jungen Menschen, dass eine Normalität eintritt. Denn permanent an Regeln denken zu müssen, soziale Kontakte einschränken zu müssen, das sind Sachen, die jungen Menschen nicht liegen. Sie wollen ihre Erfahrungen machen, sie wollen ihre Freunde sehen, neue Menschen kennenlernen und sich nicht jedes Mal überlegen, ob sie sich heute mit dem treffen können, ohne ein negatives Testergebnis zu haben. Die jungen Menschen lernen und entwickeln sich durch diese sozialen Kontakte. Das einzuschränken tut einem schon weh.
Haben die Nachhilfeangebote der vergangenen zwei Wochen Lernrückstände auffangen können? Oder wird sich das bis ins nächste Schuljahr hineinziehen? Wenn ja, wurden die Lehrer angewiesen, dies besonders zu berücksichtigen?
Ich glaube, dass das, was wir in den Ferien gemacht haben, weitergeholfen hat, weil es auch gezielt war. In den meisten Fällen haben Lehrer die Eltern darauf angesprochen, auf das Angebot der Nachhilfe einzugehen. In der Grundschule wurde gesagt, dass man nur ein Fach belegen sollte. Ich habe mir schon Sorgen gemacht, dass man bei zwei Fächern den ganzen Vormittag da sitzt, bei drei Fächern sechs Stunden, also fast mehr als in der normalen Schule. Die Kinder sollen schon das Gefühl haben, dass immer noch Ferien sind. Es ist also möglich, dass dies nicht ausreicht. Deshalb müssen wir eine Struktur finden, um im neuen Schuljahr außerhalb der Schulzeit Nachhilfe anzubieten. Wir sind dabei zu schauen, wer diese Kurse halten kann. In der Grundschule muss am Anfang des Schuljahres verstärkt darauf geachtet werden, wo die Kinder stehen. Das ist dort eigentlich immer die Regel. Nun sollen die Lehrer die ersten zwei Wochen besonders genau hinschauen, wo es eventuelle Defizite bei den Kindern gibt. Es gibt noch das „appui pédagogique“, für das dem Lehrer pro Woche 90 Minuten zustehen. Da kann er ganz gezielt Schüler fördern, entweder nur einzelne oder die ganze Klasse. Hier sollten sie gezielt auf die Bedürfnisse der Schüler reagieren. Wir werden anordnen, dass die Lehrer im ersten Trimester ganz besonders auf die Covid-Lücken eingehen.
Ein neues Schuljahr bedeutet auch die Einschulung für Kinder, die zum ersten Mal in die „Spillschoul“ oder in das 1. Schuljahr kommen. Dürfen die Eltern, wie es bislang üblich war, mit in die Klasse kommen?
Das wird nun anders gehandhabt werden. Es tut einem schon ein bisschen weh, wenn man diese Kinder sieht. Die Eltern dürfen jetzt nicht mehr alle in den Klassensaal, bis die Kinder sich beruhigt haben oder bis keines mehr weint. Das muss in den Schulen mit Verstand gehandhabt werden. Wenn ein Kind zum erstem Mal in die „Spillschoul“ geht, die Mutter oder den Vater nicht loslassen will, dann darf dieser Elternteil mit rein. Es geht darum, dass nicht alle reinsollen. Wenn man 16 Schüler hat und jeder bringt einen oder beide Elternteile mit in den Klassensaal, dann bekommen wir kritische Situationen. Das Hauptrisiko für Schüler ist immer noch der Kontakt zu Erwachsenen. Und deshalb wollen wir solche Situationen vermeiden, wo wir in einem Klassensaal 30 bis 35 Leute haben, davon eine Mehrzahl Erwachsene. Auch die „Poter-Ronnen“ um die Schulen – was ich absolut verstehe, dass sich die Eltern austauschen wollen – müssen wir mehr in den Griff bekommen, also entweder zwei Meter Abstand oder mit Maske. Das sind die Situationen, in denen man die Regeln vergisst. Wir möchten aber, dass der Kontakt mit den Eltern möglich ist. Wir schlagen den Lehrern vor, statt die Eltern am ersten Schultag in die Klasse zu nehmen, im Vorfeld eine Versammlung zu planen, die ja meist wegen der sprachlichen Situation eh aufgeteilt wird. Die Kinder sollen zu Hause bleiben. Dann befinden sich nur Erwachsene im Raum, mit Maske und zwei Meter Abstand, die dann vom Lehrer über die Abläufe des Schuljahres in Kenntnis gesetzt werden. Da kann man auch Informationen zum ersten Schultag geben.
Sie haben angekündigt, im Laufe dieser Woche detailliert über die pädagogischen Maßnahmen an den Schulen zu berichten. Können Sie uns vorab schon etwas darüber sagen?
Dabei geht es um die Kontinuität der Arbeiten, die wir machen. Wir haben ein Regierungsprogramm, das sehr ambitiös ist. Wir haben auch für diese „Rentrée“ eine Reihe Sachen vorgesehen und ich lege Wert darauf, dass wir da weiterkommen. Das sind wichtige Elemente von unserem Bildungssystem. Ich will vermeiden, dass wir glauben, es geht nur um Covid und ansonsten haben wir keine Herausforderung mehr. Es geht uns um die jungen Menschen. Wenn es um Covid geht, dann geht es darum, dass die Schule stattfinden kann. In der Grundschule fangen wir dieses Schuljahr an, das Codieren einzuführen. Auf eine spielerische Art und Weise im „Cycle“ 4. Dort lernen die Kinder ohne Computer und ohne Bildschirm algorithmische Prinzipien. Das ist uns wichtig. Das ist ein neues Schulfach, das wir einführen.
Der zweite Punkt betrifft unsere Sorgen um die jungen Menschen, die durch Covid zu kurz gekommen sind. Die Nachhilfeangebote sind eine erste Antwort darauf. Wir wollen das Schulische so schnell wie möglich nachholen und vermeiden, dass jemand einen dauerhaften Nachteil dadurch erfährt. Jene, die zu Hause keine Hilfe bekommen konnten oder bei denen die Sprachkompetenz dies verhinderte, sollen auch eine faire Chance bekommen, gut aus dieser Phase herauszukommen.
Dann gibt es noch die jungen Menschen, die jetzt ihr Diplom in der Tasche haben, aber keine Arbeitsstelle finden. Weil der Markt am Boden ist. Deshalb wollen wir Anschlussausbildungen anbieten, damit die jungen Menschen noch etwas länger in der Schule bleiben und nicht ein oder zwei Jahre arbeitslos sind. Da haben wir ein schönes Programm anzubieten.
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