Sébastien Thill / „Das Jahr in Rostock hat mir viel gebracht“
Vergangene Woche wechselte Sébastien Thill von Hansa Rostock zu Stal Rzeszow. Vor den Länderspielen gegen Island (Freitag) und Portugal (Montag) erklärt der 29-Jährige, warum ihn trotz weniger Einsätze das Jahr in Ostdeutschland bereichert hat und was ihn in seiner neuen fußballerischen Heimat erwartet.
Tageblatt: Fast in letzter Sekunde haben Sie einen Vertrag beim polnischen Zweitligisten Stal Rzeszow unterschrieben. War es die beste oder die einzige Lösung?
Sébastien Thill: Ich habe lange gewartet und mit vielen Vereinen Kontakt gehabt. Kurz vor Transferschluss war Stal dann die beste Option für mich. Ich hatte noch zwei andere Angebote, die mich aber weniger interessiert haben. Mit den Verantwortlichen aus Rzeszow hatte ich gute Gespräche und sie haben mir ein tolles Projekt präsentiert. Die Mannschaft besteht aus vielen jungen Spielern, die ich mit meiner Erfahrung leiten soll. Das hat einfach gepasst.
Am Sonntag debütierten Sie bereits für Ihren neuen Arbeitgeber. Wie sind die ersten Eindrücke?
Ich war ehrlich gesagt positiv überrascht. Vom Niveau, aber auch vom Stadion, der Arbeitsweise und den Trainingsanlagen. Das war ein erster guter Eindruck. Leider hatte ich nicht viel Zeit, meine neue Stadt kennenzulernen. Ich habe nur ein Training und ein Spiel gemacht und heute (Montag) fliege ich schon wieder zurück nach Luxemburg ins Trainingslager der Nationalmannschaft. Nach den Länderspielen habe ich noch genügend Zeit, mein Umfeld kennenzulernen.
Mit welchen Gefühlen blicken auf Sie auf das Jahr bei Hansa Rostock zurück?
Es waren schöne und etwas weniger gute Momente dabei. Ich hatte einen guten Start, dann habe ich einen Fehler gemacht und war danach quasi abgeschrieben. Für mich war es trotzdem kein verlorenes Jahr. Ich habe mich körperlich und mental weiterentwickelt. Das Jahr in Rostock hat mir für meine Zukunft viel gebracht.
Warum hat es nicht geklappt?
Die zweite Bundesliga ist eine schwierige und physische Liga. Zudem ist Rostock eine Mannschaft, die nicht den schönsten Fußball spielt. Das hat mir nicht unbedingt in die Karten gespielt. Mein Nationalmannschaftskollege Danel Sinani erlebt das auch gerade. Beim FC St. Pauli hat er derzeit auch noch nicht so viele Minuten bekommen. In der zweiten Bundesliga werden oft Spieler bevorzugt, die schnell laufen und aggressiv in die Duelle gehen. Danel ist zwar körperlich robust, ist aber auch ein Spieler, der gerne den Ball am Fuß hat. Trotzdem überrascht es mich, dass er den Sprung zum Stammspieler noch nicht geschafft hat, da St. Pauli durchaus gepflegten Fußball spielt.
Unter anderem Nationaltrainer Luc Holtz sagte voraus, dass der deutsche Fußball nicht zu Ihrem Profil passt. Geben Sie ihm im Nachhinein recht?
Ich stehe im regelmäßigen Austausch mit ihm und bitte ihn auch um seinen Rat, wenn es um die Wahl meines Vereins geht. Im Nachhinein hatte er mit seiner Einschätzung recht. Aber: Wenn man die Chance bekommt, in die zweite Bundesliga zu wechseln und für einen Traditionsverein wie Hansa Rostock aufzulaufen, dann sollte man diese auch beim Schopf packen. Als Fußballer vergisst man Auswärtsspiele gegen St. Pauli oder den 1. FC Kaiserslautern nicht so schnell.
