Kulturpolitik / Culture annulée: Vom Überleben luxemburgischer Kulturschaffender in Zeiten des Corona
Alle Kulturevents sind bis auf Weiteres abgesagt. Sollte sich die Situation nicht ändern, könnte die gesamte Spielzeit 2019/20 auf der Kippe stehen – und vielleicht wären dann die „Congés annulés“ das erste nicht abgesagte Kulturevent des Sommers. Das Kulturministerium hat mit einem Maßnahmenpaket äußerst schnell reagiert, viele Kulturschaffende haben bereits ihre Tätigkeiten auf ein digitales Format umgestellt. Dass der Eventkalender noch leerer als die luxemburgischen Straßen aussieht, sorgt nichtsdestotrotz für Besorgnis im Kultursektor.
„Um es etwas überspitzt auszudrücken – an meinem Alltag ändert sich eigentlich kaum etwas. Als freischaffende Schauspielerin kommt es immer wieder vor, dass man fünf Monate ohne Auftrag verweilt. Deswegen gilt es, verantwortlich mit seinen Ausgaben umzugehen. In solchen Situationen verbringe ich meine Zeit auch größtenteils zu Hause – und widme mich den kulturellen Tätigkeiten, für die Einsamkeit wesentlich ist, wie zum Beispiel dem Schreiben.“ Die Schauspielerin Anouk Wagener, die in diesem Jahr im Grand Théâtre („Ivanov“) und im Kasemattentheater („Intervention“) spielte, hat sich dazu entschieden, die Zeiten des Corona in Berlin zu verbringen. „In Luxemburg ist man es ja gewohnt, dass die Stadt menschenleer ist, aber in Berlin fühlt sich das echt nach Apokalypse an.“
Weil sie sich weigerte, in Zeiten der Ansteckungsgefahr zu proben, wurde Anouk Wagener vor kurzem umbesetzt. Ihre Entrüstung konnte man vorige Woche in einem Facebook-Post nachlesen: „Schauspieler sind keine Waren.“ Jeder, der regelmäßig ins Theater geht, weiß: Es gibt kaum eine Kunstform, in der körperliches Zusammenspiel wichtiger ist. Der deklamierende Schauspieler spuckt beim Reden, rauft sich, küsst, umarmt, tanzt. Wie Lustmaschinen verzahnen sich die Körper, verschmelzen zu einem künstlerischen Ganzen, nie und nimmer wird hier – insbesondere nicht auf den Bühnen der kleinen Theaterhäuser – die von der Regierung vorgeschriebene Sicherheitsdistanz eingehalten.
Weil Anouk Wagener während der Proben zum Stück „Schtonk“ – eine Produktion der Konzertdirektion Landgraf – ein immer größeres Unbehagen empfand, entschied sie aus Rücksicht auf die Gesundheit der Schauspieler, die Proben abzusagen. Weil die Produktionsfirma jedoch von ihren Schauspielern verlangte, genau so weiterzuproben, als wäre eine Uraufführung im April noch möglich, wurde die luxemburgische Schauspielerin einfach umbesetzt. Im Laufe der darauffolgenden Gespräche warf man ihr Egoismus, Rücksichts- und Verantwortungslosigkeit vor – Substantive, mit denen jeder rationale Mensch eher die Entscheidungen der Produktionsfirma assoziieren würde.
„Digitale Fans“
Die Unterstützung und Mitleidsbekundungen anderer freischaffender Schauspieler auf Wageners Post war, wie so oft im Netz, schnell und einheitlich. Kulturelle Veranstaltungen fördern nun mal, auf der Produktions- wie auch auf der Rezeptionsebene, die physische Nähe zu anderen: Was wäre beispielsweise ein Punkkonzert ohne das unumgängliche Moshpit? Folglich sind Absagen zurzeit die einzige Lösung. Dies lässt natürlich Fragen aufkommen – wie organisiert man ein Festival, wie erlebt man ein Punkkonzert anno 2021? Die britische Band 65daysofstatic geht von drastischen und andauernden Veränderungen für die Konzertszene aus. Wenn Bands aber mittlerweile kaum mehr Geld mit Platten erwirtschaften, wie soll die Musikszene dann ohne Konzerte auskommen? Patrick Miranda von Pleasing befürchtet herbe Konsequenzen gerade für Live-Konzerte – laut dem jungen Gitarristen werden in Zukunft weniger Menschen Konzerte besuchen und er denkt, es wird bis zu einem Jahr dauern, bis sich die Situation normalisiert hat –, er erwartet sich aber auch, dass diese Ausnahmesituation die Kreativität der Künstler ankurbeln wird, weil man andere Vermittlungswege schaffen muss.
