Gemeindeporträt / Clerf: Bildungshaus, „Heliport“ und mangelnder Schwung im öffentlichen Nahverkehr
Clerf ist Kantonalhauptstadt und im neuen Landesentwicklungsplan (PDAT) ein sogenanntes „Centre d’attraction“. Mittlerweile wohnen rund 6.000 Menschen in der aus 17 Ortsteilen bestehenden Gemeinde. Jeder dritte Einwohner ist Nicht-Luxemburger. Im Gemeinderat gibt es eine Mehrheit aus CSV und der „Biergerlëscht“. Ein Gespräch mit dem Député-Maire Emile Eicher (67, CSV) über mangelnden Schwung im öffentlichen Nahverkehr, einen Hubschrauberlandeplatz und das neue „Bildungshaus“.
Tageblatt: Clerf hat insgesamt 17 Ortschaften plus acht Weiler und Höfe. Kann man in einer so kleinteiligen Gemeinde allen gerecht werden als Bürgermeister?
Emile Eicher: Allen kann man es nie recht machen. Aber man probiert in diesem Amt, für alle Ortsteile so viel wie möglich zu machen, ohne dabei die Gemeinde als Ganzes aus den Augen zu verlieren. Gute Infrastruktur für alle bereitzustellen, ist die Hauptaufgabe der politisch Verantwortlichen. Deshalb hat es ein bisschen gedauert, bis wir unser „Bildungshaus“ in Reuler bauen konnten.
Bildungshaus?
Wir haben in Zusammenarbeit mit dem Schulpersonal und den Elternvertretern neben der europäischen Grundschule den Aus- und Neubau der bereits bestehenden Grundschule mit „Maison relais“ und „Crèche“ konzipiert. Es wird Lebensräume zwischen den Klassenräumen geben, wo Schüler sich aufhalten können, Förderunterricht gehalten und Freizeit mit Musik und Sport verbracht wird. Außerdem sind die Zyklen 1-4 europäisch ausgerichtet, wo viele unterschiedliche Nationalitäten zusammenkommen. Integration ist eine Riesenherausforderung in Clerf.
Sie meinen den hohen Ausländeranteil?
Er liegt bei 36,33 Prozent und für uns fängt Integration in der Schule an. Kinder verstehen sich – egal welcher Nationalität. Aber über eine solche Schule erreichen wir auch die Eltern, die sich dort kennenlernen. Ziel ist es, ein Zusammenleben mit den luxemburgischen Kindern, die die Schule ebenfalls besuchen, zu erreichen.
Marnach ist mit dem Cube 521, Supermarkt, Ärztezentrum, Apotheke und demnächst einer CGDIS-Kaserne gut ausgestattet. Fängt es als „kleiner Satellit“ von Clerf die strukturell bedingte Unterversorgung im ländlichen Raum auf?
In Clerf selbst gibt es in der Tat keinen Platz mehr. Das ist historisch und geografisch bedingt. Clerf liegt in einem Talkessel und unsere historische Bausubstanz bietet uns wenig Möglichkeiten. Der neue Landesentwicklungsplan PDAT bescheinigt Clerf ein Potenzial von gerade mal noch drei Prozent Ausbaufläche. Das sagt eigentlich alles.
Stichwort Kultur: Clerf wird oft auf die „Familiy of Man“-Ausstellung reduziert. Wie wichtig ist sie?
Sehr wichtig. Das ist ein großes Aushängeschild für unsere Gemeinde mit über 20.000 Besuchern jährlich. Aber wir sind auch „Cittàslow“ und wollen in Zukunft verstärkt auf Regionalität setzen.
Dem Norden wird nachgesagt, er fühle sich in puncto Mobilität von der Regierung im Stich gelassen. Stimmt das?
Ich stelle fest, dass Mobilitätsprojekte bei uns viel länger dauern als anderswo im Land. Es fehlt der Schwung dahinter.
20 Jahre für den Bau der Nordstraße …
Das ist ein gutes Beispiel. Die Tram in der Hauptstadt ist ein anderes Beispiel. Das ging für so ein großes Projekt ruck, zuck. Ich wollte, bei unseren Projekten im öffentlichen Nahverkehr wäre das auch so.
Da wären wir dann bei der Transversale, die Clerf und Marnach verbinden und gleichzeitig verkehrsmäßig entlasten soll. 2014 wurde mit dem Bau begonnen, 2022 ist gerade mal ein Teilstück fertig …
Der Teil zwischen Marnach und Reuler ist in der Tat fertig. Der andere zwischen Reuler und Clerf sollte Ende dieses Jahres fertig werden. Die Verantwortlichen der Straßenbauverwaltung bestätigten mir aber, dass dies unmöglich ist, bei dem, was noch gebaut werden muss. Wenn alles gut geht, wird nächstes Jahr die Fertigstellung erfolgen … Das ist umso ärgerlicher, weil da ja noch mehr dranhängt.
