Flashback 2020 / Coronakrise: Verkaufsoffene Sonntage und brummendes Weihnachtsgeschäft trotz Pandemie
Anfang 2020 war noch alles anders. Wie sehr hat das vergangenen Jahr die Welt und Luxemburg verändert? Bis Silvester präsentiert das Tageblatt die interessantesten und bewegendsten Artikel des Jahres der Corona-Pandemie. Dieser Artikel wurde zuerst am 18. Dezember veröffentlicht.
Die Corona-Krise hat Luxemburg weiter fest im Griff. Die Infektionszahlen gehen, wenn überhaupt, nur sehr leicht zurück. Wegen der kritischen Lage hatte die Regierung bereits beschlossen, Restaurants und Bars zu schließen. Derweil sind die Geschäfte weiter geöffnet – und machen in der Weihnachtszeit ordentlich Umsatz.
Die Grand-Rue in Luxemburg-Stadt an den vergangenen Sonntagen: Menschen schlendern durch die Straßen, Einkaufstüten in ihren Händen, manche bleiben stehen, um sich mit Bekannten zu unterhalten. Über ihnen und rund um sie herum glitzert die Weihnachtsdeko. Fast könnte man glauben, dass es überhaupt keine Pandemie gäbe. Wären da nicht die Masken, die die meisten aufhaben, und die zahlreichen Aufkleber, Warnplakate und Schilder, die daran erinnern, Abstand zu halten und die Hygienemaßnahmen zu respektieren. Vor manchen Geschäften bilden sich Schlangen, weil nur eine bestimmte Anzahl von Kunden gleichzeitig ins Innere gelassen werden.
Sowohl der Wochenrückblick des Gesundheitsministeriums wie die Abwasseranalyse des LIST von dieser Woche zeugen deutlich: Das Infektionsgeschehen in Luxemburg hat sich kaum entspannt. Im Vergleich mit den Nachbarn aus der Großregion wird deutlich, wie arg das Großherzogtum mit dem Virus zu kämpfen hat. Und das, obwohl die Regierung die Restaurants und Bars geschlossen hat, eine Ausgangssperre von 23 bis 6 Uhr gilt sowie eine Maskenpflicht bei Abständen von weniger als zwei Metern, man sich nicht in großen Gruppen draußen treffen und man zu Hause nur noch bis zu zwei Besucher aus ein und demselben Haushalt empfangen darf.
Verkaufsoffene Sonntage
Fast schon absurd wirkt es dann, wenn die Stadt Luxemburg eine Kampagne für Gratis-Parkstunden in zwei Parkhäusern am Bahnhof verlängert, um, so schreibt es die Gemeinde selbst, „den Handel am Bahnhof zu fördern“. Die Gemeinde Düdelingen verweist in einem Presseschreiben auf ihre Weihnachtsdeko und die Gratis-Parkplätze, die zum Shoppen einladen. Nicht zu vergessen: Viele Geschäftsverbände haben mit der Zustimmung der Gemeinden in der Weihnachtszeit verkaufsoffene Sonntage organisiert. Daran stoßen sich so manche Luxemburger, unter anderem auch die Fraktionschefin der CSV, Martine Hansen.
Här Premier, Mme Gesondheetsministesch – a mengen Aen ass et nit verantwortungsvoll, an deser Situatioun, wou eis…
Gepostet von Martine Hansen am Dienstag, 15. Dezember 2020
Im Gespräch mit dem Tageblatt unterstricht die Bürgermeisterin der Stadt Luxemburg, Lydie Polfer: „Die verkaufsoffenen Sonntage stehen nicht im Widerspruch zu den Maßnahmen der Regierung.“ Schließlich habe diese bisher auch nicht beschlossen, den Einzelhandel zu schließen. Sie verteidigt auch die Verlängerung der Gratis-Parkstunden-Kampagne im Bahnhofsviertel. Die Geschäfte dort hätten durch die Tram-Baustelle und die Corona-Krise schon genug gelitten. Außerdem habe die Gemeinde alles dafür getan, um die Kunden an die geltenden Hygienemaßnahmen zu erinnern. „Wir haben keine Polizeigewalt, um zu kontrollieren, dass sie diese auch einhalten“, betont Polfer. Sie appelliert aber an das Verantwortungsgefühl der Menschen, sich vernünftig zu verhalten.
