Jurist kritisiert „Ju-Cha“-Gesetzestext / Datenbanken „dürfen nicht nur die Bedürfnisse der Institutionen bedienen“
Der neue „Ju-Cha“-Gesetzentwurf wurde am Mittwoch infolge der 2019 lautgewordenen Vorwürfe über einen nachlässigen Umgang der Strafverfolgungsbehörden mit dem Datenregister vorgestellt. Jurist Stefan Braum stellt allerdings erhebliche Mängel in dem Text fest.
Justizministerin Sam Tanson hat am Mittwoch den Gesetzestext zur Datenbank „Justice chaîne pénale“, besser bekannt unter dem Akronym „Ju-Cha“, vorgestellt. Doch wie solide ist der formelle Unterbau des Gesetzestextes, den die Regierung hier vorgelegt hat? Der Rechtsexperte Stefan Braum von der Uni.lu lässt im Tageblatt-Gespräch kein gutes Haar an dem Gesetzentwurf.
Der vorliegende Text sei vor allem darauf ausgelegt, dass die luxemburgischen Institutionen – also die Justiz, die Polizei und die Staatsanwaltschaft – ihren Job effizient ausführen können. Das klingt erst einmal gar nicht so schlecht – aber was hierbei viel zu kurz käme, sei das subjektive Recht auf Datenschutz der Bürger. Dabei müsste gerade dieses Recht hervorgehoben werden, sagt Braum. Solche Datenbanken „dürfen nicht nur die Bedürfnisse der Institutionen bedienen“.
Im „Ju-Cha“-Text und in den Datenbanken der Polizei habe die Staatsanwaltschaft eine sehr starke Präsenz, meint Braum. Die Staatsanwaltschaft könne trotz der Sperrung der Daten Zugang zu den jeweiligen Dossiers ermöglichen. Im Text stehe zwar, dass dafür ein besonderer Grund vorliegen müsse, dieser sei aber nicht klar definiert. In mehreren Passagen heißt es lediglich: „Ces consultations doivent être spécialement motivées“ (siehe beispielsweise Art. 6 Ab. 3 oder Art. 5 Ab. 5).
„Unsere Daten sind Teil von uns“
Die grundlegende Frage, die gestellt werden müsse, sei: Welche Rechte haben Bürger gegenüber diesen Institutionen? Braum verweist vor diesem Hintergrund auf einen seiner Artikel zu dem Thema in der Zeitschrift Forum. „Am Umgang mit Daten und Informationen entscheidet sich, wie es um unsere Freiheit im 21. Jahrhundert bestellt sein wird“, schrieb der Rechtswissenschaftler dort im April. „Unsere Daten sind Teil von uns, Teil unserer Würde, wesentliches Element unserer Identität. Das Recht auf den Schutz der persönlichen Daten ist das Mittel, um politische Selbstbestimmung angesichts der Wucht der Digitalisierung überhaupt noch zu ermöglichen.“
Nach Erachten Braums würden gemäß dem „Ju-Cha“-Gesetzestext zu viele persönliche Daten gesammelt. „Ziel ist es, so wenig wie möglich Daten zu speichern. Nur das, was nötig ist.“ Zu diesem Schluss kam auch der Gerichtshof der Europäischen Union. Es müsse verhindert werden, „dass es staatlichen oder privaten Akteuren technisch ermöglicht wird, ein umfassendes Datenprofil der Systemnutzer zu gewinnen“, heißt es in Braums Artikel.
Derzeit sehe der Text allerdings nicht einmal vor, sich der Daten von Personen nach einem Freispruch oder von fallengelassenen Dossiers zu entledigen. „Daten von Personen, die nicht verurteilt wurden, sind zu löschen“, betont Braum. Davon ausgenommen sollten lediglich die Daten von Menschen sein, die nachweisbar eine Gefahr darstellen.
Darüber hinaus kritisiert der Jurist, dass das Klassieren der Daten von Nicht-Verurteilten als „rein administratives“ Verfahren abgetan wird: „Die Einstellung des Verfahrens ist keine Verwaltungsentscheidung, sondern eine justizielle“. Demnach entspreche das „Ju-Cha“-Datengesetz, zumindest was die Löschungs- und Zugangsrechte angeht, nicht dem internationalen Standard.
Ein zu weit ausgelegtes Auskunftsrecht
Ein weiterer Mangel sieht der Jurist im Auskunftsrecht, das sich der Staat mit dem Gesetz gibt. Der vorliegende Text biete der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit, Personen des öffentlichen oder privaten Rechts zu warnen, wenn einer ihrer Angestellten im Verdacht steht, ein Verbrechen oder eine Straftat begangen zu haben. „Das geht gar nicht“, betont Braum. Auch hier sei der Text wieder „ausgesprochen unklar“ formuliert. Im Grunde erlaube die Formulierung es der Staatsanwaltschaft, eine Einschätzung aller Menschen abzugeben, die sich für eine Arbeit bewerben, in einem Verein aktiv sind oder sich anderweitig einbringen – und das, weil diese möglicherweise eine Straftat begangen haben könnten.
In anderen europäischen Ländern hingegen sei es üblich, dass Arbeitgeber einen Auszug des Strafregisters von ihren Bewerbern verlangen – den diese selbst anfragen und vorzeigen müssten.
Ein grundlegendes Problem in der Entstehung des luxemburgischen Datenschutzes liege darin, dass stets eher auf die Bewahrung von institutionellen Interessen hingearbeitet würde als auf die Verwirklichung des subjektiven Rechts auf Datenschutz der Bürger. „Das Parlament muss da noch dringend nacharbeiten“, sagt Braum.
Der Jurist konnte dem Gesetzestext allerdings auch etwas Positives abgewinnen: Die Differenzierung zwischen den einzelnen Modulen der „Ju-Cha“-Datenbanken seien „Fortschritte, die der Gesetzgeber da macht“. Braum beendete das Gespräch mit folgenden Worten: „Ich hoffe, dass es im Parlament und in der Zivilgesellschaft noch eine vertiefte Diskussion geben wird.“
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Interessanter Artikel der beweist die Grünen es nicht so ernst meinen mit den Freiheiten , die sie so gerne vertreten wollen und mit solcher Politik ihren alternativen , rebellischen Gründerväter die Schamröte ins Gesicht treiben würde.
„Der vorliegende Text sei vor allem darauf ausgelegt, dass die luxemburgischen Institutionen – also die Justiz, die Polizei und die Staatsanwaltschaft – ihren Job effizient ausführen können. “
Pure Faulheit. Die wollen in ihren Datenbanken schnell die Üblichen Verdächtigen rausfinden, die werden dann eingesammelt und befragt.
Wenn alle den Mund halten würden, anstatt sich selber zu belasten, dann müsste die Polizei mal arbeiten.