Zurück ins Leben / Das CIGR Mëllerdall hilft arbeitslosen Menschen seit zehn Jahren
Zehn Jahre nach der Gründung liest sich die eigene Statistik als Erfolg. 2012 ging es bei der Beschäftigungsinitiative „Centre d’initiative et de gestion régional“ (CIGR) mit zehn Mitarbeitern los. 2022 sind es rund 70. Die meisten der Beschäftigten haben auf dem ersten Arbeitsmarkt keine Chance. Mit einer Maßnahme beim CIGR soll sich das ändern.
Roger Wirtz (55) ist einer dieser Menschen. Normalerweise macht er Gartenarbeiten bei Kunden, heute ist er in den „Generatiounsgaart“ in Befort gekommen. Das Gelände mit den vielen Beeten gehört der Gemeinde. Für Schulklassen, „Maison relais“-Gruppen, Besucher und Senioren ist es ein erlebnispädagogischer Ausflug ins Grüne. Befort ist eine der zehn Mitgliedsgemeinden im CIGR und nimmt dessen Dienste genauso in Anspruch wie Privatleute, wenn es um die Pflege des Gartens geht.
Wie die meisten seiner Kollegen kommt Wirtz während seiner Arbeitslosigkeit zum CIGR. Normalerweise orientiert die ADEM geeignete Kandidaten dorthin. Wirtz ergreift selbst die Initiative. Er ist unzufrieden damit, zu Hause zu sitzen. „Ich gehe gerne arbeiten“, sagt er. „Da habe ich bei meinem Betreuer auf dem Arbeitsamt gefragt, ob ich nicht hierhin kann.“ Er wohnt in Befort, die Arbeit gefällt ihm, denn er hat Gartenarbeit als seine Passion entdeckt.
2015 fängt er an. Er passt ins Profil derer, die beim CIGR unterkommen. Er bezieht als „bénéficiaire“ Arbeitslosengeld, ist arbeitssuchend gemeldet und hat in einer anderen Beschäftigungsinitiative zuvor Erfahrungen in Gartenarbeit gesammelt. Wirtz hat außerdem nie einen richtigen Schulabschluss gemacht. Nach der sechsten Klasse verlässt er die Schule und hilft im Schrotthandel seines Vaters. Unangemeldet.
Arbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt integrieren
Später macht er Gelegenheitsjobs und arbeitet 15 Jahre lang in einer Fabrik als Gabelstaplerfahrer, bevor er mit 48 Jahren arbeitslos wird. Sein Profil ist beispielhaft für die beim CIGR Beschäftigten. Ein arbeitsloser Diplom-Ingenieur oder jemand mit einem Hochschulabschluss hat dort keine Chance. Das bestätigt Hugues Herbillot (39), der „Coordinateur général“ des CIGR Mëllerdall: „Viele, die hier arbeiten, haben eine Ausbildung angefangen und nie vollendet, andere sind mit dem Schulsystem nicht zurechtgekommen.“
Sie schlagen sich meist mit Gelegenheitsjobs durch, bis auch das nicht mehr klappt und sie zur ADEM müssen. Wirtz hat Glück. Bei ihm klappt es und er bekommt den üblichen befristeten Arbeitsvertrag beim CIGR. Es klappt sogar so gut, dass er nach zwei Jahren als „chef d’équipe“ fest angestellt wird. Seit 2017 geht er mit zwei Mitarbeitern, die er anleitet, zu Menschen ab 60 Jahren und hilft in deren Garten.
16.375 Stunden hat der „Service de proximité“ als eines der Angebote des CIGR Mëllerdall nach eigenen Angaben allein im Jahr 2021 erbracht. Neben den staatlichen Zuwendungen ist dieser Geschäftsbereich laut Bilanz die „Cashcow“ der Beschäftigungsinitiative. Insgesamt 80.000 Arbeitsstunden sind laut der CIGR-eigenen Statistik seit der Gründung vor zehn Jahren zusammengekommen. Andere wesentliche Einnahmen kommen vom „Rent a Bike“-Service.
„Service de proximité“ boomt
Roger Wirtz hat rund 25 Kollegen im „Service de proximité“. Der Dienst ist außerordentlich gefragt. Die Kundenkartei listet aktuell 800 Kunden in den Mitgliedsgemeinden. Eine Arbeitsstunde der CIGR-Mitarbeiter wird mit 14 Euro in Rechnung gestellt. Der soziale Preis erklärt aber nur teilweise die hohe Nachfrage. Der Dienst hat in den Augen des CIGR auch eine soziale Funktion.
