/ Das Langzeitprojekt: Das versteckt sich hinter der neuen Philosophie des luxemburgischen Sports
Wie fast überall auf der Welt ist auch in Luxemburg der Bewegungsmangel ein gesellschaftliches Problem. Der Staat und die Sportbewegung wollen dagegen vorgehen. Hierfür wird auf das Konzept des „Long Term Athlete Development“ zurückgegriffen. In Kanada hat es sich bewährt. Es handelt sich allerdings um ein Langzeitprojekt.
Lesen Sie zu diesem Thema auch den Kommentar von Chris Schleimer
„LTAD, Lëtzebuerg lieft Sport“: Unter diesem Slogan soll sich das ganzheitliche Sportkonzept des Großherzogtums resümieren. Es ist äußerst umfangreich und klingt im ersten Moment nicht wirklich greifbar. Ziel des „Long Term Athlete Development“, kurz LTAD, ist es, den Spitzensport voranzutreiben und gleichzeitig eine sportlich aktivere Gesellschaft herbeizuführen.
Es ist keine neue Idee: Bereits 2008 fand in der Coque eine Konferenz zum Thema LTAD statt. In den darauffolgenden Jahren kam es immer wieder zur Sprache, zum Beispiel 2014 als das Nationale Olympische Komitee das integrierte Sportkonzept vorstellte.
Jetzt geht es um die konkrete Umsetzung. Sowohl physische als auch psychische Aspekte werden beim LTAD-Konzept berücksichtigt. Auf das Allerwesentlichste zusammengefasst kann man sagen: Mit einer guten motorischen Ausbildung und der nötigen Motivation ist die Lust am Sporttreiben größer, was wiederum die Leistungen verbessert. Niemand verlangt im ersten Schuljahr von einem Kind, eine Gleichung mit zwei Unbekannten zu lösen oder Goethes „Faust“ zu lesen. Es würde die Schüler überfordern und entmutigen. Das Gleiche gilt für den Sport. Training ist dann am effizientesten, wenn die Übungen dem Alter der Sportler angepasst sind.
LTAD als Mittel gegen Drop-outs
Davon ist Carolyn Trono überzeugt. Die ehemalige kanadische Ruderin, die 1984 an den Olympischen Spielen in Los Angeles teilnahm, ist in Kanada zuständig für die Umsetzung des LTAD. Luxemburg hat sich wie bei der Cannabis-Legalisierung am kanadischen Modell inspiriert.
Trono hilft Sportverbänden bei der Umsetzung des LTAD-Konzepts. „Einige Verbände haben die Philosophie bereits richtig gut verinnerlicht“, berichtet die ehemalige Ruderin. Als Beispiel nennt sie unter anderem den kanadischen Baseballverband. Hier wird in der Jugend nicht mehr nur nach Alterskategorien trainiert und gespielt, sondern nach Leistungsniveau.
„Kinder und Jugendliche entwickeln sich sehr unterschiedlich. Aus dem Grund ist die Einteilung in Alterskategorien nicht immer sinnvoll“, so Trono. Viele Nachwuchssportler sind bereits ausgebrannt, bevor ihre Karriere so richtig startet, oder verlieren einfach die Lust am Sport, weil sie überfordert sind, und hören auf. Das LTAD-Konzept soll die Drop-outs verringern.
Ob das gelingt, lässt sich momentan noch nicht mit Zahlen belegen. Allerdings sieht Trono einige Entwicklungen im kanadischen Sport, die darauf schließen lassen, dass das Konzept greift. Der kanadische Basketballverband hat recht früh damit angefangen, seine Jugendarbeit nach dem LTAD-Konzept auszurichten. Seit vier Jahren stellt Kanada, das nicht unbedingt als Basketball-Großmacht bekannt ist, die meisten ausländischen Spieler in der NBA.
