Rede zur Lage der Nation / CSV-Kritik-Kaskade am Donnerstag – Premierminister Bettel reagiert auf Beiträge der Abgeordneten
Die Abgeordneten haben sich am Donnerstagmorgen erneut eingefunden, um die Debatte zur Rede zur Lage der Nation weiterzuführen. Sechs der acht eingeschriebenen Redner waren CSV-Politiker, die nicht mit Kritik sparten.
Gilles Roth trat am Donnerstagmorgen als erster von sechs CSV-Abgeordneten ans Rednerpult und setzte die Kritik der CSV vom Vortag fast nahtlos fort. „Es wurden keine Wege gezeichnet, wie die Ziele erreicht werden können“, wiederholte Roth den Hauptkritikpunkt des Vortages. „Das ist politischer Stillstand.“ Roth widmete sich vor allem der Wohnungsbaukrise und legte noch einmal die Forderungen der CSV dar: Besteuerung der Mehrwerte, beschleunigte Abschreibung und die Erweiterung der PAG. Zudem forderte der CSV-Politiker einen genauen Bericht darüber, ob die Besteuerung der FIS tatsächlich gegriffen habe.
Die einzigen Abgeordneten, die die CSV-Phalanx durchbrachen, waren der DP-Abgeordnete André Bauler und der LSAP-Abgeordnete Yves Cruchten. Bauler unterstrich in seinen Ausführungen die Wichtigkeit des Finanzplatzes für die Luxemburger Staatsfinanzen, während Cruchten auf einen Kritikpunkt der ADR des Vortages reagierte. „Die Meinungsfreiheit ist in Luxemburg garantiert“, sagte Cruchten. „Es ist faktisch falsch, etwas anderes zu behaupten.“ Insbesondere im Hinblick auf das Covid-Gesetz würde jeder Abgeordnete zahlreiche Meinungen vor der Abstimmung abwägen und sich je nach persönlicher Gewichtung entscheiden. „Die Meinungsfreiheit hat jedoch ihre Grenzen, wenn Hass versprüht oder jemand diskriminiert wird.“
Die CSV-Politikerin und frühere EU-Kommissarin Viviane Reding sezierte die Ankündigungen des Premierministers zur Digitalisierung des Landes. „Digitalisierung ist kein politisches Ziel, sondern ein Instrument für den Umweltschutz und zum Erreichen der Klimaziele“, sagte Reding. Menschen in ruralen Gegenden könnten nicht an die schnelle Infrastruktur angeschlossen werden, während sich die Menschen in den Ballungsräumen den Anschluss nicht leisten könnten. Auch bei der 5G-Politik bekam die Regierung ihr Fett weg. „Wir sind keine Vorreiter, sondern laufen hinterher“, sagte Reding. Im wirtschaftlichen Bereich sei die nötige Frequenz nicht einmal ausgeschrieben worden. „Wir stehen hier mit dem Finger im Mund.“
Der nächste CSV-Abgeordnete Ali Kaes begrüßte die angekündigten sozialen Maßnahmen, forderte die Regierung jedoch dazu auf, die Gemeinden bei der Umsetzung der Maßnahmen zu unterstützen. Mit den kostenlosen „Maisons relais“ käme eine neue Aufgabe, aber auch neue Kosten auf die Gemeinden zu. Der CSV-Politiker forderte zudem einen einheitlichen Trink- und Abwasserpreis, um den Solidaritätsgedanken zwischen den Gemeinden aufrechtzuerhalten. Auch der Ausbau des Wassernetzes solle die Regierung auf die Agenda setzen.
Kritik am Sozialsystem
Der CSV-Abgeordnete Paul Galles bezweifelte in seiner Rede, dass Luxemburg vielleicht nicht das Erfolgsmodell sei, wie der Premierminister es in seiner Rede dargestellt habe. Drei Krisen würden die Corona-Krise in Luxemburg überdauern. „Die Klimakrise, die Wohnungsbaukrise und die Krise der sozialen Ungerechtigkeiten sind unweigerlich miteinander verbunden“, sagte Galles. „Luxemburg ist kein Erfolgsmodell, wenn uns diese Krisen um die Ohren geschlagen werden.“ Der Premierminister habe kein Wort darüber verloren, wie der Kampf gegen die sozialen Ungerechtigkeiten angegangen werden kann. „Kein Wort und keine Vision, wie unser Sozialsystem von einem quantitativen Wachstum unabhängig gemacht werden kann.“ Ein Kommentar, den Arbeitsminister Dan Kersch zu einer Intervention zwang, der die Frage in den Raum stellte, was denn ein Beispiel für ein Erfolgsmodell sei?