Digitale Projekte wie Serge Tonnars „Live aus der Stuff“ oder die von Pol Belardi ins Leben gerufene „Crazy Quarantine Sessions“ sind lobenswert, aber auf Dauer kein Ersatz für echtes Live-Feeling – und funktionieren gänzlich auf staatlicher Subventionierung. Mit digitaler Kunst ließ sich noch nie sehr viel Geld erwirtschaften – die Gleichung „digitale Kunst = Staatskunst“ schwebt folglich wie ein bedrohliches Phantom im Raum. Der Vorteil? Menschen, die sonst zu faul sind, ein Konzert zu besuchen, merken auf einmal, wie viel Talent in der lokalen Szene steckt. Pascal Schumacher, dessen Tour zur neuen Platte „SOL“ abgesagt werden musste, sieht in den digitalen Auftritten eine Möglichkeit, sein Publikum zu erweitern – und findet die Ruhe, die gerade in Luxemburg eingekehrt ist, geradezu inspirierend.
Wer aber einmal pro Woche ein Konzert besucht, sieht diese gestreamten Konzerte vor allem wie ein fotografisches Negativbild – und versucht immer wieder, die Farben der Originalszene wiederherzustellen. Das sieht Sacha Hanlet, Schlagzeuger bei Mutiny und Mann für alles bei seinem Soloprojekt Them Lights, genauso: „Auf Dauer hat niemand Lust, sich Konzerte ‚aus der Stuff’ anzuschauen. Ich weiß allerdings nicht, wie lange es dauern wird, bis die erste Vorsicht, das erste Misstrauen verschwinden werden. Die Menschen werden für eine lange Zeit verunsichert sein und sich sogar dann noch Fragen stellen – gibt es noch eine Ansteckungsgefahr, wieso wurde hinten im Konzertsaal gehustet? –, selbst wenn die Gefahr aus medizinischer Sicht behoben ist.“
Ob das Verlangen nach menschlicher Nähe, einem sozialen Leben und hochwertigen Kulturevents (ein gutes Konzert verbindet ebendiese drei Aspekte) größer ist als die Angst, sich anzustecken – das wird sich in den kommenden Monaten erst zeigen. „Auf jeden Fall ist dieses Jahr ein sehr schlechtes für die Event- und Konzertbranche.“
Ein Schlaraffenland für Kulturschaffende?
Dass die anderen, größtenteils deutschen Schauspieler die Proben für „Schtonk“ nicht abbrachen, zeugt vielleicht von einer Diskrepanz zwischen dem luxemburgischen Fördersystem und den Geldern, die in unseren Nachbarländern für die Kultur zur Verfügung stehen – ohne die schnellen Maßnahmen, die das Kulturministerium in Windeseile abgesegnet hat und die das Gesetz vom 19. Dezember 2014 (1) zeitweilig abändert, würde es auch um die Kulturschaffenden hierzulande nicht so rosig aussehen. Hier erntet das Kulturministerium zurzeit viel Lob: Jérôme Konen, Leiter des regionalen Kulturzentrums „Mamer Kinneksbond“, hebt hervor, dass das Kulturministerium weiterhin eine Politik von „Verständigung und Beratung“ mit dem Kultursektor betreibt, räumt aber ein, dass sein „Kinneksbond“ bisher keinen Nutzen aus den getroffenen Maßnahmen ziehen kann.
Myriam Muller, Leiterin des Théâtre du Centaure, unterstreicht, dass das Centaure zwar ein Privattheater ist, jedoch stark vom Kulturministerium subventioniert wird, weswegen das Theater seine Künstler entschädigen kann – indem man ihnen beispielsweise trotz der Absage der Proben ihre Gage zahlen kann. „Künstlerisch ist diese Situation nicht auszuhalten. Finanziell allerdings schon. Ich will aber verdeutlichen, dass die Situation hier in Luxemburg ganz anders ist als in unseren Nachbarländern. Die privaten Theaterhäuser werden in Frankreich und in Deutschland viel weniger vom Staat unterstützt und werden fast gar nicht finanziell entschädigt.“ Was wiederum Anouk Wageners Situation widerspiegelt: „Bei ‚Schtonk‘ werden wir ja nicht mal für die Proben bezahlt – weswegen das Beharren darauf, weiterhin Proben zu veranstalten, noch viel weniger Sinn machte.“
„Das Kulturministerium und Focuna arbeiten zurzeit noch mehr als sonst. Alle Anfragen werden wie eh und je bearbeitet – als würde es das Virus nicht geben“, so Jo Kox. So weiterarbeiten, als befänden wir uns nicht in einer Ausnahmesituation, geht natürlich nicht: „Die Gelder zahlen wir erst aus, wenn das Event auch tatsächlich stattfindet. Wir kommen mittlerweile einmal pro Woche – anstatt nur einmal im Monat – zusammen, um der Spontaneität der Situation und der Vielzahl an digitalen Projekten, die mittlerweile aus dem Boden sprießen, Tribut zu zollen.“
„Eng an d’Gladder“
Mit dem Maßnahmenpaket geht es den freischaffenden Künstlern und „Intermittents“ fast besser als allen anderen Freiberuflern – ihr Mindestlohn, so Jo Kox, sei während der aktuellen Krise garantiert. Problematisch ist die Situation momentan nur für die kleinen gemeinnützigen Vereine, die keine Konventionen mit dem Ministerium haben und folglich auf ein eigenes Einkommen angewiesen sind: „De Benevolat kritt an dëser Kris eng riicht an d’Gladder.“
Das Kulturministerium müsse nun die Entscheidungen des Wirtschaftsministeriums abwarten, bevor weitere Schritte gemacht werden können. Gelder, die bereits für die Auslandsreisen der Künstler gezahlt wurden, müssen nur dann zurückgezahlt werden, wenn der Kulturschaffende das Geld nicht bereits in Flüge oder Zugfahrten investiert habe. Als öffentliche Einrichtung verfügt das Focuna über eine gewisse Flexibilität: Ein Kulturschaffender kann das Geld, das in ein abgesagtes Projekt fließen sollte, nun auch, mit der notwendigen Begründung, für ein anderes Projekt nutzen. Da die meisten Fördergelder in Stipendien und Residenzen investiert werden, ändert sich für das Focuna an sich nicht sehr viel: Die Residenzen, die zurzeit nicht angetreten werden können, werden einfach verlegt.
Ganz so erfreulich sieht die Situation dann trotzdem nicht aus: „Wir müssen erst mal abwarten, wie lange kein Event stattfinden wird. Dies wird auschlaggebend sein, um den konkreten wirtschaftlichen Schaden zu umreißen“, so der Schlagzeuger Sacha Hanlet. „In meinem Fall bedeutet dies: Alle Events wurden fristlos abgesagt, ergo habe ich keine Einnahmen und die Kulturhäuser haben keine Einnahmen. Klar werde ich als ‚Intermittent’ vom Kulturministerium unterstützt, und ohne diese zusätzlichen Maßnahmen würde es uns allen viel schlechter gehen, aber neben diesen finanziellen Unterstützungen erwirtschafte ich halt gar nichts. Dazu gesellt sich noch ein anderes Problem: Wenn man nachweist, welche Jobs aufgrund der Krise abgesagt wurden, bekommt man für diese Absagen ein Entgelt. Aber wie verbuche ich dann all die Aufträge, die ich ab jetzt bis September noch bekommen hätte – und die jetzt wegfallen? Ich weiß, dass die kommenden Monate sehr lukrativ gewesen wären (die Festivalsaison wird ja erst Ende April beginnen, Anm. der Red.). Oft kommen diese lukrativen Job-Angebote aber erst im Frühjahr.“
Und für hypothetische, nicht nachweisbare Absagen wird niemand finanziell entschädigt entgeltet – die Kultursubventionierung ist keine Börsenspekulation. Darüber hinaus ist die Kulturbranche jetzt zu 100 Prozent staatsabhängig: „Unser Leben ist in den Händen des Ministeriums“, so TOL-Intendantin Véronique Fauconnet.
