Esch / „De Bazooka Brooze ass ee Gudden“: So tickt der Rapper – und der Mensch dahinter
Drogen, Alkohol und Geld spielen die Hauptrolle in den Texten und Musikvideos von Bazooka Brooze. Sein Name ist Programm: Ein Bazooka-Tattoo ziert seinen Brustkorb. Der 23-jährige Rapper aus Esch hat es innerhalb von drei Jahren geschafft, sich hierzulande einen Namen zu machen. Doch so hart er sich gibt, so herzlich ist Bruce Biren im Gespräch mit dem Tageblatt.
Bruce Biren ist noch etwas blass um die Nase, als er das Café Pitcher, einen seiner liebsten Orte in Esch, am Dienstagnachmittag betritt. Er ist angeschlagen – auch harte Jungs werden mal krank. Harter Junge ja, Gangsterrapper nein. „Dass ich ein Gangsterrapper bin, ist eines der häufigsten Vorurteile, das Menschen von mir haben“, sagt er. Mit Klischees kann sich der 23-Jährige nicht identifizieren – in Schubladen stecken lassen will er sich schon gar nicht.
Das zweite Vorurteil, das viele haben: „Sie denken, dass ich reich bin.“ Dass er selbst nicht gerade etwas dafür tut, dieses Vorurteil aus der Welt zu schaffen, gibt Biren auch zu. In seinen Musikvideos und auf Instagram wedelt er gerne mal mit Geldscheinen in die Kamera. Das bedeutet jedoch nicht, dass es am Ende des Monats nicht schon mal knapp werden kann.
Positive Vibes
Wenn er nach einem Auftritt bezahlt wird, ist er stolz darauf. Das zeigt er dann auch. „Sich zur Schau zu stellen, gehört dazu.“ Aber eine Gage sei nun einmal viel Geld für einen kurzen Moment. „Ich habe nicht jede Woche oder jeden Monat einen Auftritt“, sagt er, daran würden die wenigsten denken. Und auch wenn er die Hallen in Luxemburg so voll macht wie nur wenige andere lokale Künstler, stimme die Bezahlung nicht immer. „Aber das kommt schon noch“, sagt Biren optimistisch. „Ich tue einfach weiter mein Bestes. Wer positive Vibes aussendet, bekommt auch Positives zurück.“
Um zu sparen, wohnt der junge Künstler derzeit noch zu Hause – im Escher Bruch-Viertel, wo er aufgewachsen ist und die Grundschule besucht hat. Wie sehr die Minettemetropole ihn geprägt hat, zeichnet sich in seiner Musik ab. Sein erstes Mixtape ist vor zwei Monaten erschienen und trägt den Namen „Vu Schëffleng bis op Esch“. Das raue Image des Südens passt zum Bild des Rappers. In Schifflingen hängt Bruce Biren seit ein paar Jahren am liebsten ab. „Ich mache keinen Blödsinn vor meiner eigenen Haustür“, sagt er und lächelt dabei frech.
Vulgäre Sprache
Denn hinter dieser Haustür wohnt auch seine Mutter, Aurélie Leszczynski, von deren Kochkünsten ihr Jüngster schwärmt. Wenn sie die Texte ihres Sohnes hört, muss sie schon schlucken, gibt die Lehrerin zu. Sie habe sich aber von ihm erklären lassen, dass die vulgäre Sprache zu dem Genre dazugehört. „Wir haben oft darüber gesprochen“, sagt sie. Auf die Frage, was Bruce für ein Mensch ist, sagt sie, „heen ass e Gudden“, und fügt hinzu, dass er ein Kopfmensch ist. „Er macht sich viele Gedanken zu ganz vielen verschiedenen Themen und diskutiert auch gerne.“ Ihre beiden Kinder, Bruce und seine ältere Schwester Nina, seien ihr und ihrem Ehemann „gutt geroden“.
