Registrierung und Leistungen / Das erwartet Geflüchtete in Luxemburg und seinen Nachbarländern
3.871 Menschen aus der Ukraine haben sich bis Montagabend bei der Luxemburger Einwanderungsbehörde gemeldet. Die Kriegsflüchtlinge können von einem Sonderstatus Gebrauch machen, den es so erstmals EU-weit gibt. Luxemburg und seine Nachbarn gehen mit dieser Situation stellenweise aber sehr unterschiedlich um.
3.866.224 Menschen sind laut den neuesten Zahlen des UN-Flüchtlingswerks (UNHCR) vom Sonntag auf der Flucht aus der Ukraine. Der größte Teil in Richtung Westen. 2.293.833 Menschen sind über die Grenze nach Polen geflohen,595.868 über die nach Rumänien, 354.041 nach Ungarn, 275.5439 in die Slowakei. Ins Nicht-EU-Land Moldawien sind 354.041 Menschen geflohen. Und nach Russland waren es laut UNHRC 271.254.
Für Europa ist die Situation nicht nur wegen der großen Anzahl der Flüchtenden aus der Ukraine ein Novum. Anders als die Menschen, die vor dem Syrienkrieg 2015/2016 flohen, konnten Ukrainer auch schon vor dem Krieg visumfrei für 90 Tage in die EU einreisen und sich im Schengenraum frei bewegen. Definitive Zahlen, wie viele Menschen aus den osteuropäischen Staaten in welche andere EU-Länder weitergereist sind, gibt es laut einer Sprecherin der EU-Kommission deshalb nicht. Wir stehen momentan im Kontakt mit den Mitgliedstaaten, die uns Zahlen berichten – aber wie Sie wissen, können die meisten ohne Visum reisen und sich in der EU bewegen.“ Die Flüchtenden hätten keine Verpflichtung, sich zu registrieren – und deshalb habe man noch keinen „vollständig konsolidierten Überblick“ darüber, wie viele in welchen Ländern sind – oder noch immer auf dem Weg durch die EU.
Erstmals „vorübergehender Schutz“ für Geflüchtete
Allerdings arbeite die Kommission gemeinsam mit den Mitgliedstaaten an der Implementierung der Leitlinie zum „vorübergehenden Schutz“. Die wurde auf Vorschlag von der Kommission am 4. März vom EU-Rat aktiviert, „um den Menschen, die vor dem Krieg fliehen, rasch und wirksam zu helfen“. Sie schreibt vor, dass den Menschen aus der Ukraine – nach der Registrierung als Geflüchtete in egal welchem Mitgliedstaat – sofort ein Aufenthaltstitel, Zugang zum Bildungssystem und eine Arbeitserlaubnis erteilt wird. Die EU-Leitlinie ist bindend für alle Mitgliedstaaten „außer Dänemark“, wie die Sprecherin erklärt.