Kritik am Sozialsystem äußerten auch die Linken, die schon am Vortag ans Rednerpult getreten waren. „Luxemburg ist ein Land mit einer immer ungleicheren Gesellschaft“, sagte Myriam Cecchetti von „déi Lénk“. Besonders die Gruppe der arbeitenden Armen hätte keine Perspektiven und würde es gerade so über die Runden schaffen. Auch nahm die Linken-Politikerin die Folgen des Bildungssystems unter die Lupe. „Im Juli 2021 lag die Jugendarbeitslosigkeit bei 17,8 Prozent, im August ist diese Rate noch einmal gestiegen“, sagte Cecchetti. Luxemburg brauche eine Vision, ein Narrativ.
Marc Spautz forderte in seinem Redebeitrag, dass das Handwerk in Luxemburg endlich wieder einen höheren Stellenwert erhalten solle. „Wir müssen die Attraktivität des Handwerks fördern“, sagte Spautz. Handwerker dürften nicht in die gesellschaftliche letzte Reihe gesetzt werden. Ansonsten begrüßte der CSV-Politiker vor allem die angekündigten Maßnahmen im Bereich Familie und Integration. Der kostenlose Musikunterricht und die kostenlose Hausaufgabenhilfe seien begrüßenswerte Maßnahmen. „Warum werden diese erst nach zwei Jahren in der derzeitigen Legislaturperiode angekündigt?“, fragte sich Spautz. „Ob das wohl im Sinne des Erfinders war?“, kritisierte Spautz auch die zeitgleiche Ansetzung der Budgetvorstellung und der Rede zur Lage der Nation.
An Félix Eischen lag es anschließend, die Klimapolitik der Regierung zu kritisieren. „Das Wort Wasserstoff wurde in der Rede des Premierministers nur zweimal erwähnt“, sagte der CSV-Abgeordnete. Die angekündigte Wasserstoffstrategie der Regierung würde die CSV begrüßen, diese komme aber insgesamt zu spät. Der CSV-Politiker forderte zudem, mit anderen Ländern zu kooperieren. „Das Saarland ist viel weiter als wir“, sagte Eischen. „Wir sollten gemeinsam an einer Strategie für Industrie, Haushalt und Mobilität arbeiten.“
Reaktion des Staatsministers
Premierminister Xavier Bettel reagierte am Donnerstagmittag auf die vorgetragene Kritik und bedankte sich bei der Chamber für die konstruktive Zusammenarbeit während der Corona-Pandemie. „Wie Frau Hansen gesagt hat, sind die allermeisten Menschen zufrieden mit der Corona-Politik der Regierung“, sagte Bettel. „Das ist aber nur der Fall, weil die allermeisten in der Chamber zusammengehalten haben.“ Für die Aufarbeitung der Politik nach der Pandemie sei ja die OECD beauftragt worden.
Premierminister Bettel wehrte sich gegen den Vorwurf, dass die Regierung nicht früher eine Informationskampagne für das Corona-Vakzin gestartet habe. „Was hätten wir denn gemacht, wenn wir zu wenig Impfstoff gehabt hätten?“, fragte Bettel. Zu jeder Zeit hätten Gesundheitsexperten der „Santé“ zur Verfügung gestanden, um auf mögliche Fragen aus der Bevölkerung zu antworten.
Premierminister Bettel gelobte, die konstruktiven Vorschläge, die von den Politikern in der Debatte nach der Rede zur Lage der Nation gemacht wurden, zukünftig zu berücksichtigen. In der Wohnungsbaukrise wolle Bettel von Schuldzuweisungen an vorige oder diese Regierungen absehen, in der Klimakrise anhand des Bürgerrates auf Initiativen aus der Bevölkerung zurückgreifen, um die Debatte um die Klimapolitik zu vertiefen. „Es ist noch viel Lust und Motivation vorhanden, um zusammenzuarbeiten, damit jeder in diesem Land gut leben kann“, sagte Bettel abschließend. „Wir lassen uns nicht auseinandertreiben.“
Die vier von der ADR am Vortag eingereichten Motionen wurden im Anschluss an die Debatte allesamt abgelehnt – wobei in der Finanzkommission Teile der ersten Motion zur steuerlichen Belastung der Bürger auf die Tagesordnung gesetzt werden soll.
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„….und sehen den Balken im eigenen Auge nicht.“ Aber gut so.Dazu sind sie ja in der Opposition. Wüsste nur zu gern was besser wäre,säßen die Ewiggestrigen am Ruder!?