Sanel Ibrahimovic / Das Comeback eines Vollblut-Torjägers
Sanel Ibrahimovic ist weder schnell noch technisch elegant oder besonders robust. Der Bosnier, der mittlerweile die luxemburgische Staatsangehörigkeit besitzt, hat dafür aber ein Gen, um das ihn viele Fußballer beneiden. Der 32-Jährige steht sehr oft richtig und trifft überdurchschnittlich oft das Tor. Das freut Aufsteiger FC Wiltz 71, der auch dank der drei Tore von Ibrahimovic nach zwei Spieltagen die BGL Ligue anführt. Im Tageblatt-Interview spricht Ibrahimovic über seine alte und neue Liebe, über mentale Stärke und Respekt.
Tageblatt: Herr Ibrahimovic, Wiltz ist die Mannschaft der Stunde. Warum sind Sie derzeit so stark?
Sanel Ibrahimovic: Uns war klar: Wenn wir etwas erreichen wollen, dann müssen wir die ersten Spiele gegen die Etzella und RM Hamm Benfica gewinnen. Wir haben unseren eigenen Stil und werden uns nicht davon abbringen lassen. Wir attackieren und versuchen, attraktiven Fußball mit unseren Mitteln zu spielen. In den beiden ersten Partien haben wir uns selbst belohnt. Jetzt müssen wir auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Das wird uns meiner Meinung nach gelingen, da wir genügend Spieler mit Erfahrung haben. Wir dürfen uns vor allem keinen Druck machen. Auf der anderen Seite sind wir sehr gut besetzt und können jedem Gegner wehtun.
Nach dem Derbysieg gegen die Etzella folgte gegen RM Hamm Benfica ein verrückter 5:3-Erfolg. Mit welchem Gefühl haben Sie den Platz verlassen?
Es war eine lange Pause für jeden Fußballer. Aber das, was ich am Sonntag sah, habe ich noch nie erlebt. RM Hamm Benfica hat ein paar richtig gute Kicker in seinen Reihen, allerdings war die Mannschaft nach 45 Minuten bereits körperlich am Ende. Sie hatten mit Krämpfen zu kämpfen und lagen teilweise sehr oft am Boden, um sich zu erholen. Wir wollten das Spiel unbedingt für unseren Trainer Dan Huet gewinnen. Seine Mutter verstarb am vergangenen Donnerstag und trotzdem war er am Freitag bei der Mannschaft. Sie war beim Derbysieg gegen Ettelbrück noch im Stadion und wir wollten ihr mit einem Sieg ein schönes Abschiedsgeschenk geben. Das ist uns, glaube ich, gelungen.
In der Sommerpause wurden mit Torwart Ralph Schon, Innenverteidiger David Vandenbroeck und Luigi Vaccaro drei erfahrene Spieler verpflichtet. Was ist mit dieser Mannschaft möglich?
Das einzige Muss ist der Klassenerhalt. Ich habe großen Respekt vor unseren Vereinsverantwortlichen. Sie haben es geschafft, mit einem sehr kleinen Budget eine Toptruppe zusammenzubasteln. Bereits in der vergangenen Saison hat sich gezeigt, dass wir Qualität haben. Wir sind ins Halbfinale des Pokals gekommen und sind punktgleich zusammen mit Hesperingen aufgestiegen. Die besten vier Vereine der Ehrenpromotion hatten vergangenes Jahr bereits BGL-Ligue-Format.
Eigentlich war es nur eine Frage der Zeit, bis Sie nach Wiltz zurückkehren. Warum haben Sie sich vergangenen Sommer dazu entschieden?
Ich hatte ein Treffen mit Präsident Michael Schenk und hat er mir von seinen Plänen erzählt, in die BGL Ligue aufzusteigen. Damals hatte ich noch in Düdelingen Vertrag und die ganzen Geschichten von Flavio Becca mit Hesperingen und Virton begannen. Der F91 wollte mich nicht gehen lassen, aber schlussendlich wurde eine Einigung getroffen. Ich habe einfach gespürt, dass Wiltz mich braucht, um wieder in die BGL Ligue zurückzukehren. Zusammen mit Edis Osmanovic habe ich dann entschieden, dorthin zurückzukehren, wo für uns in Luxemburg alles angefangen hatte.
