Hinter den Kulissen / Das Hinterzimmer: Wie der „Service Séances plénières“ die Chamber-Sitzungen vorbereitet
Ihr Büro liegt gleich neben dem großen Saal der Chamber und doch ist ihre Arbeit für die Öffentlichkeit fast unsichtbar. Und das, obwohl ohne den „Service Séances plénières“ keine Sitzung des Parlaments reibungslos ablaufen könnte. Ein Blick hinter die Kulissen der Chamber.
Wenn Magda Santos und Stefania Rossi morgens zu ihrem Arbeitsplatz wollen, müssen sie einmal das Herzstück der Chamber durchqueren. Unter den großen, schweren Kronleuchtern hindurch, vorbei an den roten Vorhängen und den leeren Abgeordnetenbänken. Am Ende des Sitzungssaals ist eine Tür, über der ein kleines Schild leuchtet. Hier ist das Büro des „Service Séances plénières“, das Hinterzimmer des Parlaments.
Hinter den Kulissen
Das Parlament besteht nicht allein aus 60 Abgeordneten. Insgesamt arbeiten rund 160 Menschen für die Chamber, und das in den unterschiedlichsten Bereichen. In der Serie „Hinter den Kulissen der Chamber“ stellt das Tageblatt verschiedene Abteilungen des Parlaments vor, die meist nicht so in der Öffentlichkeit stehen und dennoch das gute Funktionieren von Luxemburgs Demokratie garantieren.
Santos, Rossi und ihre Kollegin Maria Mathieu sind – wie der Name ihrer Abteilung schon verrät – für den reibungslosen Ablauf der öffentlichen Chamber-Sitzungen zuständig. Die Vorbereitungen starten schon am Donnerstag vor einer Sitzungswoche. An diesen Tagen kommt die „Conférence des présidents“ zusammen, um die Tagesordnung der kommenden Parlamentssitzungen festzulegen. Das ist Stefania Rossis Aufgabe. Sie ist dabei, wenn der Chamber-Präsident und die Präsidenten der einzelnen Fraktionen sich auf den Ablauf einigen. Welche Debatten sollen stattfinden, wird es Interpellationen geben – Rossi koordiniert verschiedene Stellen und Informationen, so zum Beispiel auch die Verfügbarkeit der Minister.
Drehbuch für den Präsidenten
Für die Sitzungen selbst wird nichts dem Zufall überlassen. Magda Santos und ihre Kolleginnen schreiben vorab wortwörtlich nieder, was der Präsident während der Sitzung sagen wird. Von „Die Sitzung ist eröffnet“ bis zu den Schlussworten. „Wir nennen das das Drehbuch“, sagt Santos. Solch eine Vorlage sei wichtig, damit der Präsident kein Detail vergesse. Sie diene aber auch den Vizepräsidenten zur Orientierung, wenn sich der Präsident kurz vertreten lasse.
Die Sitzungen selbst verfolgen Santos und Rossi über Bildschirme aus dem Nebenzimmer. Von hier aus kontrollieren sie die Ergebnisse aller Abstimmungen – und kümmern sich auch um Motionen und Resolutionen. Dabei muss es schnell gehen. „Deshalb sitzen wir auch direkt neben dem Saal. Alles, was während der Sitzungen eingereicht wird, müssen wir auf die richtigen Unterschriften und Form kontrollieren“, sagt Santos. Erst dann können die Dokumente im Saal verteilt werden.
Nach Ende der Sitzung ist die Arbeit der Abteilung noch nicht getan. Santos und Rossi setzen Briefe auf, um über die Ergebnisse der Sitzung zu informieren, welche Gesetzesprojekte, Motionen und Resolutionen von der Chamber angenommen wurden. Die werden dann vom Präsidenten und Generalsekretär unterschrieben, eingescannt und per Mail an den Staatsrat und den „Service central de législation“ (SCL) geschickt. Die wichtigsten Punkte der Sitzung werden außerdem skizzenhaft in einem Protokoll zusammengefasst, inklusive aller eingereichter Dokumente, Diskussionsverläufe und Abstimmungsresultate.
Santos und ihre Kolleginnen kontrollieren auch die Anwesenheit der Abgeordneten. Wenn Parlamentarier nicht zu einer Sitzung erscheinen können, müssen sie sich beim Service mit einer Entschuldigung abmelden. Geschieht dies nicht innerhalb von drei Tagen, wird ihnen eine „absence non motivée“ notiert. Wer drei solcher Notizen erhält, büßt einen Teil seines Gehalts ein. Wer bei der Hälfte aller Sitzungen fehlt, verliert sein Mandat. So weit die Regeln. Früher befanden sich die Listen, in denen sich die Abgeordneten eintragen mussten, vor dem Sitzungssaal, erinnert sich Santos. „Es ist vorgekommen, dass Leute gekommen sind, unterschrieben haben und dann wieder gegangen sind, ohne einen Fuß in den Saal zu setzen.“ Deshalb liegen die Listen nun innerhalb des Saales aus.
„Wir sind eine der Abteilungen, wo immer irgendetwas los ist“, sagt Santos. Die Kontrolleurinnen des „Service Séances plénières“ sind auch an den National- und Europawahlen beteiligt. Schon vor dem eigentlichen Wahltermin prüfen sie die formale Wählbarkeit der einzelnen Abgeordneten für die Chamber. Bei der Wahl selbst sind sie für die Wahlzettel zuständig. Die kommen in Säcken beim Service ein, der zu diesem Zeitpunkt im Nationalarchiv residiert. „Wir dürfen die Umschläge nicht öffnen, aber wir haben ein paar Kriterien, die wir prüfen müssen, ob alles richtig abgelaufen ist“, erklärt Santos.
Erster Arbeitstag mit Selenskyj
Gab es eine Sitzung, an die sich die beiden Mitarbeiterinnen besonders erinnern? Santos antwortet sofort: „Während Corona. Das war wirklich anstrengend.“ Aus Platzgründen mussten die Abgeordneten damals für ihre Sitzungen ins Cercle Cité umziehen. Doch dort gab es keine elektronischen Abstimmungsmöglichkeiten, alles musste per Hand gemacht werden, erinnert sich Santos. In den Saal laufen, Stimmen zählen, Kreuzchen in der Excel-Tabelle setzen. Außerdem habe es nur einen einzigen Computer im Saal gegeben, von dem man drucken konnte. „Das war einfach Chaos pur“, so Santos. Doch die Pandemie hatte auch ihre guten Seiten. Wie viele andere Abteilungen erlebte der Service einen Digitalisierungsschub. Vor Covid lief alles über ausgedruckte Papiere. Heute ist das anders. Die Chamber hat eine „Paperless“-Resolution gestimmt. „Ganz ohne Papier läuft es aber noch nicht“, sagt Rossi. „Die Dossiers für die ,Conférence des présidents‘ sind noch auf Papier. Auch Motionen und Resolutionen wollen einige Abgeordnete lieber ausgedruckt als auf ihrem Bildschirm.“ Immerhin gebe es heute keine 60 gedruckten Exemplare mehr, sondern lediglich zwei bis drei pro Fraktion.
Rossi ist seit Juni 2022 Teil des Teams, die Corona-Pandemie hat sie nicht in der Chamber erlebt. Aber eine denkwürdige Sitzung fällt ihr dennoch sofort ein: ihre erste Sitzung überhaupt, zu der der ukrainische Präsident Selenskyj per Video zugeschaltet war. „Ich hatte Selenskyj vor mir auf dem Bildschirm, daneben den damaligen Premier Bettel. Das war eine ganz neue Umgebung für mich.“ Gibt es in ihrem Job überhaupt so etwas wie einen Alltag? An Nicht-Sitzungstagen gebe es normale Bürozeiten, aber allgemein dürfe man kein Problem mit Arbeitszeiten haben, sagt Magda Santos. „Man weiß nie, wann man hier rauskommt.“ Jetzt, in der parlamentarischen Sommerpause, kümmere sie sich um Dinge, die sonst liegen bleiben. „Seit Corona bin ich hintendran mit dem Archivieren der Sitzungen“, sagt Santos. „Aber ich bin schon bei 2022 angekommen.“ In ihrem Job brauche man Resilienz, sagt Rossi, man müsse gut mit Stress umgehen können. „Wenn etwas schiefläuft, dann laufen viele Sachen schief“, ergänzt Santos. Während der Sitzungen müsse man reaktiv sein und schnelle Lösungen finden können. Auch für die Abgeordneten, die immer wieder das Hinterzimmer der Chamber mit Fragen oder Aufträgen betreten. „Die wissen nicht immer, wer sich um was kümmert, und denken, wir seien für alles zuständig.“ Beim „Service Séances plénières“ gibt es trotzdem Lösungen statt Diskussionen. „Wir machen das dann auch. Es ist nicht unsere Aufgabe, den Abgeordneten zu erklären, wer sich um was kümmert“, sagt Santos.
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