Verteidigung / Das passierte am ersten Tag des NATO-Gipfels in Washington
Beim NATO-Gipfel in Washington läuft informell auch der amerikanische Wahlkampf mit. Für US-Präsident Joe Biden ist das Treffen eine willkommene Bühne, auf der Herausforderer Donald Trump gerne wäre.
Der eine ist da, der andere wäre gerne da. Der eine heißt Joe Biden und hat ein Amt: US-Präsident. Der andere heißt Donald Trump und hätte gern ein Amt: US-Präsident. Wenn die Staats- und Regierungschefs der 32 NATO-Staaten in diesen Tagen während ihres Gipfels in Washington über die Weltlage und die Abschlusserklärungen beraten, läuft der US-Wahlkampf um den wahrscheinlich immer noch mächtigsten Posten der Welt mehr oder minder offen mit. Das erste TV-Duell zwischen Biden und Trump verlief für den Amtsinhaber desaströs. Und so zieht Biden als Gastgeber jede Aufmerksamkeit auf sich, egal, wann und wo und mit wem er bei diesem NATO-Jubiläumsgipfel zum 75. Geburtstag der Allianz auftritt. Die bange Frage seiner Leute und des interessierten Publikums: Stolpert er, verhaspelt er sich, hat er wieder – wie vor Millionenpublikum im Fernsehduell – Aussetzer? Gipfeltage sind lang – erst recht für einen Mann von 81 Jahren wie Biden.
Am Abend zum Festakt absolviert Biden dann seinen ersten öffentlichen Auftritt während der drei Gipfel-Tage im schwül-heißen Washington D.C. bei Außentemperaturen von 36 Grad mit hoher Luftfeuchtigkeit. Mit Trump beschäftigen sich die NATO-Staats- und Regierungschefs nicht, jedenfalls nicht offiziell. Aber sie müssen mit ihm rechnen. Sollte der US-Republikaner mit der Wahl im November tatsächlich den Auftrag für eine zweite Amtszeit bekommen, könnte dies in der Folge auch die NATO durchrütteln. Und für die Ukraine, die bei diesem Gipfel eine Zusage für langfristige Unterstützung erwarten kann, hätte ein Präsident Trump womöglich verheerende Auswirkungen. Der ewig polternde US-Republikaner hatte doch gesagt, er sei in der Lage, „binnen 24 Stunden“ den Krieg zu beenden, vermutlich mit für die Ukraine bitteren Zugeständnissen an Russlands Präsident Wladimir Putin.
Womöglich werden die NATO-Staaten künftig noch mehr als zwei Prozent der nationalen Wirtschaftsleistung für Verteidigung ausgeben. In den USA läuft schon eine Debatte, ob es nicht besser drei Prozent oder noch mehr sein sollen. Trump hatte 2018 als US-Präsident beim NATO-Gipfel in Brüssel gesagt, vielleicht müssten es drei Prozent, womöglich auch vier Prozent sein. Die Europäer waren konsterniert. Der deutsche Verteidigungsminister Boris Pistorius sagt: „Über kurz oder lang, das lässt sich schwer sagen, werden wir mit zwei Prozent nicht auskommen, aber wir müssen uns dann politisch ehrlich machen und diskutieren, ob uns Sicherheit das wert ist.“ Aber kein Vertun: Europa werde künftig mehr als bislang für seine Sicherheit tun müssen.
Dann hat Biden beim Festakt der NATO zu ihrer Gründung vor 75 Jahren die große Bühne, auf der Trump gerne wäre. Vor dem US-Präsidenten hat NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg gesprochen und mit Blick auf die Verbündeten gesagt: „Es ist gut, Freunde zu haben.“ Dann tritt Biden hinter das Mikrofon, seine Frau Jill wirft ihm noch einen Blick zu, der sagen könnte: „So, jetzt Du!“ Vor Biden stehen zwei Teleprompter, nichts soll dem Zufall überlassen bleiben. Der US-Präsident liest seine Rede komplett ab, selbst der Dank an Stoltenberg für zehn Jahre an der Spitze der Allianz kommt nicht freihändig, sondern streng nach Redemanuskript. Dieses Mal schafft es der US-Präsident ohne Versprecher. Doch die Zweifel an Biden, diesen Wahlkampf gegen Trump zu gewinnen, bleiben. Weitere Demokraten melden sich am Tag der NATO-Jubiläumsfeier zu Wort und fordern Biden zum Rückzug auf. Ihnen ist angst und bange, Trump könnte mit einem „Erdrutschsieg“ ins Weiße Haus einziehen und dabei die Mehrheit im Senat wie im Repräsentantenhaus übernehmen. Biden schweigt dazu. Er hat drei Tage die NATO-Bühne. Wie war das gleich nochmal? „Es ist gut, Freunde zu haben.“
Ukraine auf dem Weg ins Bündnis?
Die NATO-Länder haben sich bei ihrem Gipfel in Washington auf eine stärkere Formulierung zu einem möglichen NATO-Beitritt der Ukraine geeinigt. Nach Diplomatenangaben vom Mittwoch sehen die Verbündeten die Ukraine nun auf einem „unumkehrbaren Weg zur vollständigen Euro-Atlantischen Integration, einschließlich der NATO-Mitgliedschaft“. Der finnische Präsident Alexander Stubb begrüßte die Einigung auf den neuen Text, für den vor allem die Osteuropäer im Bündnis geworben hatten. Eine von der Ukraine erhoffte Beitrittseinladung wird es auch in Washington nicht geben. Als Hauptgrund gilt die Furcht der USA und Deutschlands vor einer Konfrontation mit Russland. Die geplanten Gipfelbeschlüsse zugunsten von Kiew seien „eine Brücke zur Mitgliedschaft der Ukraine“, heißt es in dem neuen Text weiter. Diese Formulierung hatten die USA vorgeschlagen. US-Präsident Joe Biden kündigte außerdem ein zusätzliches Patriot-Luftabwehrsystem für die Ukraine an und verwies auf insgesamt fünf Systeme, die Kiew geliefert würden. Am Mittwoch wollten die NATO-Staaten zudem weitere Militärhilfen beschließen. Weiterhin haben nach rund einjähriger Verzögerung die NATO-Partner mit der Lieferung von F-16-Kampfjets an die Ukraine begonnen. Dänemark und die Niederlande erklärten am Mittwoch am Rande des NATO-Gipfels in Washington, der Transfer der Maschinen sei mit Unterstützung der USA angelaufen.
Luxemburg unterschreibt bilaterales Sicherheitsabkommen
Enger zusammenarbeiten, das wollen Luxemburg und die Ukraine. Am Mittwoch haben Premierminister Luc Frieden und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ein bilaterales Sicherheitsabkommen am Rande des NATO-Gipfels unterschrieben. Das melden RTL und Luxemburger Wort am Mittwoch. Luxemburg habe sich außerdem verpflichtet, der Ukraine 80 Millionen Euro Militärhilfe zukommen zu lassen. Es handelt sich beim Abkommen aber nicht um einen internationalen Vertrag, sondern dieses stellt eine politische Absichtserklärung dar, die relativ unproblematisch von beiden Parteien aufgekündigt werden kann.
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