Die Direktive zum „vorübergehenden Schutz“ wurde bereits 2001 geschaffen – aber bis jetzt noch nie aktiviert. Auch nicht während der sogenannten Flüchtlingswelle während des Kriegs in Syrien. Damals wurde zwar erwägt, die Leitlinie zu aktivieren – letztendlich wurde sich aber dagegen entscheiden. „Damals wurde sie jedoch als nicht besonders geeignet für die Situation angesehen, die dadurch gekennzeichnet war, dass verschiedene Nationalitäten mehrere Länder durchquerten, bevor sie die EU erreichten“, erklärt die Kommissionssprecherin. Ukrainer könnten dagegen bereits Visa-frei durch die Union reisen und vom vorübergehenden Schutzstatus dort profitieren, wo sie sich befinden. „Dies war bei den Flüchtlingen aus Syrien oder den vielen anderen Nationalitäten, die damals ankamen, nicht der Fall“, erklärt die Sprecherin. „Ein vorübergehender Schutz ohne verbindliche Umsiedlungsbestimmungen hätte in diesem Fall den Druck auf die Ersteinreiseländer nicht gemindert.“ Menschen, die aus Syrien kamen, erhielten aber den notwendigen Schutz in der EU, sagt die Sprecherin. Aber: „Heute sind die Mitgliedstaaten geeinter und sehen mehr und mehr die zwingende Notwendigkeit, gemeinsam im Geiste der Solidarität zu handeln.“
765 Anträge in Luxemburg
Die Kommission schätzt, dass mindestens eine Million Flüchtende in Länder weitergereist sind, die nicht direkt an die Ukraine angrenzen. In Luxemburg wurde – Stand Montagmorgen – 765 Menschen ein Antrag auf vorübergehenden Schutz stattgegeben, wie das Außenministerium auf Tageblatt-Anfrage erklärt. „Personen, die vorübergehenden Schutz genießen, haben Zugang zu den im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen des nationalen Aufnahmeamts ONA, die Unterkunft, Nahrung und Kleidung sowie eine monatliche Zuwendung und Zugang zur medizinischen Versorgung beinhalten“, erklärt ein Sprecher des Ministeriums. Stand Montagabend hätten sich insgesamt 3.871 Menschen bei der Einwanderungsbehörde gemeldet. „In der Regel bekommen die Personen sofort am Tag ihres Termines eine Antwort auf ihren Antrag“, sagt der Sprecher. Davor würde geprüft, ob die Voraussetzungen (siehe Infobox) erfüllt sind. Personen mit vorübergehendem Schutz haben das Recht, in einer staatlichen Unterkunftseinrichtung aufgenommen zu werden, falls sie keine privaten Unterkunftsmöglichkeiten haben, wie beispielsweise bei einer Familie. Zentrale Anlaufstelle für Ukraine-Flüchtende ist in Luxemburg das Shuk auf dem Kirchberg. Das Notaufnahmezentrum ist laut Regierung rund um die Uhr geöffnet und bietet für die ersten Tage Unterkunft und Verpflegung. Dort können sich die Geflüchteten auch registrieren lassen. Das Shuk ist aber nicht nur für Menschen da, die in Luxemburg bleiben wollen, sondern auch für solche, die auf dem Weg in ein anderes europäisches Land sind.
Auch in den Ländern rund um Luxemburg herum kommen Menschen aus der Ukraine an. In den Niederlanden sind derzeit 18.389 Betten in Unterkündigen in Gebrauch, wie das zuständige Ministerium erklärt. 11.020 Menschen seien Stand Montag in niederländischen Kommunen registriert. In den Niederlanden müssen sich die Flüchtenden dort melden, die „Marechaussee“, eine Polizeieinheit, kümmert sich dann um die Unterkunft. „Die Regierung arbeitet derzeit an einem Paket zur finanziellen Vorsorge für Flüchtlinge aus der Ukraine“, heißt es von der niederländischen Regierung. Diese Leistungen seien mindestens gleichwertig mit dem, was Asylsuchende im regulären Asylverfahren erhalten. Eine „Integrationspflicht“ bestehe in den Niederlanden nicht, wenn sich die Person nur „vorübergehend“ in den Niederlanden aufhalte. Die Kosten für Sprachkurse werden nicht übernommen. „Es lässt sich nicht sagen, wann die Registrierung aller Flüchtlinge aus der Ukraine abgeschlossen sein wird“, erklärt ein Sprecher des zuständigen Ministeriums für Jusitz und Sicherheit gegenüber dem Tageblatt.