16 Jahre lang hat Bruce Biren beim Handball Esch gespielt, am Ende sogar in der ersten Mannschaft. Nach der Grundschule besucht er den „Sportlycée“, seinen Abschluss macht er am „Lycée Belval“. Handball hat Biren vor einem Jahr an den Nagel gehängt. „Es war mir zu viel Zeitaufwand dafür, dass finanziell nicht viel dabei herausgesprungen ist“, sagt er. Die Wahrscheinlichkeit, Handballprofi zu werden, sei zudem ziemlich gering und selbst dann lasse die Vergütung zu wünschen übrig.
Das war das erste Mal, dass ich luxemburgischen Rap nicht peinlich fandRapper
Den ersten Kontakt mit der Rapszene hat Bruce Biren mit 16. Damals lernt er in seiner Klasse im „Lycée Belval“ einen Jungen kennen, der auf Luxemburgisch rappt. Er nennt sich Dschingiz Khan und schafft es, Bruce Biren mit seinen luxemburgischen Lyrics zu überzeugen. „Das war das erste Mal, dass ich luxemburgischen Rap nicht peinlich fand“, gibt er zu. Das ist gleichzeitig seine Motivation: Er will noch eine Schippe drauflegen.
Biren probiert sich aus und findet bei Dschingiz Khan und seinen Leuten Anschluss. „Ich war mit Menschen zusammen, die das Gleiche gemacht haben wie ich und mehr Erfahrung hatten“, erinnert er sich. Dadurch lernt er viel dazu. Dschingiz Khan sei sozusagen sein Mentor gewesen.
Esther Schortgen unterrichtet Geschichte und Psychologie am „Lycée Belval“ und war auf 13e die Klassenlehrerin von Bruce Biren. Sie kann sich noch sehr gut an den jungen Mann erinnern. „Er war ein Revoluzzer“, sagt sie, ohne zu zögern. Am Anfang seien die beiden heftig aneinandergeraten. Beides starke Charakter, mussten sie erst einmal eine gemeinsame Wellenlänge finden. „Nachdem wir dann beide unser Revier markiert hatten, haben wir uns immer besser verstanden.“ Als die Klasse ihren Abschluss in der Tasche hatte, habe sie sogar eine Träne verdrückt.
Ein starker Charakter
Schortgen bezeichnet Bruce als einen lieben und engagierten Menschen, der sich auf außergewöhnliche Art für seine Ideen einsetzt. Dass er heute so erfolgreich ist, erfüllt sie mit Stolz. „Es ist nicht einfach, den unkonventionellen Weg zu gehen, den er eingeschlagen hat. Aber wenn einer das schafft, dann Bruce“, sagt sie voller Überzeugung.
Nach der 13e verspürt Biren den Druck, ein Studium zu beginnen. Weil Soziologie in seinem letzten Schuljahr sein stärkstes Fach war, beschließt er, das zu studieren. 2016 zieht er nach Wien, merkt aber schnell, dass das Studium nichts für ihn ist. „Ich habe nur wenig für die Uni gemacht und mehr an meiner Musik gearbeitet“, sagt er. Den Hit „Chu an da Hood“ habe er zum Beispiel dort geschrieben.
Philosophiestudium
Als Biren zurückkommt, fühlt er sich immer noch dazu gedrängt, zu studieren. Er beginnt ein Philosophiestudium an der Uni Luxemburg. Eine Wissenschaft, die ihn schon immer interessiert und beschäftigt. Er bestätigt die Aussage seiner Mutter: „Ich bin ein sehr verkopfter Mensch.“ Sein Grübeln verarbeitet er zum Teil in seinen Texten. Obwohl Philosophie ihn interessiert, kapituliert er nach nur zwei Monaten. Studieren ist nichts für ihn, dafür sei er zu verplant.
Ohne Studium und ohne Handball bleibt ihm inzwischen genug Zeit, um an seiner Musik zu arbeiten – und die nutzt Bruce Biren. „Ich habe schon wieder so viele neue Songs, dass ich ein zweites Mixtape rausbringen könnte“, sagt er. Seit zwei Monaten verbringt er mindestens zwei Tage in der Woche mit dem jungen Produzenten Denis Schumacher. Kennengelernt haben sie sich beim „Wicki Beach“, wo beide einen Auftritt hatten. Schumacher ist Schlagzeuger und schreibt Songs, unter anderem für seine Band Cheak! und den luxemburgischen Künstler Edsun.
