Rechtsextremismus / „Compact“-Verbot gescheitert: Wenn der gute Wille allein nicht reicht
Erst vor wenigen Wochen hat Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) das rechtsextreme „Compact“ und seine Verästelungen verboten. Das Verbot hat das Bundesverwaltungsgericht in einer vorläufigen Entscheidung aufgehoben. Jetzt steht die SPD-Politikerin vor einem Scherbenhaufen.
Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser (SPD) ist eine engagierte und wertebewusste Politikerin. Ihr Kampf gegen den Rechtsextremismus und ihr Einsatz für die Errungenschaften der sozialen Demokratie sind aufrichtig und ehrenwert. Doch gerade solche Personen können ungewollt Unheil anrichten, wenn allein der gute Wille ihr Handeln bestimmt. Genau das ist der Innenministerin passiert.
Sie hat vor wenigen Wochen mit großer Außenwirkung die laut Verfassungsschutz „gesichert extremistische“ Compact-Magazin GmbH verbieten lassen. Dieses Medienunternehmen gibt das in rechtsextremen Kreisen führende Meinungsmagazin „Compact“ heraus. Keine Frage: Die Macher des Magazins stehen im dringenden Verdacht, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland verächtlich zu machen und abschaffen zu wollen. Das zeigen Äußerungen des „Compact“-Chefredakteurs Jürgen Elsässer, der den „Sturz des Regimes“ betreiben will.
Doch trotzdem ist Vorsicht geboten. Denn die Gesinnung der Macher einer Zeitschrift hat noch keine rechtlichen Konsequenzen. Sie gebietet nur eine genaue Beobachtung dieser Szene. Solange sich die Rechtsextremen in Wort und Bild nicht klar gegen die demokratische Ordnung aussprechen oder volksverhetzende und antisemitische Inhalte teilen, sind auch sie durch die Meinungsfreiheit geschützt. Da mag man noch so sehr Anstoß nehmen an ihren Verschwörungstheorien und falschen Behauptungen. Aber der Staat darf nicht darüber richten, welche Aussagen wahr und welche Aussagen falsch sind. Das muss er dem mündigen Bürger und der mündigen Bürgerin überlassen.
Ein Triumph für die Rechtsextremisten
Hier ging Faeser deshalb zu weit. Sie traute genau das dem Publikum nicht zu und wollte Entschlossenheit demonstrieren. Freilich am falschen Objekt. Denn ein Vollverbot von Verlag und Magazin fand das Bundesverwaltungsgericht, die höchste Instanz in dieser Frage, in einem ersten Schritt zu weitgehend. Das endgültige Urteil steht noch aus. Die Ministerin hätte sich auf den langwierigen Weg von Einzelverboten und konkreten Beanstandungen einlassen sollen. Das ist mühsam und schafft weniger Aufmerksamkeit.
Jetzt hat sie mir ihrer voreiligen Aktion dem rechtsextremen Blatt größtmögliche Beachtung verschafft. Schon tönt Compact-Mann Elsässer, der gestrige Tag sei der „wichtigste Tag zur Verteidigung der Pressefreiheit seit der Spiegel-Affäre 1962“. Es ist geradezu unappetitlich. Doch die Vorlage dazu kommt aus dem Hause Faeser. Damals habe, so Elsässer, das Hamburger Nachrichtenmagazin über die autoritären Übergriffigkeiten vor allem des Verteidigungsministers Franz Josef Strauss obsiegt. Der musste damals zurücktreten. Und dann schafft es der Polit-Agitator, der einst ganz links außen verortet war, von den „faschistischen Übergriffigkeiten der Innenministerin Nancy Faeser“ zu faseln. Ein Triumph für den rechtsextremen Schreiber, der unnötig war.
Ins gleiche Horn stößt der von „Compact“ beauftragte Rechtsanwalt Laurens Nothdurft, ein früherer AfD-Politiker und mutmaßliches Mitglied der extremistischen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ). Martialisch wirft er der Ministerin vor, sie habe „Compact“ auslöschen wollen. Das sei nur dank des Gerichts vereitelt worden. Elsässer sieht geradezu einen „Linienkampf“ zwischen „diktatorischen Kräften und Frau Faeser und den Grünen“ auf der einen Seite und „Kräften, die die freiheitlich-demokratische Grundordnung verteidigen“. Das ist natürlich alles Unsinn, aber das Urteil gibt dem „Compact“-Chefredakteur die Chance, alles umzukehren und die Bundesregierung bloßzustellen.
Trotz solcher Attacken und Verdrehungen der rechtsextremen Subkultur ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, das Verbot vorläufig aufzuheben, richtig. Bevor ein Text oder ein Magazin verboten wird, muss die verfassungsfeindliche Absicht weitgehend feststehen. Sonst gilt das freie Wort, egal wie schwer verdaulich die Inhalte sind. Das hat die Innenministerin nicht ausreichend beachtet. Jetzt steht sie maximal unter Druck. Für den entschiedenen Kampf gegen den Rechtsextremismus, so wichtig und notwendig er ist, reicht eben der gute Willen allein nicht aus.
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