Bissen / Cyclo-Croc, Bed&Bike … und weitere Zukunftspläne: Ein Porträt einer aktiven Gemeinde
Auf der Tagesordnung der gestrigen Gemeinderatssitzung standen neben Routineangelegenheiten unter anderem die Vorstellung und die Verabschiedung sowohl des rektifizierten Budgets 2020 als auch der Haushaltsvorlage für das anstehende Jahr. Im Vorfeld der Sitzung trafen wir uns mit Bürgermeister David Viaggi („Är Leit“), um uns einen Einblick in die verschiedenen Projekte verschaffen zu können und um gleichzeitig einen Gesamteindruck dieser schnell wachsenden Kommune zu erhalten. Hier ein kurzes Porträt der Gemeinde Bissen.
„Wir müssen für 2021 leider mit 1,5 Millionen Euro weniger an staatlichen Zuschüssen als im Vorjahr rechnen!“ Mit diesen Worten empfing uns der Bürgermeister der rund 3.200-Seelen-Gemeinde, in der bei den letzten Gemeindewahlen 2017 zum ersten Mal nach dem Proporzsystem gewählt wurde. Was die Zahl der Bürger anbelangt, hatte Bissen damals die gesetzlich festgelegte 3.000er-Marke um lediglich 12 Einheiten überschritten. Der schnelle Wechsel ins Parteiensystem löste gleich viel Unmut und Streit sowohl vor als auch nach dem Urnengang aus. Das Resultat ist heute wohl jedem hinlänglich bekannt. Der Gemeinderat, damals bestehend aus einer CSV-Mehrheit und einer „Är Leit“-Opposition, implodierte nach nur zwei Jahren, und daran war nicht allein, aber vor allem das Google-Projekt schuld. Da der damalige Bürgermeister Jos Schummer und die Rätin Cindy Barros Dinis daraufhin enttäuscht der CSV den Rücken kehrten, verloren die Christsozialen zudem ihre Mehrheit im Gemeinderat und wurden so auf die Oppositionsbank gedrängt. Schummer warf auch als Ratsmitglied das Handtuch, Cindy Barros Dinis blieb als Unabhängige im Gemeinderat. Heute steht die „Är Leit“-Fraktion in der Verantwortung, mit an ihrer Spitze dem 37-jährigen Bürgermeister David Viaggi und den beiden Schöffen Roger Saurfeld und Cindy Barros Dinis (unabhängig). Zur „Är-Leit“-Fraktion gehören weiter Loïc Brune, Kevin Englebert und Georges Lucius. Neben den verbliebenen CSV-Räten Frank Clement, Joëlle Fagny, Christian Hoscheid und Carlo Mulbach finden wir auch noch den unabhängigen Rat Paulo Machado.
Blick in die Zukunft
Bevor wir näher auf einzelne Projekte zu sprechen kamen, gab David Viaggi uns Erläuterungen zur Haushaltsvorlage 2021. „Die Ausgaben im ordentlichen Haushalt (siehe die Eckpfeiler des Budgets im nebenstehenden Kasten) werden höher ausfallen als bis dato, und das aus folgenden Gründen: Da die Gemeinde im Eiltempo wächst, mussten und werden wir auch künftig zusätzliches Personal einstellen, dies sowohl in den administrativen und technischen Gemeindediensten als auch in der Kinderbetreuung (’Maison relais’, Tagesstätte usw.). Dazu kommen noch Mehrausgaben in puncto Unterhalt einiger Gemeindegebäude und Waldwege sowie höhere finanzielle Unterstützung für die Gemeindebürger im Bereich der erneuerbaren Energie.“ Was die Einnahmen anbelange, so würden sich diese vor allem aus dem Verkauf von Bauterrains und Landparzellen in den verschiedensten kommunalen Handels- und Industriezonen zusammensetzen.
Vereinszuschüsse und Wohnraum
Die Zuschüsse für die lokalen Vereine sollen zudem um einen Corona-Bonus erhöht werden, der 50 Prozent vom normalen Zuschuss sowie der finanziellen Unterstützung für Jugendarbeit ausmacht. Hierfür wurden 30.000 Euro in die Haushaltsvorlage eingetragen. In den letzten Monaten hat die Gemeinde im Ortskern mehrere ältere Gebäude (Haus Raths, Haus Stoffels, usw.) in der Großstraße erstanden, um dort ein Projekt für bezahlbaren Wohnraum in die Realität umsetzen zu können. Man denkt auch an eine Struktur für Jugendliche, die, aus welchen Gründen auch immer, kein Dach mehr über dem Kopf haben. Was die Umgestaltung der an der Hauptkreuzung im Dorfkern gelegenen „place de l’Immigration“ anbelangt, so soll 2021 ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben werden, nachdem die Bürger der Gemeinde ihre Ideen dazu eingereicht haben.