Unterschiedliche Anforderungsprofile
Es gibt in Kanada aber noch einige Sportverbände, die sich mit der Umsetzung von LTAD schwertun, was nicht unbedingt an mangelnder Bereitschaft, sondern eher an mangelnden Ressourcen liege, so Trono. Die Umsetzung des Konzeptes ist nicht ganz einfach. Das „Long Term Athlete Development“ ist kein fertiges Konzept, das einfach angewandt werden kann. Sportarten haben unterschiedliche Anforderungsprofile und so muss jeder Verband sehen, wie er das Rahmenkonzept in seiner Sportart umsetzen kann.
Charles Stelmes, Direktor der „Ecole nationale de l’éducation physique et des sports“ (Eneps), spricht deshalb beim „Long Term Athlete Development“ von einer Philosophie für den luxemburgischen Sport. „Wir wollen sowohl den Spitzensport fördern als auch dafür sorgen, dass die Menschen so lange wie möglich sportlich aktiv sind. Hierfür bietet das LTAD die Rahmenbedingungen.“ Die Eneps hat das LTAD-Konzept für Luxemburg gemeinsam mit dem Nationalen Olympischen Komitee, dem „Luxembourg Institute for High Performance in Sports“ (LIHPS), dem „Sportlycée“ und den einzelnen Verbänden ausgearbeitet.
Entwicklung der motorischen Grundlagen
Seit nunmehr zwei Jahren besteht eine Arbeitsgruppe, die sich als Ziel gesetzt hat, die LTAD-Philosophie in Luxemburg umzusetzen. Sechs Monate hat es in Anspruch genommen, die Eckpfeiler für das luxemburgische Konzept zu definieren. 22 Schlüsselfaktoren wurden ausgemacht. Die reichen von der Entwicklung der motorischen Grundlagen über optimale Trainingsbedingungen bis hin zu psychologischen Faktoren.
Bei einem Symposium Mitte Oktober in der Coque wurde den Verbänden das Konzept näher erläutert und Tipps gegeben, wie sie das LTAD-Konzept in ihrer Sportart umsetzen können. Experten raten in vielen Sportarten erst zu einer späten Spezialisierung. Kinder und Jugendliche sollen eine breite sportliche Ausbildung genießen. Das kommt sowohl denen zugute, die es in den Hochleistungsbereich schaffen, wie auch denen, die nach einigen Jahren keine Lust mehr auf eine bestimmte Sportart haben. Mit einer diversifizierten Ausbildung finden sie eher Gefallen an einer anderen Sportart, als wenn sie nur eine bestimmte Disziplin beherrschen.
Belgisches Fußballteam als Beispiel
Das bedeutet allerdings auch, dass Verbände im Jugendbereich nicht mehr so sehr auf Resultate hinarbeiten sollten. „Man muss wissen, was man will. Gute Ergebnisse in den Jugendkategorien oder bei der Elite?“, sagt Stelmes. Er belegt seine Aussage mit einem Beispiel aus dem belgischen Fußball. Dort hat man sich vor Jahren ebenfalls für ein LTAD-Konzept entscheiden. Man hat großen Wert auf die individuelle Entwicklung der Jugendspieler gelegt.
Das Resultat sieht man heute: Die belgische Fußballnationalmannschaft gehört zu den stärksten der Welt. „Es gibt auch Trainer, die im Jugendbereich eher Wert auf die taktische Ausbildung als auf die individuelle Entwicklung legen. So kann man im Jugendbereich durchaus gute Ergebnisse erzielen. Allerdings ist diese Vorgehensweise nicht sehr nachhaltig“, so Stelmes.
Nachdem die Rahmenbedingungen nun definiert sind, beginnt für die Initiatoren des LTAD-Konzeptes die nächste Phase. „Wir werden nun versuchen, LTAD in Luxemburg bekannter zu machen und die Verbände mit didaktischem Material zu versorgen“, erklärt Stelmes. Es ist ein ambitiöses und langwieriges Projekt. Bis Resultate zu erwarten sind, werden noch Jahre vergehen. Bis dahin lohnt es sich, die Entwicklung in Kanada zu verfolgen.
