Luxemburg / Covid-Proteste: So erlebten die Menschen die Ausschreitungen auf dem Weihnachtsmarkt
Ein Jahr ist es am Sonntag her, dass während der Corona-Pandemie in Luxemburg erstmals eine Demonstration gegen die sanitären Maßnahmen aus dem Ruder lief und es zu Ausschreitungen auf den Weihnachtsmärkten in der Hauptstadt kam. Vielen sind diese in Erinnerung geblieben.
Schaustellerin Malou Prott
„Schön war es nicht, was an dem Tag hier passierte“, erinnert sich Malou Prott auf dem Weihnachtsmarkt bei der „Gëlle Fra“, wo sie auch im vergangenen Jahr ihren Stand hatte. Über den Moment, als plötzlich zahlreiche Demonstrierende Palissaden niederrissen und den abgesperrten Bereich stürmten, sagt sie: „Es waren viele Familien unterwegs. Die Eltern gerieten in Panik und schockierte Kinder weinten. Einer kam her und brüllte: ‚Vive la liberté’. Wenn er sich nicht impfen lassen will, ist das seine Entscheidung – aber ich wollte arbeiten.“ Denn am 4. Dezember 2021 und an den darauffolgenden Wochenenden mussten die Märkte immer mal wieder wegen der Proteste kurzzeitig schließen. In einer ohnehin schwierigen Zeit hatte das laut Charles Hary vom nationalen Schaustellerverband einen negativen Einfluss auf das Geschäft: „Als wir mit den Einschränkungen alles so weit aufgebaut hatten, freuten wir uns. Dass dann welche nur zum Krawallmachen kamen, war überflüssig. Es war nicht schön und gehörte nicht an diesen Ort.“
Händlerinnen Anne Foucher und Caroline Graas
Anne Foucher arbeitet in einem Teeladen in der rue Notre Dame, etwa 100 Meter von der „Gëlle Fra“ und rund 200 Meter von der place d’Armes entfernt. Von den Ereignissen vor einem Jahr ist ihr vor allem eines in Erinnerung geblieben: „Viele sagten uns, dass sie samstags aus Angst nicht mehr in die Stadt kämen.“ Kollegin Caroline Graas ergänzt: „Oder sie kamen am frühen Samstagmorgen, um dann zu Beginn der Demonstrationen wieder zu Hause zu sein.“ Die Geschäftsfrau macht sich meist erst am Samstagabend nach getaner Arbeit auf den Weg zum Glacis, wo sie parkt. „Ich ging dann durch den Park und fand das unheimlich. Obwohl die Polizei vor Ort war, habe ich mich nicht sicher gefühlt. Es waren ja Radikale dabei und man wusste nie, was sie vorhaben, erinnert sich Caroline Graas. Aus eben diesem Grund mieden in der Adventszeit 2021 viele Menschen vor allem samstags die Hauptstadt – was sich laut der Direktorin der „Union commerciale de la ville de Luxembourg“, Anne Darin-Jaulin, in den Kassen der Geschäftsleute bemerkbar machte: „Nach ohnehin zwei schweren Jahren, hatte das einen negativen Einfluss auf die Einnahmen. Aber das ist nun Vergangenheit. Es ist wieder sehr angenehm in der Stadt.“
Mutter Aude Villeneuve
Die junge Mutter Aude Villeneuve wollte am frühen Abend des 4. Dezember 2021 mit Familie und Freunden einen Ausflug zum Weihnachtsmarkt machen. „Im Bus hatten wir in den Nachrichten gelesen, dass die Demonstrierenden oben beim Theater gestoppt werden. Als wir am Hamilius ankamen, hörten wir Sirenen und sahen Polizisten mit Helmen.“ Wie geplant, machte man sich bei anbrechender Dunkelheit auf den Weg zum Weihnachtsmarkt bei der place d’Armes. Doch der war zur Enttäuschung aller geschlossen. Plötzlich näherte sich eine Gruppe lärmender Menschen mit Trommeln – die dann von der Polizei allerdings gestoppt wurden. „Die Polizisten wirkten auf uns nicht nervös und da auch wir Erwachsenen zen blieben und den Kindern alles erklärten, hatten sie weniger Angst“, sagt Aude Villeneuve. Und schlussfolgert: „Ich habe kein Problem damit, wenn Menschen demonstrieren. Aber das muss nicht bei einer Familienveranstaltung sein. Und es darf nicht darum gehen, Dinge kaputtzumachen.“ Die Kinder konnten später dann doch noch eine Runde Karussell fahren.
