Hinter den Kulissen / Das Drehkreuz des Parlaments: Was den Beruf des Chamber-Administrators so besonders macht
Kontrolle der Regierung und Gesetze schreiben – das sind die beiden wichtigsten Aufgaben, die den Abgeordneten zukommen. Sie werden dabei maßgeblich von der Kommissionsabteilung des Parlaments unterstützt. Ein Blick hinter die Kulissen der Chamber-Verwaltung.
Chamber-Verwaltung. Es gibt wohl nur weniges, was den einen oder anderen geneigten Politikbeobachter schneller in den Tiefschlaf versetzt – mit Ausnahme der Parlamentsdebatten vielleicht. Zu Unrecht: Obwohl die Chamber zwischen schweren, samtroten Vorhängen, staubigen Teppichböden und endlosen Reden einen altbackenen Eindruck vermitteln könnte, engagieren sich hinter den Kulissen zahlreiche Mitarbeiter, damit die Abgeordneten ihrer demokratischen Pflicht nachkommen können. Noah Louis und Crisel Sousa sind Administratoren im „Service des commissions“ und begeistert von ihrem Beruf. Ein Besuch im Drehkreuz der Chamber.
Die Chamber-Serie
Das Parlament besteht nicht allein aus 60 Abgeordneten. Insgesamt arbeiten rund 160 Menschen für die Chamber, und das in den unterschiedlichsten Bereichen. In der Serie „Hinter den Kulissen der Chamber“ stellt das Tageblatt verschiedene Abteilungen des Parlaments vor, die meist nicht so in der Öffentlichkeit stehen und dennoch das gute Funktionieren von Luxemburgs Demokratie garantieren.
Bisher erschien in der Serie:
Teil 1: „Das Hinterzimmer: Wie der ,Service Séances plénières‘ die Chamber-Sitzungen vorbereitet“, am 27. August
Teil 2: „Der unsichtbare Dienst am Land: Wie der ,Service logistique‘ die Chamber am Laufen hält“, am 30. August
Teil 3: „In zweiter Reihe und doch vorne dabei: Wie der ,Service international‘ Präsidenten und Abgeordnete begleitet“, am 2. September
Teil 4: „Puzzlestück für mehr Professionalität: Hinter den Kulissen der Chamber: die ,Cellule scientifique‘“, am 4. September
Teil 5: „Der Herr der Fragen: Wie der ,Service secrétariat général‘ den Austausch zwischen Abgeordneten und Regierung koordiniert“, am 9. September
Teil 6: „La digitalisation des comptes rendus: de quoi alimenter le débat“, am 14. September
Teil 7: „Spagat zwischen Transparenz und Sicherheit: Vom Einkauf bis hin zur Absicherung des Parlaments“, am 16. September
„Mehr Berufung als Beruf“, „gerne auch mehr als acht Stunden im Büro“ – es sind Ausdrücke, wie diese, die die Begeisterung von Noah Louis und Cristel Sousa für ihren Beruf auf den Punkt bringen. Sie sind zwei von insgesamt 16 Administratoren und acht Assistenten der Kommissionsabteilung. Sie sorgen dafür, dass die Kommissionssitzungen der Abgeordneten, in der die eigentliche parlamentarische Arbeit verrichtet wird, zumindest auf administrativer Ebene geräuschlos ablaufen.
Teamarbeit
„Wir arbeiten im Tandem mit dem Kommissionspräsidenten“, erklären die beiden ihre Arbeit. Politische Neutralität wird vorausgesetzt – auch dann, wenn die Administratoren selbst mit einigen politischen Äußerungen überhaupt nicht einverstanden sind. Sie würden sehr eng mit dem Kommissionspräsidenten zusammenarbeiten, sagt Cristel Sousa, fügt aber hinzu: „Unsere Arbeit ist jedoch für jeden zugänglich.“ Da müssen politische Affinitäten eben hinten angestellt werden. Eine Frage der Professionalität, die sich für einen Administrator gar nicht erst stellen darf.
