Australien / Das Gerichtsurteil, das definiert, was eine Frau ist
Ein australisches Gericht hat sich mit der Frage beschäftigt: „Was ist eine Frau?“ Dahinter steckt der Fall einer trans Frau, die vor Gericht ging, da sie sich von einer Social-Media-App nur für Frauen diskriminiert fühlte. Das Urteil schlägt nun weltweit Wogen.
Die Olympischen Spiele in Paris haben es erneut gezeigt: Die Frage, was eine Frau ausmacht, beschäftigt die Gemüter. Vor allem trans Frauen finden sich häufig im Zentrum solcher Dispute.
In Australien ist nun ein potenziell wegweisendes Urteil gefallen, auf das Richterinnen und Richter aus der ganzen Welt schauen dürften: Denn es definiert, was eine Frau ausmacht. Vorausgegangen war der folgende Fall: Die trans Frau Roxanne Tickle war 2021 einer App nur für Frauen namens „Giggle for Girls“ beigetreten. „Giggle for Girls“ vermarktet sich als eine Art Online-Zufluchtsort, wo Frauen ihre Erfahrungen in einem sicheren Raum teilen können. Die frühere Drehbuchautorin Sally Grover hatte die App im Jahr 2020 gestartet, nachdem sie während ihrer Arbeit in Hollywood sexuelle Belästigung erlebt hatte.
Männer sollten deswegen keinen Zutritt zu der Community erhalten, die aktuell nicht online ist. Um zugelassen zu werden, müssen Nutzerinnen normalerweise ein Bild von sich selbst hochladen. Die App arbeitet mit einer Software zur Geschlechtserkennung, die Männer aussortieren soll. Auch Tickle lud ein Selfie von sich hoch und zunächst erlaubte Giggle ihr den Zugang. Sieben Monate später machte Grover die Erlaubnis jedoch rückgängig, nachdem sie sich Tickles Foto angesehen hatte und zu dem Schluss gekommen war, dass Tickle ein Mann sei. Tickle verklagte die Social-Media-Plattform und Grover daraufhin wegen Diskriminierung aufgrund ihrer Geschlechtsidentität.
Geschlecht als biologisches Konzept?
Tickle sagte, dass sie als jemand, der sich als Frau identifiziert, gesetzlich dazu berechtigt sei, Dienstleistungen für Frauen in Anspruch zu nehmen. Stattdessen sei sie aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert worden. Die trans Frau forderte Schadensersatz in Höhe von 200.000 Australischen Dollar (rund 120.000 Euro) und führte dabei nicht nur die Entscheidung selbst an, sondern auch das „anhaltende Fehlverhalten“ von Grover. Grovers öffentliche Äußerungen über sie und den Fall seien „beunruhigend, demoralisierend, peinlich, erschöpfend und verletzend“ gewesen. Sie hätten dazu geführt, dass Einzelpersonen online hasserfüllte Kommentare über sie gepostet hätten. In einer eidesstattlichen Erklärung schrieb Tickle von „ständiger Angst und gelegentlichen Selbstmordgedanken“, die dies bei ihr hervorgerufen hätte.
Das gegnerische Anwaltsteam argumentierte dagegen, dass das Geschlecht ein biologisches Konzept sei. Tickle wurde als Mann geboren, änderte jedoch ihr Geschlecht und lebt seit 2017 als Frau. 2018 wurde ihr eine neue Geburtsurkunde ausgestellt, da sie ihren Namen geändert hatte und ihr Geschlecht als weiblich ausgeben wollte. 2019 unterzog sie sich zusätzlich dazu einer geschlechtsbestätigenden Operation. Als sie vor Gericht aussagte, sagte sie: „Bis zu diesem Fall haben mich alle wie eine Frau behandelt.“
Opfer indirekter Diskriminierung
Das australische Gericht stellte sich letztendlich auf die Seite von Roxanne Tickle. Es kam zu dem Schluss, dass die trans Frau zwar nicht direkt diskriminiert wurde, jedoch das Opfer einer indirekten Diskriminierung war. „Giggle for Girls“ wurde zur Zahlung von 10.000 Australischen Dollar – umgerechnet etwas über 6.000 Euro – zuzüglich der Anwaltskosten verurteilt. Allerdings lehnte das Gericht Tickles Forderung nach einer schriftlichen Entschuldigung ab.