Peggy Wurth, Präsidentin der Aspro („Association luxembourgeoise des professionnels du spectacle vivant“), gibt weiterhin zu bedenken, dass es in der kommenden Spielzeit zu Schwierigkeiten kommen wird, weil die Verschiebung der jetzigen Projekte sich mit den Aufträgen der nächsten Saison überschneiden werden – jeder luxemburgische Schauspieler hat Einzelverpflichtungen, die dazu führen, dass sich das Aufstellen eines gemeinsamen Kalenders in etwa so schwierig wie die Suche nach einem gemeinsamen Datum für ein Konveniat gestaltet. Véronique Fauconnet sieht die kommende Umplanung als hochproblematisch an: „Die Situation wird einer Autobahn zur Stoßzeit ähneln, das Angebot – eine Mischung aus Verschobenem und Eingeplantem – wird riesig, der Zuschauer übersättigt sein. Ein Regisseur wird auch keine zwei Stücke gleichzeitig inszenieren können – es müssen qualvolle Entscheidungen getroffen werden.“
Contactless
Die digitale Lösung erreicht nicht nur in der Dauer, sondern auch in der Form selbst schnell ihre Grenzen – es gibt so einige Kulturberufe, die nichts mit Performance zu tun haben und die folglich nicht digital ausgeübt werden können, wie Aspro-Präsidentin und Bühnenbildnerin Peggy Wurth folgerichtig zu bedenken gibt. Klar könnten Bühnenbildnerin Anouk Schiltz und Kostümdesigner Christian Klein dem Schauspieler Luc Schiltz per Post Accessoires zukommen lassen, damit dieser vor laufender Kamera einen Monolog aus Macbeth deklamiert – aber wie soll Maskenbildner Joël Seiler Luc Schiltz ohne Kontakt in den paranoiden König verwandeln? Wenn das Theater digital funktionieren könnte – dann wäre es (zumindest teilweise) längst digitalisiert geworden.
Das sieht Véronique Fauconnet auch so: „In diesem Beruf stehen der Austausch und der körperliche Kontakt mit den anderen im Zentrum. Daraus ein virtuelles Spektakel zu machen, erscheint mir widersprüchlich und absurd. Man könnte sich kleine, humoristische Szenen vorstellen – dafür müsste der Schauspieler aber dann auch selbst Autor sein und ein klein bisschen was von Regie verstehen. Theater ist eine Kollektivarbeit – und man kann sich zurzeit nicht treffen. Selbst wenn wir eine Probe oder Sequenzen eines Stückes live filmen wollten, wäre dies nicht möglich.“ Die Regisseurin und Schauspielerin fügt schelmisch hinzu: „Und ich zweifele sehr stark daran, dass eine Event-Reihe im Stil von ‚Véronique Fauconnet liest Jean-Paul Sartre‘ sehr spannend wäre.“
Myriam Muller ist da etwas nuancierter: „Wenn das Theater aus Geschichtenerzählen besteht, dann kann man durchaus über andere Übertragungsplattformen nachdenken. Aber das wäre dann nicht mehr das Theater, wie wir es seit mittlerweile 2.000 Jahren kennen. Es würde zum einsamen Akt verkommen. Klar kann aus jeder (R)evolution etwas Positives entstehen.“ Die Intendantin sinniert über diese neue Form der darstellenden Künste: „On trouvera un nouveau nom à cette chose. Mais on regrettera le théâtre.“
Da Lesungen viel leichter auf soziale Nähe und das Live-Feeling verzichten können – oft sind Lesungen „One-Man-Shows“ –, gestaltet sich die Digitalisierung solcher Events etwas leichter. Literaturvermittler Jérôme Jaminet hat, nachdem er versuchte, abgekapselte Menschen mit Literatur zu versorgen, eine Reihe von YouTube-Videos geplant, in denen vor allem junge Autoren (darunter Anouk Mahr, Maxime Weber, Antoine Pohu oder Jean Bürlesk) Kurzgeschichten lesen werden. Bezahlt werden die jungen Autoren für das „#LiteraturLiwwererOnline“-Projekt allerdings nicht – obschon eine Subventionsanfrage beim Kulturministerium sicherlich positiv beantwortet worden wäre. „Mir ging es mehr darum, den jungen Autoren eine Plattform zu bieten“, so Jaminet.
Das CNL verfolgt mit seinem „YouTube Channel fir Literatur“ ein ähnliches Ziel – vorerst wird Kinder- und Jugendliteratur vorgelesen, die Belletristik soll folgen. „Viele Kinder- und Jugendautoren verdienen Geld damit, in Schulen vorzulesen. Es geht uns darum, diese Absagen zu kompensieren und den doch so prekären Buchsektor zu unterstützen – auch wenn diese Unterstützung aufgrund der bescheidenen Geldsummen, die man bei einer Lesung verdient, natürlich nur symbolisch sein kann“, so Claude Conter, Direktor des nationalen Literaturarchivs.