„Manche Senioren sehen außer unseren Mitarbeitern niemanden sonst während der Woche“, sagt CIGR-Koordinator Herbillot. Der Erfolg ist so durchschlagend, dass die Arbeit des Dienstes auf einen Tag pro Woche pro Kunde beschränkt werden musste. „Wir könnten weit mehr Kunden annehmen, aber uns fehlt das Personal dafür“, sagt Camille Hoffmann (CSV), Bürgermeister der Gemeinde Befort und Vizepräsident des CIGR-Verwaltungsrates. „Die Arbeitslosenquote ist zurzeit so niedrig wie die letzten Jahre nicht.“
Aussagen ehemaliger „bénéficiaires“ wie Wirtz, der „ich bin super zufrieden hier“ sagt und nicht den Eindruck erweckt, als sei ihm das in den Mund gelegt worden, widersprechen unlängst laut gewordener Kritik. Die kam von reporter.lu. Auf Details wollen die CIGR-Verantwortlichen in der Sache derzeit nicht eingehen. Nach grundsätzlicher Analyse wird es in Kürze eine Stellungnahme des Verwaltungsrates dazu geben. Vorher kein Kommentar.
Unabhängig davon gibt es noch andere Stimmen. Cindy Ries hat tagtäglich mit den Arbeitslosen zu tun. Die 42-Jährige ist als „instructeur technique“ seit Januar 2022 im CIGR angestellt und bildet aus. Die gelernte Gärtnerin hat vorher bei der Fondation Solina gearbeitet, die Kinder, Jugendliche und Erwachsene in schwierigen Situationen fördert. Hier lernt sie vor allem neue Mitarbeiter an den Gartengeräten an. Im Jahr 2021 – da war sie zwar noch da – verzeichnet das CIGR 2.809 Ausbildungsstunden. Ries ist die erste Anlaufstelle für alle Neuankömmlinge beim „Service de proximité“.
„Es geht hier um die Menschen, die alle eine unterschiedliche Geschichte haben“, sagt Ries. Sie sieht es als ihre Aufgabe an, aus ihnen ein Team zu bilden. „Vielleicht ist es nicht das Wichtigste, die einzelnen Pflanzen hier kennenzulernen“, sagt sie. Viel wichtiger seien feste Tagesabläufe, neu aufkeimende Motivation und eine neue Perspektive. „Sie kommen, sind auf der Arbeit, bravo!“, sagt sie. Ihr ist es wichtig, dass „ihre“ Schützlinge in der Zeit beim CIGR wieder zu sich finden und sich wohlfühlen. Worte wie diese geben zu denken.
CIGR Mëllerdall
Im CIGR Mëllerdall sind aktuell rund 70 Menschen beschäftigt. 47 von ihnen sind Arbeitslose, die in befristeten Verträgen arbeiten. Ihre Gehälter werden in unterschiedlichen Varianten von Arbeitsministerium übernommen. Der Rest ist beim CIGR selbst angestellt. Für sie gilt der Kollektivvertrag des Pflege- und Sozialsektors. Knapp 200.000 Euro nimmt das CIGR durch den „Service de proximité“ ein, noch einmal 76.000 Euro kommen über den „Rent a Bike“-Service. Die staatlichen Zuwendungen betragen knapp zwei Millionen Euro jährlich, die Zuwendungen der Mitgliedsgemeinden knapp 600.000 Euro. Darüber hinaus verfügt das CIGR über Bankguthaben in Höhe von etwas mehr als zwei Millionen Euro. Die Zahlen stammen aus der Bilanz von 2021, die im „Registre de commerce et des sociétés“ (RCS) zugänglich ist. Befort, Berdorf, Consdorf, Echternach, Heffingen, Fels, Nommern, Reisdorf, Rosport-Mompach und Waldbillig sind Mitglieder im CIGR.
Neues Gebäude
„Wir haben ein Projekt, das stimmt“, sagt Verwaltungsratsvize Hoffmann. „Aber wir sind gerade erst dabei, dafür überhaupt Gelände anzukaufen.“ Zurzeit residiert das CIGR an drei Standorten, die auf Berdorf und Grundhof verteilt sind. „Das macht uns große Probleme dabei, die Arbeiten zu koordinieren und zu synchronisieren“, sagt Herbillot, „Coordinateur général“ des CIGR. „Wir haben sehr unterschiedliche Bereiche wie Gartenarbeit, mechanische Arbeiten und die Schreinerei.“ Er denkt darüber hinaus an eine Möglichkeit der Verpflegung für die Mitarbeiter im neuen Gebäude. „Das Projekt ist noch nicht im Gemeinderat verabschiedet“, ergänzt Hoffmann in seiner Funktion als Beforter Bürgermeister. „Wir denken daran, das Gelände in einem ‚bail emphytéotique’ über 30 Jahre an das CIGR zu verpachten.“ Die symbolische Grundsteinlegung am Tag des Festes zum zehnjährigen Bestehen im „Generatiounsgaart“ interpretieren beide unisono als Ankündigung für das zukünftige Vorhaben.
- Näherinnen hauchen Werbeplanen von Amnesty International Luxembourg neues Leben ein - 10. November 2024.
- Verlust oder Chance? Wenn jeder Tag ein Sonntag ist, helfen Pensionscoaches - 2. November 2024.
- „Habe eine Welt kennengelernt, die ich so nicht kannte“ – Porträt einer Betroffenen - 29. Oktober 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos