Koalition / CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück
Ein Jahr lang sind die CSV und die DP an der Macht. Während einer der beiden Koalitionspartner von einem Fettnäpfchen ins Nächste tritt, gibt sich der andere zurückhaltend souverän.
Bis zum ersten Aufschrei dauerte es keinen Monat. Die meisten Minister der neuen CSV-DP-Regierung hatten Mitte Dezember ihre Büros wohl noch nicht vollständig eingerichtet, als der neue Innenminister Léon Gloden (CSV) im Dezember 2023 eine Entscheidung seiner Vorgängerin aufhob und dem von der Stadt Luxemburg geforderten Bettelverbot seinen Segen gab. Der Aufschrei aus der Opposition wie auch aus zivilgesellschaftlichen Schichten war groß. Überraschend jedoch meldeten sich auch Vertreter der Luxemburger Justiz mit einem großen Fragezeichen im Gesicht zu Wort. Denn: Eine gesetzliche Basis für das Bettelverbot gibt es bisher eigentlich nicht, ein entsprechender Artikel wurde 2008 aus dem Strafbestand gestrichen. Nur für den CSV-Minister nicht, der im Tageblatt-Interview zu Protokoll gibt: „Für mich steht die ,mendicité simple‘ im ,Code pénal‘. Ich sehe ein, dass es eine Rechtsunsicherheit gibt – jedoch steht die ,mendicité simple‘ schwarz auf weiß im ,Code pénal‘ drin.“
Menschenrechtsanwälte und Verfassungsexperten hielten wenig von der CSV-Argumentation. Nur gut, dass dieselbe Anwaltskanzlei, die bereits der Stadt Luxemburg ein Gutachten vorgelegt hatte, die gleiche Argumentation, nach der ein Bettelverbot rechtens sei, noch einmal fürs Innenministerium niederschrieb – es ergeht Gruß vom Präsidenten des Staatsrates. Und während Frieden in der Öffentlichkeit seinem Innenminister noch den Rücken stärkte, wünschte er sich nichts sehnlicher, als dass ein anderes Thema die Öffentlichkeit dominiere. Wobei es gerade Luc Frieden war, der noch einmal für Verwirrung sorgte. „Die Justizministerin Elisabeth Margue wird den ,Code pénal‘ modernisieren, um effektive Mittel gegen die aggressive Bettelei zu schaffen“, so der Premier in seiner Rede zur Lage der Nation. Eine Formulierung, die früheren Aussagen von Margue widersprach. Trotz zusätzlicher Konfusion hatten die Aussagen von Luc Frieden und Elisabeth Margue eines gemeinsam: Sie widersprachen der Darlegung von Innenminister Léon Gloden, der meinte: „Für mich steht die ,mendicité simple‘ im ,Code pénal‘.“ Die Urteile aus Luxemburgs Gerichten sehen das, ebenso wie die Luxemburger Generalstaatsanwaltschaft, entschieden anders. Law and Order? Wohl eher „my laws under my orders“.
Fettnäpfchen-Hopping
Der Wunsch Luc Friedens, ein anderes Politikfeld solle doch mehr Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit finden, hätte er seinem Regierungskollegen Georges Mischo vielleicht etwas näher erklären sollen. Den Platz im Rampenlicht hätte Luxemburgs Arbeits- und Sportminister durchaus nutzen können. Er entschied sich jedoch, Léon Gloden von einem Fettnäpfchen ins nächste nachzuhüpfen. Nach außen spricht sich der langjährige CSV-Politiker für einen starken Sozialdialog aus, um die Gewerkschaften anschließend bei jeder sich bietenden Möglichkeit zu verprellen. Konnte der CSV-Politiker im Wahlkampf noch mit Vorschlägen punkten, die selbst bei Gewerkschaftern gut ankamen (Stichwort: Indexierung des sozialen Mindestlohnes), zeigt er seit seiner Vereidigung, dass Sozialdialog vielleicht doch nicht sein Steckenpferd ist.
Ob nun Flexibilisierung des Arbeitsrechtes oder die Reform der Kollektivverträge: Arbeitsminister Mischo hat es geschafft, eine breite Front an Arbeitnehmervertretern gegen sich zu vereinen. „Es scheint also, dass der Arbeitsminister weder am sozialen Dialog noch an einer Erhöhung des Deckungsgrades von Tarifverträgen, […] noch an einer Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Entlohnung der Arbeitnehmer interessiert ist“, hieß es in einer gemeinsamen Pressemitteilung des OGBL und LCGB.
Rentendebatte aus dem Nichts
Dem steht Gesundheits- und Sozialministerin Martine Deprez in nichts nach. Zwar geht die Polit-Newcomerin deutlich ruhiger und kalkulierter an ihre Dossiers heran. Ein Hauch politischer Naivität ist Deprez jedoch nicht abzusprechen, wagte sie doch kurzerhand, das Koalitionsprogramm von CSV und DP für nichtig zu erklären, als sie eine große Debatte über eine mögliche Rentenreform ankündigte. Ob sie mit dem daran anschließenden politischen Gegenwind gerechnet hatte? Das Playbook kurzerhand aus dem Fenster zu schmeißen, ist gewagt – wenngleich der Ansatz, eine gesamtgesellschaftliche Debatte führen zu wollen, durchaus löblich ist. Nur an der Ausführung scheint es etwas zu hapern.