Kinderbetreuung
Die gemeindeeigene Kindertagesstätte platzt aus allen Nähten. In der Haushaltsvorlage schlägt ein Erweiterungsprojekt mit einer Million Euro zu Buche. Im Hof der bestehenden Tagesstätte soll ein Fertigbau entstehen, der voraussichtlich bereits im September 2021 einzugsbereit sein könnte, „falls es zeitlich mit den Genehmigungen klappt“, so David Viaggi nachdenklich. Gedanken macht man sich zudem zum Thema „Bëschcrèche“. „Der Schöffenrat hat dafür ein Areal in Augenschein genommen, doch festlegen möchte ich mich heute noch nicht“, so der Bürgermeister. Die „Maison relais“ braucht ebenfalls zusätzlichen Platz. Hierzu soll das Dachgeschoss des bestehenden Schulgebäudes ausgebaut werden. Das Gesamtprojekt wird voraussichtlich 3,5 Millionen Euro kosten, das Budget 2021 sieht bereits eine halbe Million vor. In den folgenden Jahren soll weiterer Schulraum geschaffen werden.
Straßeninfrastruktur
Ganze 5 Millionen Euro werden in die Instandsetzung und Umgestaltung der „Rouschter Strooss“ fließen. Diese viel befahrene Straße soll verkehrsberuhigt neugestaltet werden, zudem sollen zusätzliche Bushaltestellen angelegt werden sowie bereits bestehende „umziehen“. Um die Geschwindigkeit der Fahrzeuge in der Merscher Straße in den Griff zu bekommen, soll dort eine sogenannte Bremsschwelle eingebaut werden. Hierzu sind 250.000 Euro vorgesehen. Eine Situation, die in den letzten Jahren für viel Diskussionsstoff gesorgt hatte, soll endlich entschärft werden. Hierbei handelt es sich um einen Engpass in der Böwinger Straße, durch die der Hauptdurchgangsverkehr führt. Dazu muss die Gemeinde rechtsseitig in Richtung Böwingen Terrains (Vorgärten) aufkaufen, um die Straße verbreitern zu können. „Allein die Straßenbauarbeiten werden wohl eine halbe Million Euro kosten“, so David Viaggi, bevor er geplante digitale Infotafeln und den Umbau der öffentlichen Beleuchtung auf LED-Licht anschnitt.
Pläne für Sport und Tourismus
In der Haushaltsvorlage sind 100.000 Euro für Outdoor-Fitnessgeräte vorgesehen, die an verschiedenen Orten der Gemeinde aufgebaut werden sollen. „Außerdem haben wir eine Idee aus Österreich übernommen, bei der es sich um das Anlegen eines Rad-Motorikparks handelt. Für den Kauf der benötigten Struktur haben wir 75.000 Euro vorgesehen. Was den dafür erforderlichen Platz anbelangt, haben wir gleich mehrere Optionen.“ „Cyclo-Croc“ heißt ein weiteres Projekt, das, wie der Name es bereits verrät, auch mit dem Fahrrad verbunden ist. Am Radweg entlang der früheren Attert-Eisenbahnlinie liegt in Bissen ein früheres Schrankwärterhaus, das, zuzüglich eines noch zu realisierenden Anbaus, den „Cyclo-Croc“ beherbergen soll. Hier können Radler später bei ihren Rundfahrten eine Pause einlegen sowie Getränke und kleine Speisen zu sich nehmen. Außerdem sollen eine Fahrradwaschanlage sowie eine Ladestation für E-Bikes installiert werden. Dieses Projekt ist im Haushalt 2021 mit einer halben Million Euro veranschlagt.
„Das Cyclo-Croc könnte eventuell zu 50 Prozent vom Tourismusministerium bezuschusst werden“, so Viaggi. – In der gestrigen Gemeinderatssitzung stimmten die vier CSV-Räte gegen dieses Projekt, die restlichen sechs Ratsmitglieder (Kevin Englebert ließ sich entschuldigen) gaben aber ihre Zustimmung. Und damit wären wir bereits beim nächsten Projekt, oder sollten wir sagen, beim nächsten Teil eines zusammenhängenden Konzepts zur Ankurbelung des Tourismus in der Attertgemeinde (mehr Infos dazu: siehe Kasten).
