Geschichte / Das nationale Bergarbeiterdenkmal: Ein Zeugnis von Mut und Opfer
Das nationale Bergarbeiterdenkmal in Kayl zählt zu den bedeutendsten Gedenkorten Luxemburgs. Es ehrt die Opfer des Bergbaus und würdigt die Arbeit der Bergleute, die einst die Grundlage für den Wohlstand des Landes schufen. Die Entstehungsgeschichte des Mahnmals ist geprägt von ehrgeizigen Ideen, herben Rückschlägen und dem entschlossenen Einsatz einiger engagierter Personen, das Erbe der Bergleute zu bewahren.
Die Idee, ein Denkmal für verunglückte Bergleute zu schaffen, geht ursprünglich auf den Geistlichen Joseph Dupong zurück. Dupong war von 1932 bis 1957 Pfarrer der Gemeinde Kayl und betätigte sich neben seiner kirchlichen Arbeit auch als Chronist und Lokalhistoriker. Bereits in den 1930er Jahren schlug er vor, eine Gedenkstätte zur Ehrung von im Bergbau verunglückter Arbeiter zu errichten. Diese Initiative war damals außergewöhnlich, weil in Luxemburg insgesamt nur wenig Denkmäler existierten.
Mit Unterstützung der Gemeindevertreter und der lokalen Bergarbeiterverbände wurde 1938 ein erstes „Komitee zum Bau eines Bergarbeiterdenkmals“ ins Leben gerufen. Neben Dupong selbst gehörten ihm der Grubenbeamte Emile Gelhausen, Kayls Bürgermeister Michel Junkel sowie mehrere Bergleute an. Gemeinsam oblag ihnen die Verantwortung für die Verwirklichung der Gedenkstätte.
Die erste Konzipierung des Monumentes sah vor, dass das Denkmal aus vier Hauptelementen bestehen sollte: einem 15 bis 20 Meter hohem Kreuz mit einer Bergmannsstatue; einer Kapelle mit einem symbolischen Grab und Fresken, die Szenen aus dem Leben eines Bergmannes abbilden; einem Ehrenhof, in dem die Namen verunglückter Arbeiter dargestellt werden; einem Stollen, der als eine Art Museum fungiert.
Als Standort wählte das Komitee ein Gelände am Sperreweg, in der Nähe der bekannten Pilgerstätte der „Léiffrächen“. Hierbei handelte es sich um jenes Stück Land, auf dem sich einst die erste Mine befand, der die Gemeinde im 19. Jahrhundert das Recht zur Erzgewinnung verliehen hatte. Ein Problem war jedoch, dass das Grundstück bereits an die Arbed verpachtet war. Im April 1940 konnte sich die Gemeinde schließlich mit dem Unternehmen auf einen Geländetausch einigen.
Zur Finanzierung des Denkmals hatte das Komitee eine Lotterie organisiert. 30.000 Lose wurden gedruckt und standen danach für 10 Franken das Stück zum Verkauf. Am 1. April 1940 fand die Auslosung der Lotterie statt und das Komitee stellte fest, dass man einen beachtlichen Gewinn erzielt hatte. Doch die Freude währte nur kurz. Nach der Besetzung Luxemburgs durch die deutsche Wehrmacht im Mai 1940 wurde das Komitee aufgelöst und die Gelder wurden beschlagnahmt. Das Projekt um das Denkmal wurde auf unbestimmte Zeit vertagt.
Der zweite (geglückte) Anlauf
Erst 1946 wurde die Initiative wieder aufgenommen. Es kam zum zweiten Mal zur Gründung eines „Komitees zum Bau eines Bergarbeiterdenkmals“. Neben Joseph Dupong spielte der Grubenbeamte Emile Gelhausen erneut eine zentrale Rolle im Komitee. Gelhausen organisierte die Rückerstattung der Lotteriegelder und sammelte mithilfe anderer Vorstandsmitglieder Informationen über die im Großherzogtum verstorbenen Bergleute, die er akribisch in ein Register eintrug.
Die rückerstatteten Lotteriegewinne reichten alleine jedoch nicht zur Finanzierung des Denkmals aus. Daher wurde eine zusätzliche Spendenaktion ins Leben gerufen, an der sich Bürger, Unternehmen, Gemeinden und der Staat beteiligten. Bis 1954 kamen auf diese Weise über eine Million Franken zusammen.
Für die Neugestaltung des Denkmals wurden die Architekten Léon Loschetter und Pierre Reuter beauftragt. Ihr Entwurf behielt einige Elemente der ursprünglichen Konzeption bei, brachte jedoch auch neue Ideen ein. Anstelle des Kreuzes mit Bergmannsstatue zeichneten sie Pläne für einen zweiteiligen Glockenturm. Die Idee eines symbolischen Bergmannsgrabes griffen sie auf, entschieden sich jedoch, auf eine Kapelle zu verzichten. Auch das Konzept eines Ehrenhofes zur Ausstellung der Namen der Verstorbenen wurde vom Architektenduo übernommen. Als letztes Element entwickelten sie die Idee einer Freitreppe, die von Steinreliefs gesäumt zum Ehrenhof hinaufführen sollte.