Die Polizeibeamten
Quasi im Wochentakt gab es während der Pandemie Demonstrationen, die laut Pressestelle der Polizei größtenteils friedlich verliefen. Die Ereignisse vom 4. Dezember 2021 stellten in dem Sinne eine „Premiere“ dar. Was danach folgte, forderte Änderungen in puncto Aufstellung und wurde auf Dauer zur Belastung für die Einsatzkräfte. „Es war keine einfache Zeit, vor allem für Hunderte von Polizistinnen und Polizisten, die ganz vorne standen und mental sowie körperlich Woche für Woche bereitstehen mussten, damit es nicht wieder zu Ausschreitungen kommt“, heißt es in einer schriftlichen Antwort der „Police Lëtzebuerg“. Öfters gab es Aggressionen, Beleidigungen und Drohungen – Aspekte, die laut Pressestelle zur Polizeiarbeit dazugehören. Hervorgehoben wird die Anerkennung und der Zuspruch, die den Menschen in Uniform für ihren Einsatz entgegengebracht wurden.
Familienministerin Corinne Cahen (DP)
Demonstrierende tauchten aber auch vor den Wohnsitzen von Verantwortlichen aus der Politik auf – mehrmals. So auch in der Straße im hauptstädtischen Viertel Bonneweg, in der Xavier Bettel (DP), Corinne Cahen (DP), aber auch eine der Hauptfiguren der Proteste wohnen. Während der Premierminister am 4. Dezember 2021 nicht zu Hause war, musste die Familienministerin mit den beiden Töchtern das Haus verlassen. „Die Ordnungskräfte baten uns, die Rollläden herunterzulassen. Wir konnten nur noch unsere Taschen greifen und mussten weg. Vor der gesamten Breite des Hauses standen Polizisten, es war bereits dunkel und nieselte – ein schockierendes Bild“, erinnert sich Corinne Cahen. Nach drei Stunden konnte die Familie wieder nach Hause zurückkehren. Auch in den Wochen danach war die Polizei stets in der Straße präsent. „Es ist ein Unterschied, ob man gegen die Impfung demonstriert oder vor dem Haus einer Person steht und dieser den Tod wünscht“, sagt Corinne Cahen rückblickend.
Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP)
„Wir hatten einfach gehofft, dass es nicht zu Ausschreitungen kommen wird. In diesem hässlichen Moment merkten wir aber, dass manche bereit dazu waren, in Aktion zu treten“, sagt Paulette Lenert (LSAP) zu den Ereignissen. Im Laufe der Pandemie erhielt sie Drohbriefe und es wurden Kerzen vor ihrem Haus in Remich aufgestellt. „Die Botschaft war klar: Sie wollten mir zeigen, dass sie wissen, wo ich lebe. Das war ein Eingriff in die Privatsphäre“, erklärt die Gesundheitsministerin und erinnert daran, dass in solchen Fällen oft auch Familienmitglieder betroffen sind. Wie zum Beispiel, als für Weihnachten ihre Töchter zu Besuch waren: „Ich hatte auch Angst, dass jemand ihnen etwas antut.“ Über die Proteste sagt Paulette Lenert: „In einer Demokratie sollten alle ihre Meinung äußern können. Aber es darf dabei keine Gewalt im Spiel sein. Ich hoffe, dass wir eine Situation mit solchen Ausmaßen nicht mehr erleben müssen.“
Eine Aussage, der sich wohl viele Menschen anschließen dürften.
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