Zum Schluss der Vorstellung der Haushaltsvorlage 2021 ging noch die Rede von einer dringend notwendigen Instandsetzung der Chorempore in der Pfarrkirche (die Gesamtausgaben hierfür belaufen sich auf etwa 1,2 Millionen Euro, für den ersten Teil dieser Arbeiten sind 350.000 Euro im vorliegenden Budget vorgesehen), von weiteren Schutzmaßnahmen für die lokalen Wasserquellen, von einem Sonnendach an der Tennisanlage sowie von Sitzpodesten im Schulgebäude und in der Bibliothek.
Google ruht
Während unseres anderthalbstündigen Gesprächs hatte der Bürgermeister das Wort „Google“ kein einziges Mal über seine Lippen gebracht. Wir wollten das Rathaus aber nicht hinter uns lassen, ohne mit dem Bürgermeister über dieses Projekt, das Bissen seit vielen Monaten in die Schlagzeilen brachte – und in Zukunft wohl auch noch bringt –, geredet zu haben.„Dazu gibt es im Moment fast nichts zu sagen, was, auch in der breiten Öffentlichkeit, nicht längst bekannt ist. Der Gemeinderat hat im Oktober dieses Jahres den ‚Teilbebauungsplan Google’ verabschiedet, der Ball liegt nun wieder beim Internetgiganten, der die Umweltverträglichkeitsstudie erstellen und einreichen lassen muss. Ich schätze, dass es bis Mitte 2021 ziemlich ruhig in diesem Dossier bleiben wird.“
Viaggi präzisiert: „Dabei sollte man aber die noch ausstehenden Gerichtsurteile nicht vergessen, z.B. was die vom ‚Mouvement écologique‘ eingereichte Berufung gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts in Sachen Offenlegung des ‚Memorandum of understanding‘ anbelangt.“ (Anm. der Red.: Dabei handelt es sich um die Absichtserklärung zwischen Google einerseits und der Luxemburger Regierung sowie der Gemeinde Bissen andererseits.)
Zum Schluss wollen wir mit dem Ergebnis der Abstimmung über die Haushaltsvorlage noch einmal einen kurzen Abstecher in die gestrige Gemeinderatssitzung machen. Nach längeren Diskussionen und dem Wunsch der CSV, man wolle getrennt über das „Cyclo-Croc“-Projekt abstimmen (siehe oben), stimmten Viaggi, Saurfeld, Barros, Lucius, Brune und Machado für den Haushaltsplan 2021, die vier CSV-Räte Clement, Fagny, Hoscheid und Mulbach enthielten sich ihrer Stimmen.
Eckpfeiler der Budgetvorlage 2021
Den Einnahmen im ordentlichen Bereich in Höhe von 13.028.722 Euro stehen Ausgaben von 12.367.653 Euro gegenüber, was einen Überschuss von 661.069 Euro ergibt. Was die außerordentlichen Einnahmen anbelangt, so wurden 14.286.441 Euro eingetragen, die Ausgaben sollen sich in diesem Bereich voraussichtlich auf 15.327.969 Euro belaufen. Mit dem Überschuss des Vorjahres von 792.724 Euro rechnet der Schöffenrat mit einem voraussichtlichen Plus von 412.263 Euro Ende 2021.
Im kommenden Jahr soll keine Geldanleihe aufgenommen werden, so Bürgermeister Viaggi, der Großteil der geplanten Einnahmen werde aus dem Verkauf von Baugrundstücken in den Industriezonen stammen. Dazu sei erwähnt, dass die Gemeinde Bissen Mitte dieses Jahres eine Anleihe über 12 Millionen Euro zwecks Ankauf von Landparzellen getätigt hat.
Ein bis dato einzigartiges Projekt
Die alte Mühle an der Ortseinfahrt aus Richtung Colmar-Berg ist im Besitz der Gemeinde und fristet zurzeit ein eher trostloses Dasein. Unter der Bezeichnung „Bed&Bike“ soll das Hauptgebäude zu einem etwas anderen Hotel hauptsächlich (aber nicht nur) für Radtouristen umfunktioniert werden. „Von hier aus könnten Radfahrer dann auf die verschiedenen Touren, die es in unserer Umgebung gibt, starten und später dann in der früheren Mühle übernachten. Das Gebäude bietet zudem genügend Platz für sichere Fahrradunterkünfte, die noch bestehenden Zeitzeugen im Innern der Mühle sollen in das Gesamtkonzept einfließen und für die Kunst soll ebenfalls Raum geschaffen werden.
Die Planung geschieht in Zusammenarbeit mit dem ORT („Office régional du tourisme“) und für die anfallenden Kosten erster Studien wurden für kommendes Jahr 50.000 Euro in der Haushaltsvorlage eingetragen.
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