/ Das CNA sucht nach Erinnerungen an die Düdelinger Schmelz
In einem Kunstprojekt will Künstler Misch Feinen zusammen mit dem “Centre national de l’audiovisuel” jene Zeiten aufleben lassen, in denen die Hochöfen noch glühten und die Schmelz das Stadtbild bestimmte. Dafür suchen sie nach Menschen, die dort gearbeitet haben und ihre Erinnerungen mit der Öffentlichkeit teilen wollen.
“Viele wissen heute nicht mehr, wie es damals war. Deswegen sind die Berichte der Schmelzarbeiter so wichtig”, sagt Misch Feinen im Gespräch mit dem Tageblatt. Bei dem Projekt gehe es um eine Epoche, Gesellschaftsschichten und Berufe, die nach und nach verschwinden. “Hier ist die Rede von Orten und Plätzen, die es nicht mehr gibt”, so der freischaffende Künstler weiter. Das “Centre national de l’audiovisuel” befindet sich mit dem Wasserturm inmitten des industriellen Kulturerbes der “Forge du Sud”. Viele der Besucher wüssten nicht, was früher auf dem Standort alles passiert ist, und vor Ort gebe es auch nicht viele Informationen dazu. Das soll sich mit dem Projekt “D’Stëmme vun der Schmelz” ändern. Ziel von Misch Feinen und Daniela del Fabbro, Verantwortliche des Pomhouse und des Wasserturmes beim CNA, ist es, die Geschichten jener zu sammeln, die auf der Schmelz gearbeitet haben, und sie in einer möglichst breiten Bestandsaufnahme zu sammeln. Mit diesen Erinnerungen soll die Schmelz wieder imaginär aufgebaut werden. Feinen interessiert sich schon lange für Industriegeschichte und hat selbst eine persönliche Beziehung zu Düdelingen, da seine Vorfahren dort gearbeitet haben. Die Idee zu solch einem Projekt trägt er schon länger mit sich herum. Er wusste nur nicht, wie er es angehen sollte.
Anfang Oktober fand eine Informationsveranstaltung im Pomhouse statt, in der das Konzept erklärt wurde. An dem Abend hatten sich 15 ehemalige Arbeiter angemeldet. Heute stehen um die 25 Namen auf der Liste. Vor zwei Wochen wurde mit den Interviews begonnen, die jeweils mehrere Stunden gedauert haben. Pro Person wird es mehrere Treffen geben. Bis Januar, Februar soll so viel wie möglich zusammengetragen werden, damit ein umfassendes Bild möglich ist. “Wir wollen mit Quantität arbeiten”, erklärt Misch Feinen. Interessant sei auch, dass die Zeitzeugen oft noch Dokumente und Fotos zu Hause haben.
Daniela del Fabbro ist seit 2011 für das Pomhouse und den Wasserturm zuständig. Sie hatte ebenfalls schon länger den Gedanken im Hinterkopf, etwas mit den ehemaligen Hüttenarbeitern auf die Beine zu stellen, um die Geschichte des Standortes aufzuarbeiten. “Wenn es sie nicht gegeben hätte, dann wären wir auch nicht hier”, sagt del Fabbro. Es sei wichtig, ihre Bedeutung und die der Räumlichkeiten zu unterstreichen.
Besser spät als nie
Das Konzept wird später auf verschiedenen Wegen und in diversen Formen ausgearbeitet. Doch zuerst soll ein Maximum an Material gesammelt werden. Dazu arbeiten sie audiovisuell, mit Kameramann und Fotografen. Dabei ist das Projekt kein rein historisches, sondern es wird auch künstlerische Elemente enthalten. Gerade jetzt sei es wichtig, die Zeitzeugen zu befragen, bevor es zu spät ist. “Wir reden hier von Menschen, deren Kinder heute in Rente sind.” Doch die beiden wollen auch die zweite und dritte Generation befragen, um ein möglichst breites Bild zu bekommen. „Wir sind froh darüber, dass die Ältesten noch fit genug sind und bereit, uns zu empfangen”, sagt Misch Feinen. Beim ersten Treffen sei die Frage nach dem “Warum so spät?” öfters aufgekommen. Danach sei dann der allgemeine Tenor “Besser jetzt als nie” gewesen.
Dabei ist Feinen und Del Fabbro bewusst, dass sie das Rad nicht neu erfinden. Ähnliche Projekte hat es früher bereits gegeben. Doch jetzt sei der Moment gekommen, um die Geschichten langfristig und systematisch zusammenzuführen. Das CNA möchte die Sammlung vereinheitlichen. “Es soll festgelegt werden, wie die oral history erhalten, gespeichert und aufgearbeitet werden soll”, so Feinen. Das CNA habe schon vieles in seinen Archiven, doch es gebe noch einige Löcher zu stopfen.
Bei dem Projekt wollen die beiden nicht nur in die Vergangenheit schauen, sondern den ganzen Bogen spannen, denn mit dem neuen Öko-Viertel Neischmelz wird sich das Stadtbild nochmals verändern. “Wir setzen ein postindustrielles Projekt um und müssen irgendwie die Brücke schlagen. Das ist nicht so einfach.” Eine Frage an die Zeitzeugen wird auch sein, wie sie die Zeitspanne empfunden haben, als so lange nichts auf dem Standort passiert ist. “Bei ‚oral history‘ haben wir natürlich keine Garantie, dass alles stimmt. Es bleibt eine erzählte Geschichte”, stellt Del Fabbro klar. Doch es gehe auch um diese kleinen Geschichten und Anekdoten. Es sei dann ihre Aufgabe, es so zu präsentieren, dass der Unterschied zwischen Fakten und Erzähltem vollzogen werden könne.
Obschon sich bereits einige ehemalige Schmelzarbeiter gemeldet haben, wird nach weiteren Zeitzeugen gesucht. Italienische Mitbürger fehlen ebenso auf der Liste wie noch weitere Arbeiter. Wer auch seine Geschichte zur Schmelz erzählen möchte, kann sich unter pomhouse@cna.etat.lu oder unter Tel. +352 52 24 24 545 anmelden.
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