Corona-Krise / Das Contact-Tracing-Team im Fokus: Personalchefin Sandra Sidon
Im Kampf gegen das Coronavirus zählt Luxemburg besonders auf sein Contact-Tracing-Team. Dafür, dass dieses personalmäßig gut aufgestellt ist, sorgt Sandra Sidon von der „Direction de la Santé“.
An Arbeit mangelt es Sandra Sidon derzeit nicht. Die 45-Jährige ist seit November 2017 die Dienstchefin des Personalbereichs der „Direction de la Santé“ und war dabei, diesen komplett umzukrempeln, als die Corona-Krise begann. Nun ist sie gleichzeitig mitverantwortlich für die über 200 Mitarbeiter der Contact-Tracing-Einheit. Sidon kümmert sich dabei vorwiegend um Personalfragen und die Ausbildung von neuen Mitarbeitern. „Es ist momentan für alle wirklich hart und wir arbeiten viel. Wochenenden gibt es derzeit nicht wirklich“, verrät Sidon dem Tageblatt. Das mache ihr aber nichts aus – im Gegenteil: „Ich brauche das.“
Als das Coronavirus im Februar seinen Weg auch nach Luxemburg findet, wirkt das Land trotz aller Vorbereitungen schnell überfordert. Das Contact Tracing muss schon nach wenigen Wochen gestoppt werden, weil es zu viele Neuinfektionen und zu wenige Contact Tracer gibt. Sidon bekommt den chaotischen Beginn von einer der derzeit wichtigsten Behörden im Kampf gegen das Coronavirus hautnah mit. Als die erste Welle abflaute und Luxemburg nach dem Lockdown wieder weniger Neuinfektionen verzeichnete, wurde das Contact Tracing wieder eingeführt. Am Anfang sei hauptsächlich Personal aus dem Gesundheitsbereich rekrutiert worden – unter anderem, weil es schneller eingearbeitet werden konnte. „Leute außerhalb des Sektors mussten wir erst mal über das Virus und den aktuellen Wissensstand informieren, ehe wir sie dann einarbeiten konnten“, berichtet Sidon. Das habe teilweise viel Zeit in Anspruch genommen. Sie gibt zu, dass das Tracen und die Ausbildung des Teams „nicht besonders strukturiert“ verliefen. Eine solche Situation habe man noch nicht erlebt und vieles musste man frisch aus dem Boden stampfen.
Rekrutieren im Akkord
Auf die nächste Welle wollte man besser gerüstet sein. Gesundheitsministerin Paulette Lenert versprach über Wochen immer wieder, dass das Contact-Tracing-Team verstärkt werden würde. Die Zahl der Virus-Detektive wuchs auch, wenngleich weniger schnell, als es manchmal nötig gewesen ist. Immer wieder gibt es Meldungen, dass es beim Tracing wegen zu hoher Arbeitsbelastung zu Verspätungen kommt. Das System musste besser angepasst werden. „Die Sommermonate haben wir genutzt, um ein funktionierendes System auszubauen, mit dem wir die neuen Leute schnell anlernen können“, sagt Sidon.
Es ist momentan für alle wirklich hart und wir arbeiten viel. Wochenenden gibt es derzeit nicht wirklich. Das macht mir aber nichts aus – ich brauche das!Personalchefin bei der „Direction de la Santé“
Heute schafft sie es, über 70 Personen pro Woche für das Contact Tracing auszubilden. Besonders die neuen Kräfte der Luxair würden die Personalsituation beim Tracing entlasten. Da sie 40 Stunden pro Woche arbeiten, kann Sidon bei der Arbeitsplanung fest auf sie zählen. Andere Hilfskräfte sind zum Teil lediglich über einen bestimmten Zeitrahmen verfügbar oder können nur bleiben, bis sie wieder auf ihrer eigentlichen Arbeitsstelle gebraucht werden. Das medizinische Personal wurde außerdem an anderen Stellen gebraucht. Dadurch sei es zu einigen Fluktuationen beim Personal gekommen. Trotzdem behält Sidon den Überblick. Bei der Führung durch das Tracing-Zentrum am vergangenen Freitag spricht sie jeden einzelnen Mitarbeiter mit Namen an, liefert genaue Details zu den Abläufen und Aufgaben der einzelnen Abteilungen. Trotz mehr als 250 Mitarbeitern scheint das Contact Tracing derzeit wieder überfordert.
Personen, die sich in Quarantäne befanden, berichten teilweise, dass sie bis zum Ende dieser nicht von jemanden vom Tracing kontaktiert wurden. Sidon gibt bei der Besichtigung zu, dass der Dienst aktuell mehrere Tage Verspätung habe. „Wir sind dabei, diesen aufzuarbeiten.“ Man sei guter Hoffnung, dass dies bald der Fall sein würde. Doch es gäbe auch Leute, die die Anrufe der Tracing-Einheit nicht annehmen beantworten würden. Nach zwei Versuchen vom Tracing Team wäre der Ball dann bei der Person selbst: „Dann müssen sie sich eben bei uns melden“, sagt Sidon.