Sie wurden für Ihr 50-Meter-Traumtor im Regionalliga-Spiel gegen Energie Cottbus für das Tor des Monats der Sportschau nominiert. Was bedeutet Ihnen das?
Bei der U23 war ich zunächst einmal froh, dass ich so gut aufgenommen wurde und ich ihnen helfen konnte. Ich habe in fünf Spielen ein Tor geschossen und zwei Vorlagen geliefert und meinen Teil beigetragen. Es war mir wichtig, dem Verein zu zeigen, was ich kann, und dass es ein Fehler war, mir so wenig Spielzeit zu geben. Ich würde sagen, dass man sich mit einem solchen Tor von einem Verein verabschieden kann.
In Rzeszow soll nun ein neues Kapitel Ihrer Karriere aufgeschlagen werden. Welche Ziele verfolgt der Verein?
Vergangene Saison hatte der Verein die Ambition, um den Aufstieg in die erste Liga mitzuspielen. Viele erfahrene Akteure haben jedoch den Klub verlassen und jetzt soll etwas Neues aufgebaut werden. Am vergangenen Wochenende zählten zum Beispiel zwei 17-Jährige zu den Torschützen. Momentan lautet das erste Ziel, aus dem Tabellenkeller rauszukommen und dann eine Mannschaft für die Zukunft aufzubauen.
Ist es ein kleiner Schock, wenn man von der zweiten deutschen Bundesliga in die zweite polnische Liga wechselt?
Hier spiele ich nicht vor 50.000 Zuschauern, aber ab und zu kommen bis zu 30.000 Menschen zu den Spielen. Es ist ein athletischer Fußball und geht schnell hin und her. Im Vergleich zu Moldawien ist die zweite polnische Liga deutlich besser.
Gab es auch die Überlegung, nach Luxemburg zurückzukehren?
Ich habe mir zwar angehört, was einige Vereine mir anbieten wollten, aber eigentlich war eine Rückkehr nie ein Thema. Es ist kein Geheimnis, dass ich dem Progrès Niederkorn noch immer sehr nahestehe. Ich telefoniere mindestens einmal im Monat mit Präsident Thomas Gilgemann. Für mich war aber von vornherein klar, dass ich meine Karriere im Ausland fortsetzen würde.
Gegen Island und Portugal stehen am Freitag und Montag zwei EM-Qualifikationsspiele an. Mit welchem Gefühl reisen Sie, nach dem ganzen Drumherum der vergangenen Monate um Ihre Brüder, zur Nationalmannschaft?
Ich habe mit Luc Holtz über dieses Thema gesprochen und ihm versichert, dass mich dies nicht beeinträchtigen wird. Meine Brüder und der Trainer sind erwachsene Menschen. Außerdem kann ich das auch nicht beeinflussen. Ich spiele gerne für Luxemburg und deshalb bin ich auch gerne dabei.
Welche Ziele habt ihr euch für die beiden Duelle gesteckt?
Gegen Island brauchen wir uns nicht zu verstecken und müssen die drei Punkte ins Visier nehmen. Portugal ist uns haushoch überlegen, aber an einem guten Tag können wir sie ärgern.
Steckbrief
Name: Sébastien Thill
Geboren am 29.12.1993
Position: zentraler Mittelfeldspieler
Bisherige Vereine: Niederkorn, CS Petingen, Niederkorn, Tambow (RUS), Sheriff Tiraspol (MOL), Hansa Rostock (D), Stal Rzeszow (POL/seit 1.9.2023)
Leistungsdaten 2022/23: 10 Spiele in der zweiten Bundesliga, fünf Spiele in der Regionalliga Nordost (1 Tor, zwei Vorlagen)
Borges 69.031-mal gekauft
Luxemburgs Nationalspieler Yvandro Borges zählt zu den am häufigsten ausgewählten Spielern im beliebten Kicker-Managerspiel. Der Stürmer von Borussia Mönchengladbach wurde bei der Interactive-Version 69.031-mal gekauft und war damit die Nummer eins unter den Spielern mit einem Minimal-Marktwert (bis 0,5 Millionen). (del)
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