Porträt / CSV-Rat Christian Weis wird neuer Schöffe der Stadt Esch
In der ersten Gemeinderatssitzung nach den Sommerferien wurde CSV-Rat Christian Weis einstimmig zum neuen Schöffen gewählt. Er löst damit Mandy Ragni („déi gréng“) in den Ressorts Schule, Soziales und Chancengleichheit ab. Ein Porträt.
Christian Weis ist der neue Schöffe der Stadt. Das sagt zumindest die Broschüre „Youth Sports Cool Sports“, die Ende August in den Escher Briefkästen lag. Dabei ist der CSV-Gemeinderat erst diesen Freitag zum Schöffen gewählt worden. Die Vereidigung durch Innenministerin Taina Bofferding steht voraussichtlich kommende Woche an. „Da hatte es jemand zu gut gemeint“, sagt Christian Weis zu dem Missgeschick. Dahinter stecke mit Sicherheit keine böse Absicht.
Im Oktober 2017 hatten sich die frisch gebackene CSV-DP-„déi gréng“-Koalition auf einen gesplitteten Posten im Schöffenrat geeinigt. Ihre drei Jahre als Schul-, Sozial- und Chancengleichheitsschöffin liegen nun hinter der Grünen-Politikerin Mandy Ragni. Sie sollte 2020 ursprünglich von „Frunnes“ Maroldt (CSV) abgelöst werden. Nachdem der ehemalige Direktor des Lycée Hubert Clément am 28. November 2017 – nur knapp einen Monat nachdem die Postenverteilung feststand – unerwartet verstarb, fiel die Wahl der Partei nun auf Christian Weis. Der junge Politiker wird von einigen bereits als „Coming Man“ der Escher CSV gehandelt.
Ein Dickkopf
Weis wird am 22. Februar 1986 in Luxemburg-Stadt geboren. „Das ist eines der wenigen Dinge, die ich nicht in Esch gemacht habe“, meint er und lacht. Er ist ein Escher durch und durch. Das sagt auch sein 15 Jahre älterer Bruder Marc Weis: „Wir sind im Grenz-Viertel aufgewachsen und er ist nie wirklich davon losgekommen. Christian ist immer noch mit seinen Jugendfreunden aus dieser Zeit befreundet.“ Die beiden Brüder unterscheiden sich nicht nur durch ihr Alter. Marc Weis hängt lange nicht so sehr an der Minettemetropole wie sein kleiner Bruder. Er ist vor zwölf Jahren an die Mosel gezogen. Und obwohl Marc Weis sich schon immer für Politik interessierte, war eine Karriere in die Richtung nie eine Option für ihn. „Dafür streite ich zu ungern“, sagt er. Ihm sei jedoch immer schon klar gewesen, dass der Dickkopf unter ihnen, Christian Weis, irgendwann diesen Weg einschlagen wird.
An Erfahrung in der Gemeindepolitik fehlt es dem jüngeren Weis jedenfalls nicht. Schon sein halbes Leben engagiert er sich in seiner Heimatstadt. Über die Escher „Letzebuerger Guiden a Scouten“, in denen er als Junge sehr aktiv war, kommt er im Alter von 17 Jahren zur CSJ (Chrëschtlech-Sozial Jugend). Mit 19, während er auf „Première“ ist, nimmt Weis zum ersten Mal an den Gemeindewahlen in seiner Heimatstadt teil.
„Frunnes kam in dem Jahr – wie in jedem Wahljahr – zu unserer Familie nach Hause und fragte, wer von uns mit in die Wahlen geht“, erinnert er sich. Diesmal müsse endlich ein Weis mitgehen, habe er gesagt. „Mein Vater war krank, meine Mutter musste ihn pflegen und mein Bruder war nicht interessiert – damit war klar, dass ich dies wohl tun würde.“ Elf Jahre später zieht er in den Gemeinderat ein, als er am 21. Oktober 2016 für Annette Hildgen-Reuter nachrückt.
