Gegen die Krise / Das Escher Jugendhaus beschäftigt seine Schützlinge mit kreativen Online-Challenges
Seit gut einem Monat befindet sich Luxemburg im Ausnahmezustand. Öffentliche Gebäude sind geschlossen – darunter auch Jugendhäuser. Um den Kontakt zu ihren Schützlingen nicht zu verlieren, mussten die Erzieher des Escher Jugendhauses deshalb besonders kreativ werden.
„Vor der Krise haben wir immer viel über Digitalisierung gesprochen, aber sie nie wirklich genutzt“, sagt Christelle Kodische, Leiterin des „Centre de rencontre et d’information pour jeunes Esch“, kurz CRIJ Esch, das unter sich das Jugendhaus sowie den „Point info jeunes“ vereint. Das hat sich im vergangenen Monat vollkommen geändert. Inzwischen nutzt das Team Instagram, YouTube und sogar Tiktok, um die Jugendlichen bei Laune zu halten.
In der ersten Woche, in der das Jugendhaus schließen musste, verfiel das Team erst einmal in eine Art Schockstarre. „Wir wussten überhaupt nicht, was wir tun sollen“, sagt Kodische im Videochat mit dem Tageblatt. Das Team hat zu dem Zeitpunkt noch weitergearbeitet – die Kinder durften nur eben nicht mehr rein. „Wir haben aufgeräumt und all die Dinge getan, für die wir sonst nur wenig Zeit haben.“ Am Ende der Woche stand dann jedoch aber eines fest: „So konnte es nicht weitergehen, wir mussten uns etwas für die Jugendlichen überlegen.“
Nationale Zusammenarbeit
Der Austausch mit anderen Jugendhäusern des Landes kurbelt die Kreativität wieder an. „Inzwischen hat sich ein Netzwerk von 15 Jugendhäusern zusammengefunden, die sich regelmäßig austauschen und zusammenarbeiten“, erklärt Christelle Kodische. Denn es sei wichtig, mit den Jugendlichen in Kontakt zu bleiben. Gemeinsam entwickeln die Jugendhäuser immer neue Online-Herausforderungen, an denen ihre Sprösslinge teilnehmen können.
Ob Tiktok-Challenge zum Einüben eines Tanzes, Trash-Walking-Challenge zum Aufsammeln und Entsorgen von Müll vor der eigenen Haustür oder ein interessantes Quiz – die Aufgaben kommen gut bei den Jugendlichen an. „Die meisten, die regelmäßig zu uns kommen, machen mit“, sagt die Leiterin des Jugendhauses. Die Challenges finden zweimal die Woche, jeweils dienstags und freitags, statt. Dabei wechseln sich die 15 Jugendhäuser mit dem Brainstorming für neue Ideen ab, damit nicht jedes Haus die gleiche Challenge startet.
Durch die nationale Zusammenarbeit entsteht ein interessanter Austausch, der ohne die Krise nie zustande gekommen wäre. Ob etwa ein Erzieher aus Esch oder einer aus Wiltz eine Challenge startet, macht für die Jugendlichen keinen Unterschied. Untereinander tauschen Erzieher, die sonst wohl nie miteinander in Kontakt gekommen wären, mittlerweile ebenfalls Ideen aus.
Auch frühere Besucher des Escher Jugendhauses wurden durch die Challenge wieder auf den Ort aufmerksam, an dem sie einen Teil ihrer Jugend verbracht haben. „Wir haben Fotos von vor 15 Jahren gepostet. Darauf haben einige sich wiedererkannt“, sagt Christelle Kodische. Eine weitere lustige Aufgabe: Das Jugendhaus hat Fotos von den Teammitgliedern gepostet, als sie noch jung waren. Die Jugendlichen sollten die Fotos dann dem richtigen Erzieher zuordnen.
Online-Challenges beibehalten
„Unser Ziel ist es, die Online-Challenges auch nach der Krise ein Mal die Woche aufrechtzuerhalten“, sagt Kodische. So können auch die Jugendlichen erreicht werden, die in der Woche vielleicht keine Zeit hatten, im Haus vorbeizukommen. Auch die Skills der Erzieher sind im vergangenen Monat gewachsen. „Fast jeder von uns hat sich ein YouTube-Starter-Kit zugelegt, mit Licht und allem“, sagt die Jugendhausleiterin. Die Arbeit während der Krise sei motivierend und viel lehrreicher, als eine Fortbildung es je sein könnte.
Die Arbeit während der Krise ist motivierend und viel lehrreicher, als eine Fortbildung es je sein könnteLeiterin des CRIJ Esch
Das Escher Jugendhaus musste derweil auch eine ganze Reihe Aktivitäten absagen. Die Amapolas-Gruppe, die sich für den Umweltschutz einsetzt, hätte eigentlich gerade in Costa Rica sein sollen. Dort wollten die jungen Umweltschützer beim Saubermachen der Strände helfen und sich einem Tierschutzprojekt anschließen. Um Geld für ihre Reise zu sammeln, hatte die Gruppe in den letzten Monaten selbst gemachte Kosmetikprodukte wie Seife und Cremes verkauft. „Sie treffen sich alle zwei Wochen über die Houseparty-App, um zu planen, wie es weitergeht“, sagt Christelle Kodische. Ihre Reise soll nun voraussichtlich in den Osterferien 2021 stattfinden. Bis dahin ist es die Aufgabe der Erzieher, sie zu motivieren, damit sie weitermachen.
Fortnite-Turnier
Auch das Street-Soccer-Event, das vom Jugendhaus für Anfang Juli geplant war, musste abgesagt werden. Dafür findet derzeit eine andere Art von Turnier statt: Die Jugendhäuser organisieren einmal in der Woche ein Fortnite-Turnier, bei dem jedes Mal an die 50 Jugendliche teilnehmen. Während des Turniers sind sie über die Plattform Discord miteinander verbunden und können sich austauschen. Auch hier lernen sich Jugendliche aus verschiedenen Teilen des Landes kennen, die sonst vielleicht nie zusammengefunden hätten. „Wenn das Ganze vorbei ist, wollen wir vielleicht ein Treffen der Fortnite-Spieler organisieren. Damit sie sich auch im echten Leben kennenlernen können“, sagt Kodische.
Das Projekt „Identity Call“, das in Zusammenarbeit mit der Kulturfabrik entsteht, läuft weiter – nur eben unter einer anderen Form. Beim „Coronaslang“ wurden Gruppen von jeweils drei Jugendlichen gebildet, die zusammen an eigenen Songs arbeiten. Die Lieder sollen von der aktuellen Krisensituation handeln. Um sie zu schreiben, kommen die Jugendlichen einmal in der Woche auf Skype zusammen. „Ziel ist es, dass sie die entstandenen Songs nach der Krise auf einer Bühne performen können“, erklärt Christelle Kodische.
Bis dahin trifft sich das Erzieher-Team des Escher Jugendhauses jeden Mittwoch für das gewohnte Teammeeting – virtuell natürlich. „Wir versuchen, Gewohnheiten beizubehalten“, sagt die Leiterin. Natürlich sei es blöd, nicht zu wissen, wie es weitergeht. Trotzdem versuche jeder im Team, etwas Positives aus der Situation zu ziehen. In den kommenden Meetings wollen sie eine Strategie entwickeln, wie das Jugendhaus funktionieren kann, wenn die Türen wieder geöffnet werden.
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