Belgischer König stellt Wohnraum zur Verfügung
Der belgische Rundfunksender BRF berichtet, dass sich 25.000 Flüchtende aus der Ukraine bis Freitag in Belgien registriert haben. Laut Euronews erwartet das Luxemburger Nachbarland bis zu 200.000 Flüchtende. Unterkunft bietet in Belgien offenbar auch die königliche Familie. Laut einer Meldung des Fernsehsenders RTBF wollen König Philip und seine Frau Matilda drei ukrainische Familien in zwei „Immobilien“ aus ihrem Besitz unterbringen. Diese würden dafür mit Hochdruck renoviert. Die belgische Regierung fordert Geflüchtete dazu auf, sich trotz der 90-Tage-Frist bei den Behörden zu melden. Was die Legalität ihres Aufenthalts darüber hinaus angeht, sollten sie sich keine Gedanken machen. Wörtlich schreibt die belgische Einwanderungsbehörde auf ihrer Webseite: „Kurz gesagt, ukrainische Staatsbürger, die sich legal in Belgien aufhalten oder aufgehalten haben und sich aufgrund der Situation in ihrem Land länger als erlaubt aufhalten, sollten sich keine Sorgen machen.“ Wie in Luxemburg gibt es in Belgien eine zentrale Aufnahmeeinrichtung auf dem Brüsseler Messegelände. Geflüchtete können sich online für einen Termin dort registrieren – „Sie erhalten dann einen QR-Code per E-Mail. Prüfen Sie Ihren Spam-Ordner“ – und müssen dann mit ihren Papieren vorsprechen. Geflüchtete, die bereits eine Unterkunft haben, werden gebeten, solchen den Vortritt zu lassen, die obdachlos sind.
Laut Reuters sind etwa 30.000 Geflüchtete aus der Ukraine in Frankreich angekommen. Die französische Regierung erwartet jedoch, dass die Hälfte weiter in andere Länder wie Spanien weiterreist. Die Franzosen erwarten, dass etwa 100.000 Menschen aus der Ukraine schlussendlich im Hexagon Schutz suchen. Dafür wird ein Reisepass mit einem gültigen Stempel für die Einreise ins Schengen-Territorium oder ein entsprechendes Dokument benötigt. Der Weg durch den französischen Behördendschungel wird den Geflüchteten nicht ganz einfach gemacht. Nicht jeder Mitarbeiter in der Telefonzentrale der zuständigen Generaldirektion für ausländische Nationalität spricht Englisch. Die Website des übergeordneten Innenministeriums bietet „Information à destination des ressortissants ukrainiens“ zwar an – aber der Flüchtende muss sich dazu durch zig Unterseiten auf Französisch klicken. Ein einseitiger Flyer gibt Informationen in anderen Sprachen preis. Dort wird erklärt, wer „vorübergehenden Schutz“ in Frankreich bekommen kann und welche Rechte den Geflüchteten danach gewährt werden – unter anderem eine Beihilfe für Asylsuchende, Arbeitserlaubnis, Krankenversicherung und Unterstützung bei der Suche nach Unterkunft. Melden müssen sich die Flüchtenden bei der zuständigen Präfektur. Immerhin: Die Präfektur Moselle bietet hinter einer ukrainischen Flagge tatsächlich auch Informationen in Ukrainisch.
Unklare Datenlage wegen 90-Tage-Regelung
In Rheinland-Pfalz wurden seit Kriegsbeginn 2.826 Flüchtende aufgenommen, berichtet eine Sprecherin des Integrationsministeriums gegenüber dem Tageblatt. Insgesamt gibt es in dem Bundesland fünf Aufnahmeeinrichtungen. „Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, die bei Freunden oder Familie untergekommen sind, sind hier nicht erfasst“, sagt die Sprecherin. Wie viele Geflüchtete sich insgesamt in Rheinland-Pfalz befinden, ist auch unklar, weil sich noch nicht alle Menschen vor Ort registriert haben. Und auch die Kommunen selbst haben offenbar noch nicht alle Zahlen all derjenigen, die sich registriert haben, an die übergeordneten Behörden weitergemeldet. „Die Vertriebenen können Aufenthaltserlaubnisse zum vorübergehenden Schutz für die Dauer von zwei Jahren bis zum 4. März 2024 bei den Ausländerbehörden beantragen können“, erklärt die Sprecherin. Geflüchtete, die privat oder kommunal aufgenommen wurden, können nach der Registrierung dort bleiben.
