Organisierte Kriminalität / Das europäische Kokain-Problem in Belgien – EU-Kommissarin: ähnliche Gefahr wie durch Terror
EU-Innenkommissarin Ylva Johansson hat die Gefahr in Europa durch organisierte Kriminalität mit der Gefahr durch Terrorismus gleichgesetzt. „Die Bedrohung der Gesellschaft durch organisierte Kriminalität ist heute genauso groß wie durch eine terroristische Bedrohung“, sagte Johansson am Dienstag bei einem Besuch im Hafen von Antwerpen im Norden Belgiens. Der Container-Hafen gilt als eines von Europas bedeutendsten Einfallstoren für Drogenhandel.
Bei ihrem gemeinsamen Besuch mit der belgischen Innenministerin Annelies Verlinden erklärte Johansson, dass in Belgien und den Niederlanden im Zusammenhang mit Drogenhandel Politiker bedroht worden seien. In Schweden habe es in dem Zusammenhang im vergangenen Jahr 90 Bombenanschläge sowie 388 Schießereien mit 61 Toten gegeben.
Nirgendwo anders in Europa wurde im vergangenen Jahr so viel Kokain beschlagnahmt: Der Hafen von Antwerpen im Norden Belgiens ist einer der bedeutendsten Drogenumschlagplätze Europas. Das wird zunehmend zu einem Problem.
Der Großteil des Kokains, etwa 90 Prozent, wird in Schiffscontainern nach Europa geschmuggelt, versteckt in Bananenkisten oder zwischen anderen normalen Gütern. Am Hafen von Antwerpen beschlagnahmten Fahnder im vergangenen Jahr eine Rekordmenge von 110 Tonnen Kokain. Im Vorjahr hatte der belgische Zoll dort noch knapp 90 Tonnen beschlagnahmt. Der belgische Hafen ist nach Rotterdam in den Niederlanden der zweitgrößte Container-Hafen Europas.
Neben den Niederlanden gilt auch Belgien als wichtiges Einfallstor für Kokain nach Europa. Die beschlagnahmten Mengen im Hafen von Rotterdam in den Niederlanden sowie im benachbarten Vlissingen waren in den vergangenen beiden Jahren geringer als jene im belgischen Antwerpen. In Rotterdam spürte der niederländische Zoll nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr insgesamt 52,5 Tonnen Kokain auf, im Jahr 2021 rund 70 Tonnen. Zollchef Jan Kamp sprach von einer möglichen Verschiebung des illegalen Handels Richtung Antwerpen.
Was heißt das für Antwerpen?
Der steigende Kokain-Schmuggel ist folgenschwer für Antwerpen als Stadt. Die zweitgrößte Stadt Belgiens ist von der Gewalt durch das Drogenmilieu betroffen. Der Antwerpener Bürgermeister Bart De Wever spricht von einem „Drogenkrieg“. Im Januar war in der Stadt ein elfjähriges Mädchen bei einer bewaffneten Auseinandersetzung getötet worden, hinter der die Polizei Drogenbanden vermutet. Im September wurde ein Plan vereitelt, den belgischen Justizminister Vincent Van Quickenborne zu entführen. Der Minister machte die „Drogenmafia“ für die Pläne verantwortlich. Van Quickenborne hat den Ruf, konsequent gegen die organisierte Kriminalität durchzugreifen.
Im Jahr 2021 haben laut Europäischer Drogen-Beobachtungsstelle EMCDDA etwa 3,5 Millionen Europäer mindestens ein Mal Kokain konsumiert. Das sind vier Mal mehr als noch vor 20 Jahren. Und der deutsche Zoll verwies Ende Dezember anlässlich des Funds von 3,6 Tonnen Kokain im Hamburger Hafen auf den „anhaltend hohen Zufuhrdruck von Kokain nach Europa“. Außerdem gilt der illegale Kokain-Handel als eine der lukrativsten Einnahmequellen für die organisierte Kriminalität in Europa. Die EMCDDA in Lissabon schätzte den Schwarzmarktwert des in der EU gehandelten Stoffes 2020 auf zwischen 7,7 und 10,5 Milliarden Euro.
Johansson warnte, dass der Kokainschmuggel in die EU zunehme. Besonders im Hinblick auf das aufputschende Pulver wachse die Verbindung zwischen Lateinamerika und europäischen Kriminellen schnell. Die EU sei für Lateinamerika interessanter als die USA geworden, weil die Profite auf dem europäischen Markt höher seien. „Ein Kilo Kokain kostet in Südamerika 1.000 Euro. Aber hier in Europa kann man es für 35.000 Euro verkaufen“, erklärte die EU-Kommissarin.
Die belgische Innenministerin Verlinden kündigte einen gemeinsamen Besuch mit Johansson in Kolumbien und dem Nachbarland Ecuador „Ende des Monats“ an, wo sie sich demnach mit Vertretern der Polizei und der Politik treffen wollen.
- Nach Flugzeugunglück: Verkehrsministerium will Betonmauern an Flughäfen umbauen - 13. Januar 2025.
- Exporte legen 2024 auf Rekordwert von 3,4 Billionen Euro zu - 13. Januar 2025.
- Schweden entsendet Kriegsschiffe zur Überwachung von Infrastruktur - 13. Januar 2025.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos