Reportage / „Das ist einfach nur traurig“ – Geschädigte reagieren auf die Verunstaltung von 100 Gräbern in Oberkorn
Eigentlich sollte ein Friedhof ein Ort des Friedens und der Ruhe sein. Am Donnerstagmorgen glich der Friedhof in Oberkorn aber eher einem Feld der Verwüstung. Unbekannte haben rund 100 Gräber beschädigt und sich anschließend aus dem Staub gemacht. Das Tageblatt hat mit einigen der Betroffenen gesprochen und ihre Gedanken zu dem Vandalismus-Akt festgehalten.
Der Parkplatz vor dem Friedhof in Oberkorn ist fast zur Gänze belegt – doch warum dieser große Andrang am frühen Donnerstagnachmittag? – In der Nacht waren rund 100 Gräber beschädigt worden – sechs davon schwer, haben die Medien am Morgen berichtet. Sogar Statuen seien umgeworfen und zerstört worden, sagt ein Sprecher der Polizei. Nun stürmen die Menschen auf den Friedhof, in der Hoffnung, dass ihr Familiengrab von der mutwilligen Zerstörung verschont geblieben ist. Die Gemeinde Differdingen, zu der Oberkorn gehört, spricht von dem „schlimmsten Vandalismus-Akt, den die Gemeinde je hatte“. Zu diesem Zeitpunkt gebe es aber noch keine Schätzungen zum Ausmaß der materiellen Schäden, erklärt ein Sprecher der Gemeinde Differdingen auf Tageblatt-Anfrage.
Die meisten Schäden und Verunreinigungen seien bereits um die Mittagszeit vom technischen Dienst der Gemeinde behoben und gesäubert worden, berichtet Frau Lucius aus Oberkorn dem Tageblatt auf dem Friedhof. Auch sie ist gekommen, um sich ein Bild von der Zerstörung zu machen. Der Anblick des Friedhofs gegen 15 Uhr ist jedoch in keinster Weise mehr vergleichbar mit jenem vom Morgen. Hier und da sieht man zwar noch vereinzelt Überreste umgeworfener Blumenarrangements – doch der Oberkorner Friedhof gleicht wieder einigermaßen einem Ort der letzten Ruhe für Verstorbene.
So ganz erholt vom Schreck haben sich Anwesenden aber noch nicht. Frau Weis hat ihr Familiengrab in den Morgennachrichten erkannt und ist gleich zum Friedhof geeilt, um das Ausmaß der Zerstörung mit eigenen Augen zu betrachten. Das Grab habe zum Glück keine schweren Schäden davongetragen – es seien aber Blumen zerstört und die Erde verschüttet worden. Darum sei sie am Mittag noch einmal zu dem Grab zurückgekehrt, um es mit neuen Blumen zu schmücken.
Zerbrochene Muttergottes
„Ich habe noch nie gesehen, dass Menschen so auf den Friedhof gestürmt sind“, sagt Frau Lucius. „Es war ganz schlimm.“ Ihre Nachbarin habe bereits am Morgen den Friedhof besucht – und habe dabei geweint, erzählt Frau Lucius mit zitternder Stimme. Blumen und Erde seien über den ganzen Gehweg verstreut gewesen. Eine Bekannte von Frau Lucius gesellte sich zu dem Gespräch hinzu und bedauerte, dass man kein großer Kirchgänger sein müsse, doch: „Die Muttergottes, die ‚sie’ zerbrochen haben, das geht mir trotzdem nahe.“ Einige wenige Bruchstücke einer Statue sind wohl bei der Aufräumaktion der Gemeinde übersehen worden und liegen noch verstreut im alten Teil des Friedhofs.
Viele der auf dem Friedhof Anwesenden umschreiben die Täter mit einem geheimnisvollen „sie“. Wie es scheint, verdächtigen die vom Tageblatt befragten Personen Jugendliche, die sich abends am Parkplatz und auf dem Friedhof herumtreiben sollen. „Wer soll es bei ‚sou Topegkeeten’ schon gewesen sein?“, regt sich Roland Rasquin auf, der mit dem Finger ebenfalls auf die ominöse Gruppe Jugendlicher zeigt. „Vandalismus ist eine Frage der Erziehung“, so der ehemalige Polizist vielsagend. Konkrete Beweise gibt es jedoch keine.