Bitte nicht ins Büro
Doch woher kommt die Person, die nun die Personalgeschicke des Contact Tracing leitet? Sandra Sidon wird im Juni 1975 geboren und wächst in Merl und Bereldingen auf. Schon als Kind sei sie immer gerne unter Menschen gewesen, sagt Sidon. Ihre Laufbahn im Lycée Michel Lucius schließt die Tochter eines Polizisten mit einer „13e Commerce et gestion“ ab. Darauf folgt ein BTS im Marketing-Bereich an der „Ecole de commerce et de gestion“. Eines ist für die Schülerin jedoch klar: „Ich möchte etwas machen, bei dem ich mit Leuten zu tun habe. Ein reiner Bürojob ist einfach nichts für mich.“
Sidon ist nach dem Schulabschluss kurz für die Internationale Sprachschule Prolingua als Luxemburgisch-Lehrerin tätig, ehe sie bei der Hotelkette Accor die Arbeit als administrative Verantwortliche übernimmt. Dort bleibt sie ein Jahr, ehe sie im Hotel Inn Side Residence „Attachée commerciale“ wird. 1999 heuert Sidon beim Club Monnet als Assistenz-Direktorin an – dort ist sie unter anderem dafür zuständig, neue Mitglieder anzuwerben und das Personal weiterzubilden.
Im Januar 2003 wird Sidon beim Restaurant Opium als administrative Direktorin angestellt. Nur wenige Monate später wechselt sie zu VOXmobile – heute Orange Luxemburg. Sie wird Personalchefin des Betriebs. „Mir wurde damals gesagt, ich habe das im Blut“, sagt Sidon lachend. Sechs Jahre bleibt sie dem Unternehmen treu und nutzt die Gelegenheit, um sich selbst weiterzubilden. Sie macht einen Master im Bereich „Gestion des ressources humaines et organisation“ und bildet sich an der „Coach Académie“ in Paris weiter.
Als Jean-Claude Bintz 2008 seine Anteile an VOXmobile verkauft und 2009 seine eigene Firma Lakehouse SA gründet, bittet er Sidon, den Posten der Personalchefin zu übernehmen. Dort bleibt sie aber nur ein Jahr, ehe Tango sie als Direktorin für den Personalbereich und die Verwaltung einstellt. Neben der Arbeit macht Sidon eine Mediationsausbildung und wird „Mediateur agréé“ beim Justizministerium. „Nach Tango war es an der Zeit für etwas Neues. Gleichzeitig wollte ich zurück zu meinen Wurzeln. Also habe ich mich in der Gastronomiebranche umgesehen“, erzählt Sidon. Ihr Glück findet sie bei der Bäckerei Oberweis, wo sie Personalchefin wird. „Dann klopfte aber das Gesundheitsministerium an.“
Keine stereotype Staatsbeamte
Eigentlich habe sie nie zum Staat gewollt. Da ihr Vater erst bei der Luxemburger Armee, dann bei der Polizei tätig gewesen sei, habe sie die administrativen, verschlungenen Wege der Staatsapparate gekannt. „Das passt so gar nicht zu mir.“ Da sie sich aber für eine Position im Verwaltungsrat des Luxemburger Nationallabors beworben hatte, hatte das Gesundheitsministerium sie auf dem Schirm. Als eine Personalchefin für die Gesundheitsdirektion gesucht wurde und sich bei der ersten Ausschreibung niemand mit der ausreichenden Erfahrung gemeldet habe, sei man direkt an Sidon herangetreten. „Da habe ich erst mal laut gelacht“, erzählt sie.
Dann habe man ihr das Projekt vorgestellt – und ihr freie Hand beim Umbau der Personalabteilung versprochen. „Ziel war es, dem Personalbereich der ‚Santé’ einen richtigen Stellenwert zu geben.“ Eine stereotype Staatsbeamte stecke nicht in ihr drin, sagt Sidon. „Was man aus seiner eigenen Arbeitsstelle macht, liegt in der Eigenverantwortung. Ich kann mich dazu entscheiden, den Stift um vier Uhr fallen zu lassen und die übrigbleibende Arbeit bis zum nächsten Tag liegen zu lassen. Aber das bin ich nicht.“ Als Ausgleich zu Arbeit macht Sandra Sidon mehrmals die Woche Sport mit einem Personal Trainer. „Damit ich meinen inneren Schweinehund auch ganz sicher überwinde“, lacht sie. Außerdem ist sie eine begeisterte Leserin und zählt Kochen zu ihren Hobbys.
Die Karriere von Sandra Sidon war bisher von vielen Wechseln geprägt. Was die Zukunft für sie bereithält, weiß Sidon noch nicht. Erstmal gelte es die Krise zu bewältigen. Doch für sie gilt immer noch: „Am liebsten etwas im direkten Kontakt mit den Menschen.“ Vorstellen könnte sie sich, den Fokus in ihrer weiteren Karriere auf den Bereich „Weiterbildung“ zu legen – oder auch im Bereich Schule tätig zu werden. „Durch die Pläne von Bildungsminister Meisch wäre es ja auch möglich für jemanden wie mich, in der Direktion einer Schule zu arbeiten.“ Sidon betont, dass sie schließlich viel Erfahrung im Bereich Fortbildung mitbringt. Das Gesetzesprojekt wird derzeit vonseiten der Schulgewerkschaften und den Oppositionsparteien heftig kritisiert. Meisch sah sich sogar gezwungen, die Abstimmung des Projekts wieder vom „Ordre du jour“ des Parlaments herunterzunehmen.
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