Abwarten, Tee trinken, umplanen, absagen
„In Ausnahmesituationen – ganz gleich, ob es sich dabei um Wirtschaftskrisen oder Pandemien handelt – oder, um es mit Agamben auszudrücken, im Falle der Aufhebung einer rechtlichen Ordnung, sind es die Fiktionen, die es uns erlauben, das Problematische an einer solchen Ausnahmesituation zu denken. Viele Künstler heben momentan in Statements hervor, dass es zurzeit Wichtigeres als ihre Existenzgrundlage gibt. Diese Aussage beruht auf einem sozialen Druck, der verlangt, dass die kulturellen Errungenschaften in den Hintergrund treten. Ich denke, jeder sollte weiterhin seine persönlichen Erfolge ernst nehmen. Wir arbeiten weiterhin im Dienst der Literatur – und sehen unser Projekt als Unterstützung der Autoren, der Verlagshäuser und der Buchhandlungen“, so Claude Conter.
(Luxemburgische) Literatur digital vermitteln soll die Leute dazu anreizen, in Zeiten der Entschleunigung das Buch und die Literatur wiederzuentdecken – die lokalen Buchhandlungen sind zwar, im Gegensatz zu den Läden im benachbarten Belgien, geschlossen, viele davon bieten aber seit jeher einen freien Lieferdienst. Für Kulturministerin Sam Tanson ist dies ein guter Kompromiss zwischen Respekt der gesundheitlichen Abstandsempfehlungen und wirtschaftlicher Fürsorge für die Bücherläden, wie sie dem Tageblatt per E-Mail erklärte.
Die Unvorhersagbarkeit der Situation bereitet vielen Kulturschaffenden so einige Sorgen: „Wir müssen Tag für Tag umplanen“, meint Jérôme Konen. „Den genauen Verlust können wir momentan nicht voraussehen, weil wir eben nicht wissen, wie lange die Situation andauernd wird. Vorrangig ist es momentan, neue Daten für abgesagte Events zu planen, was uns glücklicherweise relativ gut gelingt, und die Solidarität zu unseren Kulturschaffenden nicht nur in Wörtern, sondern auch in Taten auszudrücken – sei es durch finanzielle Abmachungen oder durch das Entwickeln neuartiger Formate, die es ermöglichen, schnell und spontan Produktionen für die kommende Spielzeit zu entwickeln. Auf Dauer ist eine kulturelle Eiszeit nämlich weder für die Kulturschaffenden noch für die Gesellschaft tragbar.“
Wegen der Probezeiten, die im Schnitt sechs Wochen betragen, ist die ganze Spielzeit im Theatersektor gefährdet: Selbst im „Best-Case-Scenario“ wird die Ausgangssperre erst in zwei Monaten behoben. Das daraus entstehende Chaos sowie die Gegebenheit, dass man Mitte Mai dann erst wieder mit den Proben beginnen kann, führen dazu, dass erste Aufführungen bestenfalls im Juni wiederaufgenommen werden – und Mitte Juni ist die Theatersaison eigentlich schon so gut wie vorbei. Wie man danach weiterplant? Véronique Fauconnet weiß es auch nicht: „Comment le savoir? Ma boule de cristal est en confinement, elle ne veut pas me voir.“
(1) Das Maßnahmenpaket des Kulturministeriums sieht Folgendes vor: Kulturelle Strukturen, deren Gehälter nicht durch öffentliche Gelder abgedeckt sind, können „chômage partiel en cas de force majeure“ beantragen. Projekte wie die „Crazy Quarantine Session“, die auch in der Krise umgesetzt werden können, werden prioritär und schnell subventioniert. Die Sozialhilfe wird auf den Mindestlohn angehoben; zu den 121 Tagesgeldern bei Verdienstausfällen können bis zu 20 zusätzliche Tagesgelder pro Krisenmonat hinzugefügt werden; die Voraussetzung von 80 gearbeiteten Tagen innerhalb von 12 Monaten, die für die „Intermittence“ nachgewiesen werden muss, wird pro Krisenmonat um sieben Tage reduziert.
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