In einer Pressemitteilung schreibt die Kommune: „Einen Friedhof zu verunstalten, einen Ort, der das Andenken an die Toten ehrt, ist ein Akt der schlimmsten Sorte.“ Sowohl der alte als auch der neue Teil des Friedhofs ist von den Verwüstungen betroffen. Auch Nadia Perotto ist ein Opfer des Vandalismus. Über eine halbe Stunde hat sie mühsam das Grab ihrer Familie putzen müssen. Erst am Montag habe sie neue Blumen auf das Grab gestellt – diese sind jetzt kaputt. Nicht einmal bei den Toten könnten „sie“ sich zurückhalten, klagt Frau Perotto – auch sie verdächtigt die Gruppe von Jugendlichen.
Frust und Wut
Alles in allem ist die Atmosphäre auf dem Friedhof anders als zuvor vom Tageblatt erwartet. Die Menschen haben am Mittag nicht den Eindruck vermittelt, als würden sie trauern – sie waren eher wütend und frustriert. Respekt, „den gibt es heute nicht mehr“, bedauert Frau Lucius und schaut dabei zu Boden. Die Differdinger Gemeinde bezeichnet den Vandalismus in ihrer Pressemitteilung als „Handlungen unsäglicher Dummheit“. Die Betroffenen müssten nicht nur ihre Gräber reinigen und Blumen ersetzen: „Das ist alles mit Unkosten verbunden“, meint Albertine Wagner aus Oberkorn. Frau Wagner hat vor kurzem ihren Mann verloren und zu ihrem Glück ist das Grab von den Zerstörungen verschont geblieben.
Albertine Wagner glaubt nicht, dass die Täter geschnappt werden. „Damals ist es auch nicht aufgedeckt worden“, gibt sich die Witwe resigniert. Denn wie sich herausstellt, ist dieser Vandalismus-Akt kein Einzelfall. Bereits zuvor seien Gräber in Oberkorn zerstört worden – und allem Anschein nach sind die Vandalen dieses Mal „umsichtiger“ gewesen als beim letzten Mal, als sogar ganze Grabsteine umgeschmissen wurden. Aus diesem Grund meint Albertine Wagner auch: „Dieses Mal hatten wir noch Glück.“ Zerstörte und umgeworfene Grabsteine seien wesentlich teurer als verschüttete Blumenarrangements. Die umgeworfenen Grabsteine „haben damals auch noch die dahinterliegenden Gräber kaputtgemacht“, erinnert sich Frau Lucius. Sie resümiert die ganze Situation knapp, aber doch zutreffend: „Das ist einfach nur traurig.“
„Es wäre gut, wenn die Gemeinde hier überall Kameras aufhängen würde“, sagt Frau Lucius bestimmend. Und tatsächlich – kurz danach betreten zwei Männer den Friedhof, steigen mit einer Leiter in das Geäst eines Baums und befestigen dort ein Gerät. Ob das nun zukünftige Zerstörungen verhindern wird, bleibt abzuwarten.
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Diese Gräberschändung ist die traurige Folge eines explosiven Gemischs bestehend aus Dummheit, Frechheit, Aggressivität und Wut auf wen oder was auch immer. Die Täter , falls sie hoffentlich ausfindig gemacht werden, müssen gnadenlos bestraft werden.
@de Prolet: Spiegelbild unserer Zeit , wo trotz Jubelreden auf die Toleranz, die Freiheiten aller Menschen der Respekt und Anstand wohl zu Fremdwörter verkommen sind.
@CoWa Vet./ Genau so ist es und jeden Tag überall zu erleben. Anstand und Respekt = tempi passati. Leider.
Dieses Jahr haben die Taeter sich am Datum geirrt , in den vergangenen Jahren kamen solche Faelle immer in den Tagen vor Allerheiligen auf den oertlichen Friedhoefen vor .
Darum eruebrigt es sich Dekorationen zum Andenken der Verstorbenen aufzustellen da der Respekt vor dem Eigentum in Friedhoefen wegen fehlender Ueberwachung , gen Null tendiert .