OGBL und LCGB gehen auch hier Hand in Hand und wehren sich gegen jegliche Privatisierungstendenzen. Die CGFP, eigentlich im Kompetenzbereich von Parteikollege Serge Wilmes angesiedelt, wurde ebenfalls zu Gesprächen eingeladen – hält sich ansonsten eher bedeckt und will möglichst wenig Aufmerksamkeit auf das System der Staatsbeamten lenken. Pech gehabt. „Wir reden eigentlich über das Ganze“, erklärte Premierminister Luc Frieden im Tageblatt-Interview.
Und was ist mit dem Logement?
Dem Leser dürfte an dieser Stelle auffallen, dass vor allem CSV-Minister in den ersten zwölf Monaten aneckten. Dabei haben unter anderem Serge Wilmes, Elisabeth Margue, Martine Hansen oder auch Finanzminister Gilles Roth gezeigt, dass es auch ohne größere öffentliche Patzer geht. Unabhängig von der politisch vorgegebenen Richtung kann man den drei Ministern ein größtenteils „souveränes“ Auftreten in den vergangenen Monaten bescheinigen.
Die DP dürfte sich das Spektakel aus der Ferne wohl mit einer Mischung aus Sorge und Belustigung angeschaut haben. Bis auf Claude Meisch, der aufgrund einer persönlichen Affäre ebenso plötzlich in den Schlagzeilen auftauchte, wie er anschließend wieder verschwand, musste sich in den vergangenen Monaten nur Kulturminister Eric Thill etwas Kritik gefallen lassen. Dem Kulturneuling wurde Passivität bei der Ausweisung des iranischen Künstlers Alborz Teymoorzadeh unterstellt. Thill wies die Vorwürfe zwar von sich – „Mein Ministerium wurde nicht um eine Einschätzung gebeten“ –, fest steht jedoch, dass das Kulturministerium bereits lange vor der Ausweisung von der prekären Lage des Künstlers wusste. Der schwarze Peter wurde wiederum jemandem zugewiesen, der zu dem Zeitpunkt bereits einiges an Erfahrung damit vorzuweisen hatte: Innenminister Léon Gloden.
Während Xavier Bettel als Außenminister mehr außer Landes unterwegs und dementsprechend weniger präsent in der Luxemburger Öffentlichkeit war, waren negative wie positive Schlagzeilen um die Regierungskollegen Lex Delles, Yuriko Backes, Max Hahn und Stéphanie Obertin nicht vorhanden. Während die Frage der Energiepreise in den kommenden Wochen noch zu einem ersten Fallstrick für Wirtschaftsminister Lex Delles werden kann, sind die Investitionen ins Luxemburger Militär unter Backes angesichts der globalen Sicherheitslage kein Diskussionsgegenstand mehr. Mit dem Maßnahmenpaket im Logement konnte Claude Meisch Anfang des Jahres zumindest auch einen politischen Nadelstich setzen. Hahn und Obertin bleiben dahingegen weiterhin eher blass.
Chefsache
Wohl auch deswegen, weil das Augenmerk bei der ersten großen Krise der Regierung Frieden, dem Caritas-Skandal, weitestgehend auf Protagonisten aus der CSV gerichtet war. Lediglich Xavier Bettel geriet auf Seiten der DP ob seiner Abwesenheit in Kooperationsfragen in die Kritik.
Geschuldet vielleicht auch der Tatsache, dass Premierminister Luc Frieden das Dossier persönlich zur „Chefsache“ erklärt hatte. Wohl nicht der einzige Punkt, in dem sich Jean-Claude Junckers langjähriger Dauphin zum finalen Entscheider aufgeschwungen hat, wenn man dem Hauptstadt-Geflüster Glauben schenken will. Die neue Regierung habe dem Land entscheidende Impulse unter seiner Ägide verliehen, meinte Frieden. Nur an der Kommunikation, da hapere es, das habe nicht zuletzt die Caritas-Affäre gezeigt.
Ein Vorwurf, den sich ein augenscheinlich einsichtiger Luc Frieden in der Caritas-Affäre jedoch nicht alleine gefallen lassen muss. Wobei es vielleicht besser gewesen wäre, wenn sich der eine oder andere Minister mit Aussagen zurückgehalten hätte. So auch Georges Mischo, der glaubte, seine arbeitsrechtlichen Kompetenzen unter Beweis zu stellen, als er meinte, er könne die Gewerbeinspektion (ITM) in dem Dossier nicht beauftragen. Auch das, um einen hiesigen Sportminister zu zitieren, wieder einmal nur „lapidar und oberflächlich“.
- Von Dynamik und Statik: Xavier Bettels Europa- und Außenpolitik braucht neue Akzente - 19. November 2024.
- CSV und DP blicken auf ereignisreiches Jahr zurück - 18. November 2024.
- „déi Lénk“ sieht von „Interessenkonflikten durchsetzte“ Institution - 13. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos