Grenzkontrollen / Corona: Unterwegs im Grenzgebiet
Ausgerechnet dort, wo sie einst abgeschafft wurden, gibt es sie in Zeiten von Corona wieder: Grenzkontrollen. Am Europakreisel in Perl, den die Brücke vom luxemburgischen Schengen trennt, müssen seit Montag Bundespolizisten die Einreisen nach Deutschland kontrollieren. Unterwegs im kleinen Grenzverkehr.
Normalerweise würde Rolf Linster jetzt im Thermalbad in Mondorf seine Bahnen ziehen. Der 67-jährige Rentner aus dem deutschen Perl hat eine Monatskarte. Stattdessen sitzt er auf einer Bank neben der Mosel, genießt die ersten Sonnenstrahlen und bleibt gelassen. „Es ist ja alles zu“, sagt er. Angst um sich hat er nicht, obwohl er altersmäßig nahe an der Risikogruppe ist. Er ist zu Fuß nach Luxemburg „eingereist“. „Ich laufe viel und fühle mich fit“, sagt er. Seine Frau, „Bomi“ von drei Enkelkindern, ist in Merzig (D) bei der Tochter im Einsatz.
Bei Aussagen wie diesen kommen Zweifel auf, ob das Konzept, Kinderbetreuungseinrichtungen und Schulen wochenlang zu schließen, die richtige Entscheidung war. Großeltern gehören zur Risikogruppe. „So eine Katastrophe wie diese habe ich noch nicht erlebt“, sagt er. Linster erinnert sich noch lebhaft an die Fahrverbote der ersten Ölkrise von 1974. „Das war nicht so schlimm wie das hier.“
Gestrandete Transittouristen
Ganz anders geht es „Buba“ Sajoelund (67) aus Finnland. Er und seine Frau haben nach acht Wochen ihren Europaurlaub im Camper abgebrochen. Bis zum 1. April war der Ferientrip geplant, Corona hat sie eingeholt. Sie kommen aus einem Risikogebiet. In Spanien wurden sie von den Maßnahmen zur Eindämmung des Virus überrascht. „Wir sind beide Rentner, da ist es nicht so schlimm“, sagt er. Nun stecken beide auf der Nationale neben der Mosel kurz hinter dem geschlossenen Europamuseum und dem ebenfalls geschlossenen Café über einer Europakarte die Köpfe zusammen und überlegen, wie sie nach Hause kommen. „Wir sind in Sorge um unsere Kinder und Enkelkinder“, sagt Buba.
Das Ehepaar wurde bei der Einreise nach Luxemburg von den deutschen Beamten angehalten. „Sie haben nicht so richtig gewusst, was sie mit uns machen sollen“, hat der Finne den Eindruck. „Jetzt sind wir hier in Luxemburg“, sagt er und will wissen, wie es mit der Weiterreise nach Belgien aussieht. Könnte kompliziert werden. Auch Lennard (26) und seine Freunde sind an der Grenze gestrandet. Die junge Truppe wollte sich vom Virus nicht die Skiferien verderben lassen. „Wir haben im Oktober eine Woche Österreich gebucht“, sagt er. Als klar war, dass dort alles dicht ist und 70 Prozent der Kosten zurückerstattet waren, haben sie sich Richtung französische Alpen auf den Weg gemacht. Ziel: Val Thorens.
Alles ist lahmgelegt
„Da war auch alles geschlossen, als wir ankamen“, sagt der Niederländer. Nach zwei Hotelübernachtungen auf dem Rückweg stärken sie sich mit Einkäufen aus dem Delhaize neben der Autobahnauffahrt. Von schlechter Laune ist trotzdem keine Spur. „Wir wollen uns nicht verrückt machen“, sagt ein Freund. Selbst dann nicht, als sie erfahren, dass die Weiterreise Richtung Rotterdam, aus dessen Umgebung sie kommen, wohl schwieriger wird als gedacht.
Im Café Paul, von wo die Snacks, die sie essen, stammen, sind die Stühle nach oben gestellt. Kein einziger Gast sitzt am frühen Nachmittag dort wie sonst. „Am Sonntag hatten wir noch höllisch viel zu tun“, sagt eine Verkäuferin. „Und jetzt das hier. Aber was soll man machen?“ Es geht nicht nur ihr so. Das Reisebüro von Emile Weber im Einkaufszentrum verkündet auf einem Aushang: „Wir haben geschlossen bis auf Weiteres“. Die staatlich verordnete gespenstische Leere herrscht auch auf der anderen Seite der Grenze. Auf dem Parkplatz vor dem größten Drogeriemarkt Europas sind fast alle Plätze frei genau wie bei den Lebensmitteldiscountern, die vom luxemburgisch-französisch-deutschen Grenzverkehr leben. So sieht es normalerweise nur an Sonn- und Feiertagen aus.
Kontrollen auf der deutschen Seite
Die Beamten, die ein paar Meter weiter Dienst tun, können sich nicht über Arbeit beklagen – auch wenn weniger Verkehr herrscht als sonst. „Das Schengen-Lyzeum ist geschlossen, das merken wir schon“, sagt Jörg Becker (49), Kontroll- und Streifenbeamter bei der Dienststelle in Perl (D). Er und seine Kollegen kontrollieren die Einreisen nach Deutschland seit acht Uhr morgens. Nachmittags um drei Uhr sind sie die einzigen Beamten, die Grenzkontrollen machen. Französische oder luxemburgische Beamte sind nicht zu sehen. „Wir lassen uns die Bescheinigungen der Arbeitgeber zeigen, dass sie ins Bundesgebiet müssen“, sagt Becker. „Aber wir sind heute großzügig, das wurde ja erst am Wochenende beschlossen.“ Manche hätten so schnell noch gar nicht reagieren können.
50 Beamte sind seit Montag rund um die Uhr zu Kontrollmaßnahmen im Einsatz. Dafür wurden Beamte aus Bad Bergzabern (Rheinland-Pfalz), Duderstadt bei Hannover der mobilen Kontroll- und Überwachungseinheit von Perl zur Seite gestellt. Das sagt Karsten Eberhardt (45), Pressesprecher der Bundespolizei im Saarland, auf Anfrage des Tageblatt. Der Warenverkehr kann ungehindert einreisen, bestätigt der Pressesprecher. Das müssen die Lkws nach den Hamsterkäufen am Wochenende. In einigen Geschäften im Perler Einkaufsgebiet sind die Regale noch immer nicht völlig aufgefüllt.
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