Editorial / Claude Meisch, vom Krisenminister zum Reformer
Claude Meisch will nicht mehr Krisenminister sein. Pandemiebedingt entscheidet er sich dazu, zwei Pressekonferenzen vor der „Rentrée“ zu geben. Anfang September informiert der Bildungsminister zusammen mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert über die sanitären Maßnahmen in den Bildungseinrichtungen. Rund zehn Tage später werden diese fast gänzlich ausgeklammert. Und den Journalisten legt der Minister ein Pressedossier mit satten 18 Seiten vor. Der erste Eindruck: Meisch hat viel vor.
Im Laufe der Pandemie sah sich der Bildungsminister immer wieder mit teils sehr heftigen Angriffen konfrontiert. Die Kritik war oftmals sehr laut und kam aus allen möglichen Richtungen. Klar, ein Bildungsminister hat es nicht leicht. Er steht stets zwischen den Fronten ganz unterschiedlicher Akteure und Partner, die alle irgendwie etwas anderes wollen. In einer Krisensituation spitzt sich dieses Stillen der eigenen Bedürfnisse nochmals zu. Der Streit wird heftiger. Die Kompromissbereitschaft nimmt ab. Zudem navigierte Meisch stets auf Sicht, um flexibel und schnell reagieren zu können, wie er sagt. Viele Akteure hatten das Gefühl, nicht mehr in den Entscheidungsprozess eingebunden zu werden. Meisch erklärte, dass dies der schnellen Reaktivität geschuldet sei, und versprach jedes Mal Besserung.
Manch einer hatte auch den Eindruck, dass der Bildungsminister sich voll und ganz auf die Bewältigung der Pandemie konzentriere. Und das, so der Tenor, mehr schlecht als recht. So monierten Gewerkschaftler, dass es nun an der Zeit sei, endlich mal wieder Schulpolitik zu betreiben. Am Montag musste Meisch also etwas vorweisen. Und das tat er auch.
Vieles ist allerdings nicht neu und das meiste ohnehin nicht für diese „Rentrée“ vorgesehen. Dennoch packte der Minister alles in das Pressedossier hinein. Damit Journalisten Titel schreiben wie „Meisch hat viel vor“. Hat er ja auch. Nur sollte dies relativiert und erklärt werden. Der Bildungsminister will keinesfalls als Krisenminister in die luxemburgische Geschichte eingehen. Er will nicht jener sein, den alle wegen seiner Covid-Maßnahmen gehasst und demontiert haben. Claude Meisch möchte als der Macher und Reformer dastehen und sich am Ende lieber etwa die Lorbeeren einer geglückten Digitalisierung in der Schule aufsetzen. Das ist ihm wichtig.
Das Schulsystem in Luxemburg ist altbacken. Meisch nennt es traditionell, meint aber wahrscheinlich das Gleiche. Bis zum Ende der Bettel-II-Regierung bleibt nicht mehr viel Zeit, das System zu entstauben und zukunftsfähig zu gestalten. Der Bildungsminister bekommt langsam Torschlusspanik. Die Pandemie hat zudem einiges ausgebremst, anderes aber auch ans Tageslicht befördert. In der Krise wurde offensichtlich, wo es am meisten brennt, wo es wirklich hakt und wo es nun nicht mehr erträglich ist. Auch das sind die Früchte, die zu Reformen führen können.
Tatsächlich spielt nun auch die stets wachsende Impfquote in Luxemburg neuen schulischen Vorhaben in die Hände. Den Fokus legt Meisch ganz bewusst nicht mehr auf die sanitären Maßnahmen, auch wenn er damit ein Risiko eingeht, insbesondere was die noch ungeimpften Kinder in der Grundschule anbelangt. Rechtfertigen tut er dies mit Freiheiten, die die Kinder dringend brauchen. Und die Schuld an den noch verbleibenden Restriktionen an den Schulen tragen die ungeimpften Erwachsenen. Sie sind die neuen Sündenböcke. Zu Recht.
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Meisch und die gesamte DP findet immer Sündenböcke.
Reformitis huet de kanner nemmen !