Wahlen / Claudia Sheinbaum: Physikerin wird erste Präsidentin Mexikos
Claudia Sheinbaum hat Geschichte geschrieben: Die linke Politikerin ist zur ersten Präsidentin Mexikos gewählt worden.
58 bis 60 Prozent der Wähler gaben der Wissenschaftlerin und ehemaligen Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt Claudia Sheinbaum nach Angaben des Nationalen Wahlinstituts (INE) ihre Stimme. Ein „historischer Tag“, wie Sheinbaum in ihrer Siegesrede am späten Sonntagabend sagte.
„Die Armen zuerst“, lautet der Wahlspruch Sheinbaums – wie der des scheidenden Staatschefs Andrés Manuel López Obrador, der der 61-Jährigen zur Macht verhalf. Der populäre Präsident ist Sheinbaums Mentor und Verbündeter, seine Reformen verspricht sie fortzusetzen.
Sheinbaum ist die Enkelin europäischer Juden. Ihre Großmutter mütterlicherseits und ihr kommunistischer Großvater väterlicherseits flohen aus Litauen und Bulgarien, um „der Verfolgung durch die Nazis“ zu entgehen, wie sie in der Zeitung „La Jornada“ schrieb.
Politik begleitet Sheinbaum schon ihr Leben lang. „Zu Hause sprachen wir morgens, mittags und abends über Politik“, wird sie in einer kürzlich erschienenen Biografie zitiert. Ihre Eltern waren in der 1968er-Studentenbewegung aktiv, die in Mexiko gegen die jahrzehntelange Herrschaft der Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) aufbegehrte. Ihre Mutter, die Biologin Annie Pardo, wurde deswegen sogar der Universität verwiesen.
Ernsthafte Studentin mit klaren linken Positionen
Auch Sheinbaum engagierte sich schon in jungen Jahren politisch neben ihrem Physikstudium und ihrer Promotion in Energietechnik an der renommierten Nationalen Autonomen Universität Mexikos. Guillermo Robles, damals ihr Kommilitone, erinnert sich an Sheinbaum als ernsthafte Studentin mit klaren linken Positionen, die keine Kundgebung ausgelassen habe. „Sie ist immer hingegangen“, sagt Robles, selbst als sie mit ihrer 1988 geborenen Tochter schwanger war.
Für ihre Doktorarbeit forschte Sheinbaum vier Jahre lang in Kalifornien. Aus dieser Zeit gibt es ein Foto von ihr auf der Titelseite der Zeitung „Stanford Daily“. Sheinbaum hält ein Schild mit der Aufschrift „Fairer Handel und Demokratie jetzt“ hoch – bei einer Demonstration gegen den Besuch des damaligen mexikanischen Präsidenten Carlos Salinas in den USA.
Als Obrador im Jahr 2000 Bürgermeister von Mexiko-Stadt wurde, holte er Sheinbaum als Chefin des Umweltressorts in seine Regierung – eine wichtige Aufgabe in der von Smog geplagten Millionen-Metropole. Sie stieß den Bau der zweiten Etage der Stadtautobahn an und ließ Busspuren und Fahrradwege einrichten.
Als ihre Amtszeit 2006 endete, kehrte Sheinbaum an die Universität zurück und wurde Mitglied des Weltklimarats, der 2007 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet wurde. Ihr Fachgebiet war die Eindämmung des Klimawandels.
Politische Karriere von Tragödien überschattet
Sheinbaums politische Karriere wurde von Tragödien überschattet: Als sie von 2015 bis 2017 Bürgermeisterin des Stadtbezirks Tlalpan war, stürzte durch ein Erdbeben eine Schule ein und tötete 26 Menschen. Während ihrer Zeit als Bürgermeisterin von Mexiko-Stadt in den Jahren 2018 bis 2023 musste sie den tödlichen Einsturz einer U-Bahn-Brücke bewältigen. Auch die Corona-Pandemie entwickelte sich in Mexiko-Stadt zur Katastrophe: In kaum einer Region der Welt war die Sterblichkeitsrate so hoch wie in der mexikanischen Hauptstadt.
„Sie hat eine beeindruckende Fähigkeit zur Analyse und zum Finden sehr praktikabler Lösungen“, lobt die ehemalige Wirtschaftsministerin und ihre derzeitige Sprecherin Tatiana Clouthier die künftige Präsidentin. „Obwohl sie Wissenschaftlerin ist, ist sie auch eine soziale Kämpferin – eine sehr gute Kombination aus Herz und Verstand.“
Nachdem Gegner sie als „kalt und herzlos“ kritisierten, herzt Sheinbaum nun ihre Unterstützer und offenbart in Tiktok-Clips ihren Sinn für Humor. In einem Video gab sie auch ihre zweite Ehe mit ihrer Jugendliebe Jesús Tarriba bekannt.
Nach ihrem Wahlsieg sieht sich Sheinbaum nun aber fast unbezwingbar erscheinenden Herausforderungen gegenüber: Die ausufernde Gewalt im Land, die verbreitete Armut, ein hohes Haushaltsdefizit, die massenhafte Auswanderung in die USA und die komplexen Beziehungen zum nördlichen Nachbarn – dies sind nur einige der Probleme, die Sheinbaum nach ihrem Amtsantritt am 1. Oktober erwarten.
Immer noch prägt auch der Machismus Mexiko, im Schnitt werden über zehn Frauen täglich ermordet. Nun wird das Land erstmals in seiner Geschichte von einer Präsidentin geführt. Viele Wählerinnen hoffen, dass dies deutliche Veränderungen bringen wird. „Ich werde Sie nicht enttäuschen“, rief Sheinbaum ihren Anhängerinnen und Anhängern in ihrer Siegesrede am Zócalo, dem Hauptplatz von Mexiko-Stadt, zu.
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