EU-Institutionen / Das Personalpaket ist geschnürt: Die europäischen Parteien haben sich geeinigt
Die Vorentscheidung ist gefallen: Nach dem Willen der drei zur Zusammenarbeit entschlossenen großen europäischen Parteien soll Ursula von der Leyen wieder Kommissionspräsidentin werden. Doch im Parlament lauern bedrohliche Untiefen.
Im Pokerspiel um die EU-Spitzenposten ist die erste Runde vorbei. Bereits deutlich vor Beginn des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag in Brüssel legten die sechs Verhandler der drei europäischen Parteienfamilien ihre Karten auf den Tisch. Danach sollen, wie auch beim Sondierungsgipfel vor einer Woche weitgehend unstrittig, die Christdemokratin Ursula von der Leyen wieder Kommissionspräsidentin werden, der Sozialdemokrat António Costa neuer Ratspräsident und die Liberale Kaja Kallas neue EU-Außenbeauftragte. Die erste Fühlungnahme in Brüssel war in der Vorwoche ergebnislos abgebrochen worden, weil die EVP Fragen zur Dauer von Costas Amtszeit hatte und die gestärkte EKR der rechtspopulistischen italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni sich übergangen fühlte.
Wie weit die Verständigung der Sechs-Männer-Runde trägt, ist zunächst nur für den Gipfel selbst vorherzusagen. Dort muss von der Leyen als offizieller Vorschlag des Rates mindestens 20 Staats- und Regierungschefs hinter sich haben, die ihrerseits wenigstens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren. Daran haben die Chefverhandler Donald Tusk (Polen) und Kyriakos Mitsotakis (Griechenland) für die EVP, Olaf Scholz (Deutschland) und Pedro Sánchez (Spanien) für die Sozialdemokraten sowie Emmanuel Macron (Frankreich) und Mark Rutte (Niederlande) für die Liberalen keine Zweifel.
Die Blockade aus der Vorwoche wurde schlicht durch Vertagen aufgelöst, weil die EU-Verträge ohnehin vorsehen, dass sowohl die Parlamentspräsidentin (für die die EVP Amtsinhaberin Roberta Metsola ins Rennen schickt) als auch der Ratspräsident zunächst einmal nur für zweieinhalb Jahre gewählt werden. Die EVP hatte ihr Interesse signalisiert, ihrerseits den Ratsvorsitz übernehmen zu wollen, wenn zur Halbzeit die Sozialdemokraten die Chefposition im Parlament beanspruchen. Nun wird es vorerst bei der traditionellen Übung bleiben, mit von der Leyen, Costa, Kallas und Metsola in die Neuaufstellung der EU nach den Wahlen zu gehen – und dann in zweieinhalb Jahren zu sehen, wie es weitergeht.
Rote Linien und Mehrheitsfindung
Würde die Kommissionsspitze so bestimmt, wie es in Luxemburg zur Regierungsbildung kommt, wäre die Sache gelaufen, da die drei Parteien, die nun zusammenarbeiten wollen, über mehr als 400 Abgeordnete im Europaparlament verfügen. Die nötige Stimmenzahl von 361 wird also rechnerisch locker erreicht. Allerdings ist die Abstimmung geheim, und bereits bei allen vorangegangenen Bestätigungen des Rats-Vorschlages durch das Parlament gingen den bestimmenden Fraktionen zwischen zehn und 15 Prozent der eigenen Leute von der Stange. Somit kann sich von der Leyen ihrer Wiederwahl keinesfalls sicher sein. Scheitert sie im ersten Versuch, gibt es keinen zweiten oder dritten Anlauf. Dann muss der Rat erst eine völlig neue Kandidatur in Gang bringen. Für von der Leyen geht es also um alles oder nichts. Deshalb zeichnen sich die Fraktionsmanager jetzt bereits durch hohe Nervosität aus.
Von der Leyen muss nun durch die Fraktionen tingeln und inhaltliches Entgegenkommen signalisieren, um im Gegenzug mit Stimmen rechnen zu können. Eine rote Linie hat EVP-Chef Manfred Weber gezogen: „Die EU muss ihren Fokus auf die Sicherung von Frieden, Wirtschaftswachstum und die Begrenzung der Migration legen – das sind inhaltlich die roten Linien der EVP“, verkündete der Wahlsieger. Kommt nun also von der Leyen in den Gesprächen mit den Fraktionen der EVP in Sachen Migration in einem Punkt entgegen, den auch die Rechtspopulisten der EKR von ihr verlangen, kann das von den Abgeordneten links der Mitte dann als Beweis gewertet werden, dass von der Leyen Meloni Zugeständnisse machen will? Die Grünen hatten, wie Weber wiederholt kritisierte, dem Gemeinsamen Europäischen Asylsystem ihre Zustimmung verweigert, bieten sich jetzt an, mit den drei anderen Parteien der Mitte zu kooperieren. Allerdings verlangen auch sie klare inhaltliche Positionierungen für den Klimaschutz und gegen eine Kooperation mit rechts außen.
Parteien-Bewegung im EU-Parlament
Die nächsten Wochen stecken für von der Leyen also voller Widersprüche und Fallstricke. Denn im Parlament verändern sich noch einige Größen. Einerseits bemüht sich Meloni, ihre Vertreter an Stelle der Liberalen von Macron zur drittstärksten Kraft zu machen. Andererseits arbeitet die AfD durch die Bildung einer eigenen Fraktion mit gleichgesinnten Abgeordneten vom äußersten rechten Rand daran, die Schlagkraft von rechts einzuschränken. Zugleich muss von der Leyen bei der Gestaltung ihrer Kommission ebenfalls die veränderten Kräfteverhältnisse nach den Europawahlen berücksichtigen. Meloni will für Italien einen Vizepräsidenten in der Kommission, gleichzeitig ist noch nicht klar, was eine Zusammenarbeit der Liberalen in den Niederlanden und möglicherweise auch in Belgien mit der von den Sozialdemokraten und Grünen verlangten Brandmauer in Brüssel macht. Von einer drohenden gemeinsamen Regierung von Macron mit Le-Pen-Ministern in Frankreich ganz zu schweigen.
So steuert die EU zwar auf einen relativ ruhigen Gipfel in dieser Woche zu, aber zugleich auch auf die Alternative zwischen klarer Mehrheit und großer Krise im Parlament.
- EU-Parlament gibt grünes Licht für von der Leyens Kommission - 27. November 2024.
- Eine Person lebensgefährlich verletzt – Experten ermitteln, Straße bleibt noch gesperrt - 27. November 2024.
- Sandy Artuso macht mit „Queer Little Lies“ Esch zum queeren Kultur-Hotspot - 26. November 2024.
Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können.
Melden sie sich an
Registrieren Sie sich kostenlos