Davor waren Sie vier Jahre in Düdelingen und nicht wie gewohnt der Torjäger Nummer eins. Welche Erfahrungen haben Sie rückblickend beim F91 gemacht?
In Düdelingen hatten wir einen riesigen Kader. Ich übertreibe jedoch nicht, wenn ich behaupte, dass all diese Spieler wie eine Familie waren. Jeder hat für jeden gekämpft. Einer meiner besten Freunde war Dave Turpel. Wir haben zusammen die Momente genossen und uns nie als Konkurrenten gesehen. Beim F91 war ich der einzige Stürmer neben Dave, der vier Jahre nacheinander Teil der Mannschaft war. Das zeugt von Qualität und Charakter. Ich war einer der entscheidendsten Spieler in all den Jahren. Wenn der Trainer mich für eine Minute auf den Platz geschickt hat, dann habe ich eine Minute Gas gegeben. Obwohl ich auch mal auf der Bank saß, hatte ich ein exzellentes Verhältnis mit Trainer Dino Toppmöller. Durch meine Zeit in Düdelingen kann mich nichts mehr überraschen. Man wird mental extrem stark, wenn man an einem Tag drei Tore schießt und am nächsten Wochenende auf der Bank sitzt.
Was bedeutet der Wiltzer Verein für Sie?
Ich habe überrall alles gegeben und deshalb haben mich die Leute auch gemocht. Wiltz ist aber etwas anderes. Meine Familie wohnt hier, ich habe in diesem Verein angefangen, in Luxemburg Fußball zu spielen und die Menschen hier leben einfach für den FC Wiltz 71. Hier sitzen die Vereinsverantwortlichen nicht im Smoking und mit Zigarette auf der Tribüne, sondern zapfen im T-Shirt Bier. Es gibt keinen großen Geldgeber in Wiltz und deshalb hängen die Leute sich rein, um Erfolg zu haben. Das hat großen Respekt verdient und für solche Menschen gebe ich gerne alles. Eine Teilnahme am Europapokal oder der Gewinn des Pokals wäre ein tolles Geschenk für sie.
Sie haben nach zwei Spieltagen bereits drei Tore auf dem Konto stehen und haben vergangenes Jahr in der Ehrenpromotion in lediglich 15 Spielen 20-mal getroffen. Wird Ihr berühmter Torriecher mit zunehmendem Alter noch besser?
Ich hatte schon sehr viele schwierige Spiele mit viel Druck, aber die Ruhe konnte ich immer bewahren. Trotzdem ist die Erfahrung schon was wert. Heute spiele ich anders als mit Anfang 20. Ich lerne noch immer täglich hinzu. Es ist wichtig, immer alles aus sich herauszuholen. Wenn man dies tut, wird man irgendwann belohnt. Sollte ich irgendwann dazu nicht mehr in der Lage sein, höre ich mit Fußball auf.
Sie waren viermal Meister, haben genauso oft den Pokal gewonnen und wurden dreimal Torschützenkönig. Welche Ziele haben Sie noch als Fußballer?
Wie lange ich noch spielen werde, weiß ich nicht. Ich bin körperlich fit. In meinen bisherigen Vereinen gehörte ich immer zu den Top drei, was die Fitnesswerte anging. Aber meine Familie hat auch viel zu sagen. Ich bin seit elf Jahren verheiratet und genauso lange spiele ich Fußball in Luxemburg. Meine Frau und ich bekommen das mit der Organisation gut hin. Aber: Wenn ich mit Wiltz Meister werde, dann kann ich sofort mit dem Fußballspielen aufhören.
Hier sitzen die Vereinsverantwortlichen nicht im Smoking und mit Zigarette auf der Tribüne, sondern zapfen im T-Shirt Bier.
Steckbrief
Name: Sanel Ibrahimovic
Alter: 32 Jahre
Position: Mittelstürmer
Staatsangehörigkeit: Luxemburger und Bosnier
Bisherige Vereine: Futsal-Spieler in Bosnien-Herzegowina und Kroatien, Wiltz, RM Hamm Benfica, Jeunesse, F91, Wiltz (seit 1.7.2019)
Erfolge: Viermal Meister, viermal Pokalsieger, dreimal Torschützenkönig, 134 Tore in 219 BGL-Ligue-Spielen (Nummer 13 der ewigen Bestenliste)
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