Das ist nicht die einzige Voraussetzung, die man für den Beruf mitbringen muss. „Es bedarf einer gewissen emotionalen Reife“, stimmt Noah Louis seiner Mitarbeiterin zu. Es sei eben kein Job wie ein anderer, wenn man mit 15 Abgeordneten in einem Raum sitze und dafür zuständig sei, dass die parlamentarischen Prozeduren eingehalten werden. „Dann gehört es im Sinne eines Rechtsstaates auch zu unserem Job, einem Abgeordneten ,Nein‘ zu sagen – und den Charakter hat nicht jeder.“
Trotz starkem Charakter müssen die Administratoren auch zurückstecken können. Denn obwohl die gesamte Luxemburger Gesetzgebung, der Austausch mit Ministerien, Staatsrat und Abgeordneten sowie das Verfassen der Gesetzesberichte von den 16 Administratoren verrichtet wird, steht am Ende des Tages nicht ihr Name auf dem vollendeten Projekt. Damit schmücken sich dann Luxemburgs Politiker. Doch Louis und Sousa sind überzeugt: „Man weiß, dass man in Momenten, wo verschiedene politische Meinungen in einem Gesetz zusammenkommen, zu etwas Größerem beigetragen hat.“
Umbruch in der Verwaltung
Zwei Arten von Kommissionen gibt es in der Chamber. Einerseits die legislativen Kommissionen, in denen Gesetzestexte diskutiert, geändert und dann ins Plenum verabschiedet werden. Das ist jedoch nur eine Aufgabe der Chamber. Denn den Abgeordneten obliegt auch die Kontrolle über die Regierung, die vor allem in der „Commission de l’Exécution budgétaire“ erfolgt. Es ist die einzige Kommission, die von einem Politiker der Opposition präsidiert wird. LuxeoSys, Luxembourg Film Fund, Science Center oder das kürzlich losgetretene Polit-Theater um das ONA und die Piratenpartei: All diese Dossiers sind in der Vergangenheit in der Kontrollkommission diskutiert worden.
„Es gibt durchaus standardisierte Kontrollen, bei denen Zeile für Zeile verschiedene Budgetposten kontrolliert werden“, sagt Sousa. Das komme vor allem bei großen Infrastrukturprojekten vor. Jedoch könnten auch punktuelle größere Kontrollen anstehen. Dann komme es auch des Öfteren vor, dass der Rechnungshof ob seiner Expertise herangezogen werde. Ob aber nun große Dossiers oder kleinere Kontrollen: „Es geht immer um Steuergelder, die womöglich nach den Regeln der Kunst ausgegeben werden.“ Und wenn dann strukturelle Probleme aufgedeckt werden, müssen diese in Form eines Berichtes mit Verbesserungsempfehlungen niedergeschrieben werden, damit sie sich nicht wiederholen. Dieser Brief wird vom Administrator verfasst. „Wir versuchen den Konsens innerhalb der Kommission im Bericht wiederzugeben“, erklärt Sousa. Dabei versuche man in Bezug auf vorherige Fälle kohärent zu bleiben. „Wir sind das Gedächtnis der Kommission.“
Einen regulären Arbeitsalltag haben die beiden nicht wirklich. „Jeder Administrator hat in der Regel eine Kommissionssitzung pro Woche.“ Zwischendurch bereite man die Kommissionssitzungen vor und schreibe bereits am Abschlussbericht. „Der muss in der Regel fertig sein, sobald das Gutachten des Staatsrats vorliegt.“ Das Arbeitstempo aus der Pandemie sei nämlich bis heute beibehalten worden. „Die Covid-Zeit hat sich ins kollektive Gedächtnis unserer Abteilung eingebrannt“, sagt Louis. „Die Kadenz hat sich enorm gesteigert.“
Transparenz
Nicht der einzige Umbruch, der die Kommissionsabteilung in den vergangenen Jahren begleitet hat. Auch die öffentliche Ausstrahlung der Chamber-Sitzungen hat für die Verwaltung eine Umstellung bedeutet. „Man bereitet sich natürlich anders vor, wenn man weiß, dass eine Kamera auf einen gerichtet ist“, erklärt Louis. „Man muss einfach mehr antizipieren“, fügt Sousa hinzu.
Ob sich auch die Abgeordneten anders benehmen, wenn die Sitzungen live übertragen werden? Dazu meint Sousa: „Die Abgeordneten sind besser vorbereitet, die Fragen gezielter, überlegter.“ Man könne schon sagen, dass es in einer ersten Phase einen positiven Effekt darauf habe – es bleibe jedoch abzuwarten, ob das auch weiterhin so bleibe oder ob sich das nach einer ersten Aufregung wieder legen würde. „Die Frage stellt sich in anderen Parlamenten ja nicht mehr.“
Ob es in ihrer noch kurzen Karriere auch schon Momente gegeben hat, die sie nie wieder vergessen werden? „Schon, aber die erzähle ich nicht unbedingt einem Journalisten weiter“, antwortet Noah Louis und grinst etwas verschmitzt. „In einem Jahr würde ich da aber eh noch eine andere Antwort geben als jetzt.“ Tatsächlich hat Louis als Administrator der Familienkommission erst kürzlich auch die Aufarbeitung des Caritas-Skandals in der Chamber begleitet. Und er war es auch, der bei der allerersten öffentlichen Chamber-Sitzung als Administrator dabei war. „Das war schon ein sehr besonderer Moment“, sagt er. „Wir begleiten einen großen Transparenzprozess“, stimmt Cristel dem zu. „Es ist mit vielen Herausforderungen verbunden – und gleichzeitig ist es eine große Ehre.“
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