Das Management des zentralen saarländischen Aufnahmezentrums in Lebach ist Chefsache. „Der Minister hat sein Büro vor Ort aufgeschlagen, weil schnelle Entscheidungen getroffen werden müssen“, erklärt ein Sprecher von Innenminister Klaus Bouillon gegenüber dem Tageblatt. Seit drei Wochen sei der Minister „fast durchgängig hier“. Bis jetzt sei alles „gut handlebar“. In dem Ankerzentrum in Lebach sei nicht nur die zentrale Aufnahmebehörde untergebracht, sondern auch Sozialbehörden. „Nur wenn es um eine Kontoeröffnung für den Empfang von Sozialleistungen geht, dann muss man zur Sparkasse oder Volksbank, weil das hier vor Ort nicht funktioniert“, sagt der Sprecher. „Aber im Endeffekt kann man hier alles erledigen.“ Die Registrierung im Aufnahmezentrum würde 20 bis 25 Minuten dauern. Geflüchtete, die keine private Unterkunft haben, kommen ebenfalls dort unter. Mehr als 1.000 Schlafplätze stünden bereit, 380 davon für Menschen, die in Corona-Quarantäne müssen. Die Verteilung in die Kommunen würde nach der Registrierung am nächsten oder übernächsten Tag passieren, ein Kollege habe ein Internettool entwickelt, über das sich Privatleute melden können, die Unterkunft anbieten, sagt der Sprecher. Die Geflüchteten bekommen dann Leistungen nach dem deutschen Asylbewerbergesetz. Insgesamt 3.500 Menschen hätten die Prozedur bis jetzt durchlaufen. „Viele der Ukrainer sagen, sie wollen nur temporär hier blieben“, sagt der Sprecher. „Viele haben Bekannte, Männer, Brüder, die in der Ukraine sind – sie wollen einfach wieder zurück.“
Voraussetzungen für den vorübergehenden Schutz
– Die Person muss vor dem 24. Februar in der Ukraine gelebt haben und das Land ab dem 24. Februar verlassen oder kurz davor verlassen haben.
– Die Person ist ukrainischer Staatsbürger oder hatte in der Ukraine internationalen oder einen gleichwertigen nationalen Schutz genossen.
– Auch den Familienangehörigen (Ehepartner, minderjährige Kinder, enge Verwandte) dieser Personen kann unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit vorübergehender Schutz gewährt werden.
– Auch Staatenlosen oder Staatsangehörigen von Drittländern, die in der Ukraine einen Aufenthaltstitel hatten und nicht sicher in ihr Herkunftsland zurückkehren können, kann der „vorübergehende Schutz“ gewährt werden.
Ausschlussgründe
– Gründe zur Annahme, dass die Person Verbrechen gegen den Frieden, die Menschlichkeit oder ein Kriegsverbrachen begangen hat.
– Gründe zur Annahme, dass die Person ein schweres Verbrechen begangen hat.
– Gründe zur Annahme, dass sie Handlungen für schuldig befunden wurde, die den Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwiderlaufen.
– Gründe zur Annahme, dass die Person eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt oder dass sie wegen einer Verurteilung wegen eines Vergehens oder Verbrechens eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen würde.
Antragstellung
– Geflüchtete übermitteln ihre Daten mit einem Formular, das online abrufbar ist.
– Die Personen werden von der Einwanderungsbehörde kontaktiert und zu einem Termin eingeladen.
– Zu diesem Termin müssen sie persönlich erscheinen und ihre Ausweisdokumente mitbringen.
– Der vorübergehende Schutz wird in einer ersten Phase für eine anfängliche Dauer von einem Jahr ab dem Datum der Aktivierung des Mechanismus auf europäischer Ebene gewährt, das heißt bis zum 4. März 2023. Diese Frist kann verlängert werden.
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