Was denn?
Wenn die Entlastung durch die Transversale da wäre, könnten wir in Clerf endlich unsere x Projekte zur Verkehrsberuhigung umsetzen. Tempo-30-Zonen, Straßenverengungen und Shared Spaces sind geplant. Aber solange da Lkws durchbrettern, brauchen wir gar nicht erst anzufangen.
Dann dürfte der Einsturz des Tunnels Schieburg verheerende Folgen haben, oder?
Die Einwohner unserer Region, die in der Hauptstadt arbeiten, sind seitdem teilweise 14 Stunden täglich zur Arbeit und zurück unterwegs. Sie haben „d’Flemm“. Daran zeigt sich, wie wichtig der öffentliche Transport ist.
Sind die Kommunalwahlen in vier Monaten ein Thema?
Das ist immer ein großes Thema. Es geht ja dann darum, was in den nächsten sechs Jahren umgesetzt wird. Aber aktuell ist der „Heliport“ in Urspelt nach wie vor ein Gesprächsthema.
Das Vier-Sterne-Hotel Château d’Urspelt soll einen bekommen. Sie haben als Bürgermeister die Baugenehmigung erteilt. Einwohner klagen … Und jetzt?
Als Bürgermeister muss ich das Gesetz anwenden. Der Antrag war konform mit geltendem Gesetz und ich hatte keine andere Wahl. Ich habe den Bau des Landeplatzes genehmigt, aber keine Fluggenehmigung. Die Baugenehmigung ist ein Teil vieler anderer Genehmigungen, die noch kommen müssen. Das verstehen aber viele nicht. Gezielte Klagen wegen des Lärms und im Sinne des Umweltschutzes müssen an anderen Stellen eingereicht werden.
Bleiben wir bei den Wahlen: Jeder Dritte in Clerf ist Nicht-Luxemburger. Haben Sie die gleichen Schwierigkeiten wie viele andere Gemeinden auch, diese Bevölkerungsteile für die Listen zur Wahl zu begeistern?
Ja. Es ist leider ganz schwer, sie zu mobilisieren. Bis jetzt haben sich nur 14,2 Prozent der Nicht-Luxemburger aus anderen EU-Ländern und 4,5 Prozent der Wahlberechtigten aus Drittstaaten, die in Clerf leben, eingetragen (die Angaben stammen von der „Direction de l’intégration“ im Familienministerium, Anm. d. Red.). Deswegen haben wir beschlossen, jeden einzelnen anzuschreiben. Die Briefe sind fertig und werden bald herausgehen. Wir finden diese Form der persönlichen Ansprache ganz wichtig.
Gehen Sie noch mal ins Rennen?
Ja. Aber es gibt noch keine Listen. Es ist heute generell schwer, Kandidaten für ein politisches Engagement zu gewinnen.
Cittàslow
Cittàslow ist eine Bewegung und ein Netzwerk. Die Idee dazu kommt aus Italien, wo der international tätige Verein seinen Sitz in Orvieto hat. Inspiriert wurde die Bewegung von den Zielen der Slow-Food-Bewegung und hat zum Ziel, die Lebensqualität in Städten zu steigern. Dabei geht es darum, der Vereinheitlichung durch Franchise-Läden großer Labels entgegenzuwirken. Kulturelle Diversität und die eigenen und speziellen Werte der jeweiligen Stadt und ihres Umlandes sind zentral. Seit der Gründung 1999 sind Cittàslow-Netzwerke auch in anderen Ländern entstanden wie in Deutschland, Norwegen, Großbritannien oder Spanien.
Zur Person
Emile Eicher (67) ist Mitglied der CSV und macht nicht nur seit 29 Jahren Lokalpolitik. Seit 2011 ist er Bürgermeister der Gemeinde Clerf und seit 2011 Präsident des Syvicol. Zudem ist er Präsident des Naturpark Our und des interkommunalen Syndikats Sicler. Clerf ist eine Fusionsgemeinde. 2011 fusionierte sie mit den Nachbargemeinden Heinerscheid und Munsbach. Eicher ist ein großer Verfechter von Fusionen und setzt sich im Syvicol für eine starke Rolle der Gemeinden ein. Seit 2009 ist er Mitglied der „Chambre des députés“.
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War im letzten Sommer in Clervaux in einem Urlaubsweekend,
Hotel war sozusagen super und alles war in Ordnung,
aber die Umgebung,Gegend,Clervaux selbst leider alles
stink langweilig,nicht so ganz empfehlentswert.
Qualitätsmässig zu teuer.