Brasilianerin in Luxemburg / Das sagt Debora Rodriques, Ex-Mitarbeiterin von Lula, über die Wahlen
Ihre Biografie ist zumindest ungewöhnlich. Debora Cristina Rodriques, der Tageblatt-Redaktion und vielen Eschern bekannt als kompetente und freundliche Servierkraft in der „Kanalbar“ (Nachbar des historischen Tageblatt-Gebäudes in der Escher Kanalstraße), hatte in Brasilien ein ganz anderes Leben und arbeitete als Repräsentantin von 12 Präfekten mit Luiz Inácio Lula da Silva, kurz Lula, zusammen.
Nach ihrer Scheidung wollte sie weg und zog nach Luxemburg, wo sie sich mittlerweile sehr wohlfühlt und – auch zum Unverständnis ihrer Familie – bleiben möchte. Besonders die Gewalt und Unsicherheit in ihrem Geburtsland vermisse sie am wenigsten; sie ist zwar einverstanden, dass das Wetter, die Musik und wohl auch das Essen in Brasilien besser als in Esch sind, dennoch hat sie sich hier eingelebt und möchte außer Visiten bei der Familie nicht zurück.
Laut dem statistischen Amt Statec wohnen 2022 insgesamt 2.883 Brasilianer in Luxemburg; diese bilden denn eine recht große Gemeinschaft, brasilianische Cafés gibt es mittlerweile in jeder größeren Ortschaft. Viele unter ihnen werden am kommenden Sonntag per Briefwahl (in Esch empfängt das Konsulat die Wähler) mit entscheiden, ob Lula zu einer dritten Amtszeit antreten darf oder ob Jair Bolsonaro, den Debora ohne zu zögern als Faschisten bezeichnet, das Land weiter führen darf.
Dass dieser trotz seines schlechten Managements der Corona-Krise (lange bezeichnete er die Infektionskrankheit, an der Tausende seiner Landsleute starben, als „leichten Schnupfen“), seines Versagens im Kampf gegen den Hunger (2014 unter Lula konnte Brasilien von der Hungerkarte der UN gestrichen werden, 2021 tauchte es unter Bolsonaro wieder dort auf), der wieder stark zunehmenden Abholzung des Amazonas-Urwaldes oder der steigenden sozialen Ungerechtigkeit in dem lateinamerikanischen Land, 43 Prozent der Wählerstimmen im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl verbuchen konnte (Lula kam auf 48,5 Prozent), versteht Debora nicht.
Die massiven, von Bolsonaros Team verbreiteten Fake News könnten hier eine Rolle gespielt haben. Nicht nur wurde der wirtschaftliche Untergang Brasiliens von seinen Anhängern prophezeit (dabei fiel das BIP unter Bolsonaro dramatisch), auch wurde u.a. behauptet, Lula würde alle Kirchen schließen und Unisex-Wcs in allen Schulen einrichten lassen. Dass er mit solchem Blödsinn gewinnen wird, schließt die Escher Brasilianerin aus.
„Lula redet mit jedem“
Sie hat den Präsidenten während seiner Amtszeit (2003 bis 2010) erlebt als einen jovialen Menschen, der mit jedem, unabhängig seiner gesellschaftlichen Stellung, redet – einen einfachen Mann, der seine Popularität auch aus seiner freundlichen Art bezog und mit dem angenehm zu arbeiten war.
Dass er 2018 wegen angeblicher Bestechlichkeit ins Gefängnis musste, empfindet sie als Ungerechtigkeit; inzwischen hob die brasilianische Justiz das Urteil auf und dem damaligen Richter wurde Befangenheit nachgewiesen. Sie, ihre ganze Familie und Bekannten in Brasilien werden Lula wählen, unterstreicht Debora, die auch darauf verweist, dass die allermeisten Exil-Brasilianer dem Chef der Arbeiterpartei ihre Stimme geben werden.
Sollte, wie mittlerweile allgemein erwartet, Lula die Stichwahl am Sonntag gewinnen, so wird auch in Luxemburg gefeiert werden; viele der Exil-Brasilianer werden sich voraussichtlich in einem Bonneweger Café treffen und etwas Karneval in die tristen Allerheiligen-Tage im voraussichtlich grauen Luxemburg bringen.
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