Editorial / Das Recht auf Planung
Verhütungsmittel und die entsprechenden Eingriffe sollen in Zukunft kostenlos sein. Das hatte die Regierung in ihrem Koalitionsvertrag festgehalten. Anfang kommenden Jahres soll das Vorhaben in die Tat umgesetzt werden. In allererster Linie ist dieses Dossier ein tolles Zeichen für soziale Gerechtigkeit. Nicht erst seit gestern ist die Kluft zwischen Reich und Arm in Luxemburg riesig. Und das spiegelt sich eben nicht nur auf dem Immobilienmarkt, sondern auch in der Familienplanung wider.
Viele Menschen können sich nicht vorstellen, dass ihre Mitmenschen es sich kaum oder gar nicht leisten können, eine „Spirale“, die Antibaby-Pille oder Kondome zu kaufen. Derzeit kostet eine handelsübliche Sechser-Packung Kondome im Supermarkt rund 3,50 Euro. Sexuell aktive Paare kommen damit nicht über die Runden und so kommen schnell mal zehn Euro zusammen. Klingt nach nichts im reichen Luxemburg, aber für Menschen, die Existenzängste haben, hat der Kauf von Kondomen oder anderen, noch teureren Alternativen keine Priorität.
Schlussfolgernd bedeutet dies, dass Verhütungsmittel auch 2022 noch immer nicht für jeden zugänglich sind. Im Umkehrschluss bedeutet dies aber auch, dass immer wieder ein Teufelskreis entstehen kann. Durch fehlende Verhütung entstehen bekanntlich Kinder. Nachwuchs, den sich die Eltern aber eigentlich nicht leisten können. Im schlechtesten Fall erleben diese Kinder eine schwierige Kindheit oder werden gar sofort ins Kinderheim gegeben. Genau aus diesem Grund ist diese kleine Initiative der Regierung wichtiger als es auf den ersten Blick vermuten lässt. Die Weichen für eine Planung der Familie werden dadurch gestellt – unabhängig von der sozialen Klasse der beiden Elternteile.
Insgesamt verdient sich Luxemburg beim Thema Familienplanung eine relativ gute Note. Der Schwangerschaftsabbruch (bis zur 12. Woche) ist legal. Die Kosten werden von der Krankenkasse übernommen. Aber auch hier gibt es noch Nachholbedarf. Der ehemalige LSAP-Minister Alex Bodry schrieb am 25. Juni 2022 auf Twitter: „Dieses Selbstbestimmungsrecht der Frauen ist konventionell und verfassungsmäßig ungenügend abgesichert.“ Geht es nach Bodry, soll das Recht auf Abtreibung in die Grundrechte der Luxemburger Verfassung aufgenommen werden.
Auslöser für diese Reaktion war die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs der USA, das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche landesweit abzuerkennen. Auch in Europa gibt es noch Länder, die eine Abtreibung gar nicht oder nur dann erlauben, wenn die betroffene Frau sich in Lebensgefahr befindet. Dies ist in Malta, Irland, Polen und Liechtenstein der Fall.
Das Recht auf selbstbestimmende Familienplanung ist noch lange nicht abgesichert und Luxemburg täte gut daran, auch in Zukunft mit gutem Beispiel voranzugehen.
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Ab 1933 hat der römische Stellvertreter Gottes auf Erden die katholischen Familien gezwungen, an der „Sozialreform“ der Nazis mitzuwirken: sexuell aktive Paare hatten Aktivitätszwang, wenn sie rassischen und rassenhygienischen medizinischen und sozialen Normen entsprachen. Für die nicht normgerechten Paare galt Kondomzwang und Sterilisationsgefahr, ab 1940 auch Holocaustgefahr. Die Bevölkerung wurde von den Nazis, zuerst mental, im Laufe der Jahre dann auch administrativ in vier Kategorien eingeteilt (>Bevölkerungskataster in den von den Nazis flächendeckend geschaffenen Gesundheitsämtern): rassisch wertvoll, rassisch unbedenklich, rassisch bedenklich, rassisch minderwertig. Spätestens ab 1940 muß diese traumatisierende Bevölkerungseinteilung auch in Luxemburg Anwendung gefunden haben.
MfG
Robert Hottua