Ähnlich sieht es auch Bürgermeisterkollege Dan Biancalana von der Düdelinger Gemeinde. Man habe beschlossen, dass der traditionelle Weihnachtsmarkt nicht stattfindet. Mit dem Geschäftsverband sei diskutiert worden, ob man die verkaufsoffenen Sonntage nicht streichen sollte. „Doch am Ende wussten wir aus den Erfahrungen der letzten Jahre, dass es keinen Riesenandrang an den Tagen geben wird“, sagt Biancalana.
Der gesunde Menschenverstand
Der stellvertretende Direktor der Luxemburger Handelskammer, Claude Bizjak, sagt gegenüber dem Tageblatt, dass die verkaufsoffenen Sonntage sogar einen entlastenden Effekt auf den Samstagsbetrieb hätten. „So können die Kunden an beiden Wochenendtagen ihre Einkäufe erledigen. So wird der Kundenandrang vom Spitzentag Samstag auf den Sonntag mitverteilt“, sagt Bizjak. Eine Argumentation, der auch der Geschäftsverband der Stadt Luxemburg folgt: „Wegen der Telearbeit kommen viele Menschen in der Woche nicht mehr in die Stadt. Ihnen wollen wir die Möglichkeit anbieten, am Wochenende zu kommen, und der verkaufsoffene Sonntag erlaubt es uns, den Betrieb besser aufzuteilen.“ Bizjak führt außerdem das Argument ins Feld, dass der Handel schließlich nicht als Infektionsherd ausgemacht wurde und in den meisten Geschäften strenge Sicherheits- und Hygienemaßnahmen gelten.
Den Kunden rät Bizjak, sich nach „dem gesunden Menschenverstand“ zu richten und die geltenden Regeln zu beachten. „Ich bin kein Fan von Protektionismus“, sagt der stellvertretende Direktor der Handelskammer, „aber in dieser Zeit appelliere ich an die Kunden, die hier ansässigen Betriebe zu unterstützen und lokal zu kaufen. Das ist auch online möglich.“
Sollte ein kompletter Lockdown des Einzelhandels kommen, wie er aktuell in Deutschland umgesetzt wird, dann sieht Bizjak schwarz. „Das wäre dramatisch“, betont er eindringlich. Wie die „Kollegen aus dem Horeca-Bereich“, würde es den Handel schwer treffen, wenn man nun die Türen für einigen Wochen schließen müsse. Wenn das passiert, müsse man mit der Regierung über neue Hilfen diskutieren: „Da musse mer méi wéi nëmmen eng Schëpp dobäileeën“.
Denn manche Betriebe würden 40 bis 50 Prozent ihres Umsatzes in der Weihnachtszeit machen. Diese Einnahmen seien nach dem „schwarzen Jahr 2020“ dringend notwendig. Auch der Geschäftsverband der Stadt Luxemburg betont, dass das Weihnachtsgeschäft 2020 wichtiger denn je sei, um Umsatz zu generieren. Bizjak befürchtet, dass wenn zu viele Geschäfte wegen der Krise ihre Türen für immer schließen müssen, es zu einer Art ökonomischer Spirale kommt: „Je weniger Geschäfte in einer Einkaufszone vertreten sind, desto weniger Betrieb wird generiert und desto unattraktiver wird der Standort.“ Das könnte, neben der großen Konkurrenz durch den Online-Handel, der Todesstoß für manche Einkaufszonen bedeuten.
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Hauptsache, der Rubel rollt!