Am 26. Juli 1953, während der Feierlichkeiten zum 200-jährigen Jubiläum des Pilgerortes der „Léiffrächen“, erfolgte die Grundsteinlegung des Denkmals. Die Bauarbeiten an der Gedenkstätte zogen sich etwas über vier Jahre hin. Die Einweihungszeremonie des Denkmals fand schließlich am 8. September 1957 statt und zog mehrere tausend Menschen an. Nach der Einweihung bestand die letzte offizielle Handlung des Komitees in der Übergabe der Anlage an die Gemeinde.
Das Denkmal heute
Das fertige Denkmal weicht bis heute nur geringfügig von der Konzeption der beiden Architekten ab. Im Turm, der aus vier sich verjüngenden Greyträgern besteht, hängt eine bronzene Glocke. Sie wiegt etwa 300 kg und ist mit Darstellungen der heiligen Barbara und der „Léiffrächen“ verziert. Bis heute besitzt sie keinen Schlägel, da Bedenken bestehen, dass der Turm den Schwingungen einer läutenden Glocke nicht standhalten könne.
Am Fuß der Freitreppe befinden sich vier Steinreliefs, die vom Kayler Bildhauer Georges Klein geschaffen wurden und Bergarbeiter bei ihrer Arbeit darstellen. Das Herzstück der Anlage bildet jedoch der Ehrenhof, in dem 26 Schiefertafeln in einem Halbkreis angeordnet sind. Zwanzig von ihnen tragen die Namen von etwa 1.500 Bergarbeitern, die durch Arbeitsunfälle, die sich im Großherzogtum ereigneten, ihr Leben verloren haben. Im Zentrum des Ehrenhofes befindet sich auch das symbolische Grab eines Bergmannes. Über dem Grab hängt eine Ziertafel, die einen Bergarbeiter zeigt, der gerade im Begriff ist, mit seiner Spitzhacke auszuholen.
1978 setzte sich der Kayler Bürgermeister Jules Kauffmann dafür ein, dass das Monument den Status eines nationalen Monumentes erhalten sollte. Am 14. März 1978 erklärte der Minister für kulturelle Angelegenheiten, Robert Krieps, dass das Denkmal fortan den Beinamen „national“ tragen dürfe. In der Gießerei der Kayler „Usine Massard“ fertigte man daraufhin eine Bronzetafel mit der Inschrift „Monument national des mineurs“ an. Sie schmückt auch heute noch das Denkmal. Das Kulturministerium unterstützte die Gemeinde ebenfalls mit einer finanziellen Beihilfe in Höhe von 100.000 Franken für Instandhaltungsarbeiten an der Anlage. Die Mittel flossen in die Restaurierung des Turms, den Ausbau der Terrassen und die Ausbesserung einiger Gravuren.
Am 21. Juni 2017 wurden sowohl das Bergarbeiterdenkmal als auch die „Léiffrächen“-Grotte vom „Institut national pour le patrimoine architectural“ als nationales Kulturerbe eingestuft. Beide Objekte genießen seitdem nationalen Schutz. 2021 wurden erneut umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchgeführt, um den Erhalt des Denkmals für künftige Generationen zu sichern.
Das Bergarbeiterdenkmal zieht weiterhin jedes Jahr zahlreiche Touristen, Wanderer und Geschichtsbegeisterte an. Alle zwei Jahre findet in Kayl die „Journée internationale des mineurs“ statt.
Seit dem 4. Dezember 2024 widmet sich eine neue Webseite des Luxembourg Centre for Contemporary and Digital History (C2DH) dem Thema rund um das nationale Bergarbeiterdenkmal. Diese Plattform wurde in Zusammenarbeit mit der „Inspection du travail et des mines“ entwickelt und mit Unterstützung des „Ministère du travail“ sowie der Gemeinde Kayl/Tetingen realisiert.
Auf der Webseite finden Besucher ein Video, das die faszinierende Geschichte des Bergarbeiterdenkmals und der „Léiffrächen“ erzählt. Darüber hinaus bietet die Seite zwei umfassende Artikel: Der erste behandelt die Entstehungsgeschichte des Denkmals und gibt Einblicke in die Planung, Finanzierung und den Bau des Monuments. Der zweite analysiert einige statistische Erkenntnisse, die sich aus den Inschriften des Denkmals ableiten lassen.
Ein besonderes Highlight der Webseite sind die Digitalisierungen der Steintafeln und des zugehörigen Registers. Beide Quellen wurden hochauflösend abfotografiert und vollständig transkribiert. Besucher haben die Möglichkeit, die Transkripte gezielt nach Informationen zu durchsuchen und die Originalquellen in ihrer Gesamtheit einzusehen. Das Register bietet dabei häufig zusätzliche Details, die über die auf den Steintafeln enthaltenen Informationen hinausgehen.
Weitere Informationen findet man unter mininghistory.uni.lu.
* Sam Klein ist Postdoc-Forscher am C2DH und forscht gerade im Rahmen eines vom Arbeitsministerium finanzierten Projekts zur mehr als 150-jährigen Geschichte der „Inspection du travail et des mines“ (ITM).
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