Knackpunkt
„Bruce hat mich angesprochen und mich gefragt, ob ich ihm bei seiner Musik helfen kann“, sagt Schumacher. Seitdem arbeiten die beiden jungen Männer zusammen. „Ich bin inzwischen zu seinem Mädchen für alles geworden und es hat sich eine Freundschaft entwickelt“, erzählt Schumacher. Er gibt Biren Ratschläge, fungiert als Techniker und mixt seine Songs. Er bewundert Brooze und schaut zu ihm auf: „Er ist supermotiviert, hat nur wenig Zweifel und vertraut auf das Schicksal“, sagt Schumacher. Daran will er sich ein Beispiel nehmen.
Bruce Biren bezeichnet seine Arbeit als einen Knackpunkt für die luxemburgische Musikszene. „Vor mir war noch Bandana, aber ich habe versucht, mehr Seriosität reinzubringen“, sagt er. Von den Medien fühlt er sich boykottiert. Das sagt er ganz offen. „Weil die Medien sich nicht über mich lustig machen können, erwähnen sie mich einfach nicht.“ Biren hat zurzeit das Gefühl, als opfere er sich. In Luxemburg werde es Künstlern nicht einfach gemacht. „Ich mache viel für die luxemburgische Kultur und Sprache“, sagt er. Trotzdem würden seine Songs nicht im Radio gespielt. An der Vulgarität liege das wohl kaum, schließlich habe er auch harmlose Lieder, wie zum Beispiel den Titel „Mat dear“. Außerdem würden die Radiosender auch englische Songs spielen, die zum Teil genauso vulgär sind.
Trotz all der harten Lyrics über Drogen ist sich Biren auch seiner Verantwortung der jüngeren Generation gegenüber bewusst. „Ich verherrliche Drogen nicht“, betont er, „ich sage einfach nur, wie es ist. Dazu gehören auch die schlechten Seiten.“ „Ja an dann“ ist wegen genau dieses Kontrasts sein Lieblingssong auf dem Mixtape. Während der Refrain drogenverherrlichend klingt, rappt er im restlichen Text von den negativen Seiten der Substanzen.
„Du jamais-vu“
Was Bazooka Brooze im Gegensatz zum Geld nicht fehlt, ist Fame. Den meisten Luxemburgern ist sein Name inzwischen ein Begriff. „Wer sich hier im Land für Kunst interessiert, kommt nicht an mir vorbei“, sagt er selbstbewusst. Wie das Publikum bei seinen Auftritten abgeht, sei für Luxemburg „du jamais-vu“. Dabei kommen Menschen aus allen Kulturen und Ecken zusammen. Und Biren ist sich, wenn es um seine Fans geht, für nichts zu schade. In seinen Instagram-Storys dokumentiert er ab und zu, wie er ihnen einen Besuch abstattet, um ein Foto mit ihnen zu machen.
Entgegen der weit verbreiteten Annahme ist die Mehrheit seiner Zuhörer nicht minderjährig. Zum Zeitpunkt des Interviews hören gerade 19 Personen seine Musik – das zeigt Spotify ihm an. In den vergangenen 28 Tagen waren die meisten seiner Hörer zwischen 18 und 22 Jahre alt. Es hören genauso viele zwischen 28 und 34 seine Songs wie solche, die unter 18 sind, nämlich zehn Prozent. Sogar ein Prozent über 60 hört Bazooka Brooze. „Das freut mich natürlich“, sagt der 23-Jährige.
Oma ist Fan
Eine davon ist seine Oma Hedwig. Sie mochte Rap eigentlich nie. „Jetzt muss ich es ja mögen, weil mein Enkel rappt“, hat sie gesagt. Dass die gebürtige Polin nur wenig Luxemburgisch versteht, findet ihr Enkel „auch besser so“.
Bruce Biren hat bereits angekündigt, dass er im Februar eine Reihe neuer Songs rausbringen wird. „Vu Schëffleng bis op Esch“ wird es nächsten Monat also auf keinen Fall ruhig.
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