Der Strippenzieher: Eneps-Direktor Charles Stelmes
Seit 2017 ist Charles Stelmes Direktor der „Ecole nationale d’éducation physique et des sports“ (Eneps). Der ehemalige Judoka hat das Amt von Camille Dahm übernommen. Seine Motivation hierfür fand er im Verlauf seiner eigenen sportlichen Karriere. Stelmes, Jahrgang 79, schloss sich im Alter von sechs Jahren dem Judo-Klub in Befort an. Von 1995 bis 2007 war er Mitglied der luxemburgischen Nationalmannschaft und nahm drei Mal an den Spielen der kleinen europäischen Staaten teil. Zweimal gewann er hier die Silbermedaille. Dennoch, sagt er, habe er seine eigenen sportlichen Ziele nicht erreicht.
Dies wurde ihm klar, als er in Straßburg am „Pôle France Judo“, einem Stützpunkt für Hochleistungssportler, trainierte. Nach seinem Sportstudium in Straßburg fokussierte sich Stelmes zwei Jahre ausschließlich auf seine Sportart. „Ich wollte sehen, wie weit ich kommen würde, doch egal wie hart ich trainierte, ich entwickelte mich nicht mehr weiter.“ Den Grund sah er in seiner Ausbildung als Nachwuchssportler. „Damals waren die Trainingsstrukturen in Luxemburg weniger ausgereift als heute.“
Da ihm die Basis aus jungen Jahren fehlte, konnte er als Hochleistungssportler nicht sein ganzes Potenzial ausschöpfen. Damit andere Sportler nicht die gleiche Erfahrung machen müssen, wollte er etwas ändern. Nachdem Stelmes sein „Stage“ als Sportlehrer im Escher „Jongelycée“ und im „Lycée technique“ der Minettemetropole absolviert hatte, kam er über das Gymnasium in Bonneweg ins „Sportlycée“, wo er ab 2008 Sport unterrichtete. Gleichzeitig engagierte sich Stelmes im Kampfsportverband FLAM, wo er von 2008 bis 2017 Generalsekretär war. Er war die treibende Kraft hinter dem Interreg-Programm, das den luxemburgischen Judokas die Möglichkeit gab, sich regelmäßig mit Athleten in der Großregion zu messen und zu trainieren. Der 40-Jährige hat den Kimono mittlerweile gegen ein Mountainbike eingetauscht. In seiner Freizeit ist er regelmäßig mit dem Rad unterwegs, ob allein oder mit Kollegen.
Seit etwas mehr als zwei Jahren leitet der zweifache Familienvater nun die Eneps. „Charel ist ein guter Mann für diesen Job. Als ich von seiner Nominierung erfahren habe, konnte ich beruhigt meine Rente antreten“, sagte sein Vorgänger Camille Dahm vor zwei Jahren. Stelmes ist somit für die Trainerausbildung zuständig. Es ist nun vor allem eine konzeptuelle Arbeit, die Stelmes leistet. Er gestaltet die luxemburgische Sportphilosophie mit und die Trainer sind die Überbringer der Ausbildungsphilosophie. Er ist sozusagen der Strippenzieher im Hintergrund. So kann Stelmes einen wesentlichen Teil dazu beitragen, dass die kommenden Generationen ihr volles Potenzial entfalten können und im Nachhinein nicht zur gleichen Schlussfolgerung kommen wie der ehemalige Judoka.
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Dann sollten wir anfangen die Sports Proffessoren nicht nur im Lyzeum sonder auch in den unteren Klassen zu integrieren zwichen 6-10 Jahren das wäre mal der 1 Schritt um zu sehen wo die Probleme überhaupt liegen
Aber da spielen wir Don Quichote gegen Windmühlen