Seitdem das Urteil am Freitag gefallen ist, schlägt es hohe Wogen im In- wie auch im Ausland. Die BBC wie auch CNN berichteten und Internetnutzerinnen und -nutzer aus alles Welt kommentieren. Denn der australische Bundesrichter Robert Bromwich bestätigte mit seinem Urteil, dass ein Geschlecht „veränderlich und nicht unbedingt binär“, also nicht unbedingt männlich oder weiblich, sein muss. Paula Gerber, Professorin für Menschenrechte an der Monash University in Melbourne, schrieb in einem Kommentar zum Urteil, dass der Fall genau wegen dieser Frage – was eine Frau ausmacht und ob das Geschlecht einer Person geändert werden kann – sowohl von der Transgender-Gemeinschaft als auch von Rechtsexperten genau beobachtet worden sei.
Bahnbrechend für transsexuelle Menschen
Die Auswirkungen der Entscheidung gingen nun weit über die Hauptakteure des Falles hinaus, schrieb Gerber. Es sei „eine bahnbrechende Entscheidung“ zugunsten des Schutzes der Menschenrechte von Transgender-Menschen. Das Urteil würde dringend benötigte Klarheit über die rechtliche Anerkennung von trans Frauen als Frauen schaffen. Außerdem werde die Bedeutung von „Diskriminierung aufgrund der Geschlechtsidentität“ besser definiert. Auch die Menschenrechtsorganisation Amnesty International schrieb auf der Plattform X, dass dies ein Schritt vorwärts sei, um sicherzustellen, dass trans Frauen nicht aufgrund ihrer Geschlechtsidentität diskriminiert würden. Tickle selbst sagte, das Urteil zeige, dass „alle Frauen vor Diskriminierung geschützt sind“ und dass sie hoffe, dass der Fall „Heilung“ für transsexuelle Menschen bringen werde.
Giggle-Gründerin Sally Grover will dagegen weiterkämpfen und vermutlich in Berufung gehen. Sie nutzte das Wochenende für emotionsgeladene Medienauftritte sowie eine ganze Tirade an Social-Media-Posts. Unter anderem schrieb sie auf der Plattform X, dass das Ganze „eine persönliche Angelegenheit“ sei. „Ich bin eine Frau und möchte Rechte haben, und ich möchte, dass jede einzelne Frau und jedes einzelne Mädchen in Australien und auf der Welt Rechte hat. Zu erfahren, dass wir weniger Rechte haben als Männer, die behaupten, Frauen zu sein, ist ziemlich niederschmetternd.“ Bereits im November hatte sie geschrieben: „Ich werde von einem Mann vor ein Bundesgericht gebracht, der behauptet, eine Frau zu sein, weil er einen von mir geschaffenen Raum nur für Frauen nutzen möchte.“ Es gebe keine Frau auf der Welt, die sie vor Gericht verklagen müsste, um diesen Raum für Frauen zu nutzen. „Es braucht einen Mann, damit dieser Fall existiert.“
Grover erhält bei ihrem Kampf auch Unterstützung von Teilen der Politik. Die konservative australische Senatorin Claire Chandler schrieb auf X, dass das Urteil bestätige, dass Frauen in Australien keinen Rechtsanspruch auf gleichgeschlechtliche Räume und Dienstleistungen hätten. Das Gesetz gegen Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, das eigentlich Frauen und Mädchen schützen solle, sei nun „ein Instrument zur Bestrafung von Frauen“ geworden. „Dies ist eine beschämende und gefährliche Situation, die die Rechte und Schutzmaßnahmen für Frauen und Mädchen in unserem Land einschränkt.“
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