Im Schulhof
Darum gebeten, einen Ort für das Gespräch mit dem Tageblatt auszuwählen, der ihm viel bedeutet, bittet Christian Weis in den Schulhof der Brillschule. „Der Ort hat mich enorm geprägt“, sagt er und setzt sich an die Schulbank, die der Hausmeister – ein guter Freund – extra draußen aufgestellt hat. Eigentlich hätte er die Brillschule als Kind nämlich gar nicht besuchen sollen, weil er nicht im Grenz-Viertel wohnte. Sein Vater war Lehrer und habe darauf bestanden, dass er im Zentrum zur Schule geht. „Er dachte wohl, es würde mir nicht schaden und ich könnte hier interessante Menschen kennenlernen.“
Das hat Christian Weis tatsächlich. In der fünften Klasse drückt er mit seiner Vorgängerin im Schöffenrat, Mandy Ragni, die Schulbank. Und mit Tit Sum Wong, den er bis heute zu seinen besten Freunden zählt. „Von den Umständen her waren wir grundverschieden“, sagt Wong im Gespräch mit dem Tageblatt. Er kam mit seinen Eltern aus Hongkong nach Esch, in der Hoffnung auf bessere Zukunftschancen. „In Luxemburg hatten wir nichts“, sagt er. Als Sohn von zwei Luxemburgern genoss Christian Weis dagegen ein angenehmes, mittelständisches Leben. Nachdem die beiden Jungen sich nach dem Kindergarten kurze Zeit aus den Augen verloren hatten, fanden sie sich im dritten Schuljahr bei den Pfadfindern wieder. „Christian hat mich zuerst nicht wiedererkannt. Doch von da an war er mein bester Freund.“
Beste Freunde
Wenn andere Kinder aufgrund kultureller Unterschiede auf Wong rumhacken, ist es immer Christian Weis, der ihn verteidigt. Aufgrund der finanziellen Situation von Tit Sum Wongs Familie, in deren Restaurant in Esch er als Junge aushelfen musste, hatte er lange kein festes Taschengeld. „Ich glaube, es hat Christian beeindruckt, dass ich immer etwas abgegeben habe, auch wenn ich wenig hatte.“ Es wird zu einer Tradition, dass die beiden ihre Süßigkeiten stets miteinander teilen. Es ist eine Freundschaft, die Christian Weis prägt. „Ich kann mich noch sehr gut daran erinnern, dass Tit Sum immer müde war, weil er abends im Restaurant aushelfen musste“, sagt er.
In einer Zeit, in der es der Familie Weis finanziell an nichts fehlte, sind es Tit Sum und sein Bruder Marc, die ihm emotional durch eine schwere Zeit helfen. Sein Vater erkrankt mit nur 45 Jahren an Multipler Sklerose. Zusammen mit seinen Eltern zieht der Teenager in die Residenz für Multiple Sklerose hinter dem Escher Rathaus. „Mein Vater wurde aus seinem Leben gerissen, konnte seinen Beruf als Lehrer nicht mehr ausüben“, sagt Weis nachdenklich. „Es ging schnell.“ Wenn er heute Politik macht, versucht er sich immer an diese Zeit zu erinnern: „Ich denke dabei an jeden, nicht nur an diejenigen, die unter guten Bedingungen leben.“
Er ist der lustige Onkel, der alles mitmacht und nur Flausen im Kopf hatBruder
Christian Weis und sein Bruder haben eine für Geschwister eher außergewöhnliche Beziehung zueinander. Weil Marc Weis zur Uni ging, als Christian noch ein kleines Kind war, haben sie nie als Geschwister zusammengelebt. Später, als ihr Vater erkrankt, übernimmt Marc Weis die Rolle des Tutors. „Christian musste als Jugendlicher in einem Haus mit vielen kranken Menschen leben. In der Zeit haben seine Onkel, meine Frau und ich uns viel um ihn gekümmert. Er war häufig bei uns zu Hause.“ Heute begeistert Christian Weis seinen Neffen und seine Nichte. „Er ist der lustige Onkel, der alles mitmacht und nur Flausen im Kopf hat“, sagt sein Bruder.
Nach einem abgebrochenen Geschichtsstudium in Trier – weil er merkt, dass er sein Leben nicht in Bibliotheken verbringen will – entscheidet sich Christian Weis für eine Ausbildung zum Sozialarbeiter im belgischen Löwen (Louvain), wo er ein Praktikum in einem Flüchtlingsheim absolviert. Anschließend hängt Weis einen Master in Politikwissenschaften dran. Nachdem er ein knappes Jahr im Jugendschutz beim „Service central d’assistance sociale“ beschäftigt ist, wechselt er zum Roten Kreuz, für das er bis heute im „Office social“ in Mamer arbeitet.
Aus Politik wird Liebe
Dass Christian Weis jetzt mit seiner Freundin Ilona Zeimens zusammen ist, hat er übrigens dem Schifflinger Schöffen und Parteikollegen Marc Spautz zu verdanken. Der hatte vor drei Jahren nämlich ein Nachwuchsförderprogramm für die CSV ins Leben gerufen. Dabei wird jedem Politiker ein Jugendlicher zugeteilt. „Es war sofort klar, dass Marc und ich ein Team sind. Wir haben einfach so gut zusammengepasst“, erinnert sich Weis. Bei einem Ausflug zu einer Wahlkampfveranstaltung der CDU im Kreis Eifel-Prüm sitzt Ilona Zeimens, damals bei der CDU, am Tisch neben ihm. „Ich habe gemerkt, dass er an dem Abend nicht nach Hause wollte. Das war außergewöhnlich“, erzählt Marc Spautz. Ein paar Wochen später habe Weis ihn angerufen und erzählt, dass er diese Frau von der Wahlveranstaltung nun öfter treffe.
Spautz und Weis verbindet inzwischen eine enge Freundschaft. Die beiden „Minettsdäpp“ teilen die Liebe zur Escher „Jeunesse“ und tauschen sich auch in politischen Fragen aus. „Er erzählt mir von den Sorgen der Bürger, an denen er durch seinen Beruf besonders nah dran ist – und ich gebe ihm Ratschläge als erfahrener Schöffe“, sagt Spautz. Ilona Zeimens ist unterdessen auch zur Escherin geworden, lebt mit Christian in seiner Heimatstadt und ist sogar Sekretärin des lokalen Tierheims.
Genießer
Auf eine bestimmte Sache wird der 34-Jährige in letzter Zeit ununterbrochen angesprochen: seinen unübersehbaren Gewichtsverlust. „Ich werde von manchen nicht wiedererkannt, besonders wenn ich die Maske trage“, sagt er. Er sei immer schon moppelig gewesen, auch als Kind. In seiner Jugend, als die Situation mit seinem Vater ihn belastet, beginnt er an Gewicht zuzulegen. „Auf der Uni habe ich dann auch gut gelebt“, sagt er mit einem Grinsen im Gesicht. Als er zurück nach Luxemburg kommt, ist es die Politik, die ihm das Abnehmen schwermacht. „Während der Chamberwahlen habe ich 20 Kilo zugenommen. Einfach weil man drei Bratwürste am Tag isst und jeder einem ein Bier und ein Schnittchen in die Hand drückt. Ich genieße gerne und es fällt mir schwer, etwas stehenzulassen“, sagt er. Der Lockdown, in dem die ganzen Empfänge weggefallen sind, hat ihm diesbezüglich gutgetan. Dank Sport und ausgewogener Ernährung hat er es in den letzten anderthalb Jahren geschafft, insgesamt 55 Kilo abzunehmen, und ist inzwischen sogar 80 Kilo unter seinem bisherigen Höchstgewicht.
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