Petitionskommission / Debatte um einen Text, den es an sich nicht mehr gibt
Am Ende der öffentlichen Debatte um den umstrittenen Gesetzestext über Direktionsposten an Lyzeen waren sich alle einig. Niemand möchte eine Privatisierung der öffentlichen Schule. Doch der Begriff Privatisierung hat bei den verschiedenen Akteuren eine ganz unterschiedliche Bedeutung.
Die Präsidentin der Petitionskommission, Nancy Kemp-Arendt, verwies am Anfang der Debatte darauf hin, dass die Bittsteller bereits einen Erfolg verbuchen konnten, da am Vortag ein Abkommen zwischen der Staatsbeamtengewerkschaft CGFP und dem Bildungsminister Claude Meisch unterschrieben wurde. Dieses Abkommen betrifft unter anderem den Gesetzestext 7662, der am Mittwoch Gegenstand der Debatte im Parlament war.
Mit ihrer Petition „Stop à la privatisation de l’école publique au Luxembourg“ will die Initiatorin Ana Pinto mit der Unterstützung von Nicolas Sizaret und Philippe Kirsch gegen die Privatisierungstendenzen in der öffentlichen Schule vorgehen und fokussiert sich insbesondere auf den Gesetzestext 7662. Dieser besagt, dass die Posten von Direktoren und Vizedirektoren für vier spezialisierte Lyzeen ebenfalls für Personen aus der Privatwirtschaft geöffnet werden sollen, mit der Perspektive, dies auch auf weitere Lyzeen auszubreiten. Dabei kommen ihrer Meinung nach pädagogische und sprachliche Kompetenzen zu kurz. Die CGFP, die die Initiatoren bei ihrem Vorhaben unterstützt, hatte am Tag zuvor mit Claude Meisch ein Abkommen unterschrieben, welches diesen Gesetzestext endgültig annulliert.
Ist es denn berechtigt, dass die Debatte über ein Projekt, das nun vom Tisch ist, überhaupt noch geführt wird? Die Bittsteller sind sich einig und sagen Ja. Laut Aussage der Präsidentin Kemp-Arendt reiche das unterzeichnete Abkommen den Unterzeichnenden nicht aus. Sie halten weiter an der Debatte fest. „Das ist eurer gutes Recht“, so die Präsidentin. Obwohl das Gesetzesprojekt auf dem Instanzenweg nicht mehr weitergehen wird, soll in Zukunft ein neuer Text zum gleichen Thema unter aktiver Mitarbeit der CGFP aufgesetzt werden. Die öffentliche Debatte dazu hat demnach immer noch ihre Berechtigung.
Wenn wir nun trotz des Erfolges vom Dienstag heute hier sind, dann ist es, weil wir uns immer noch die Frage stellen, wie eine Privatisierung der öffentlichen Schule überhaupt in Betracht gezogen werden konnteInitiatorin der Petition
Für Ana Pinto ist es nicht die erste Petition, die sie mit den nötigen 4.500 Stimmen ins Parlament gebracht hat. „Das zeigt, dass Sie mit Ihren Themen, die den Leuten Sorgen bereiten, den Nerv trifft“, so Kemp-Arendt. Ana Pinto wollte ursprünglich den Abgeordneten klarmachen, was alles verloren gehen würde, wenn das Parlament für dieses Gesetzesprojekt stimmen würde. Die Initiatorin begrüßte das Abkommen zwischen Meisch und der CGFP. „Wir sind stolz darauf, dass diese Petition mit seinen Unterschreibern zum Teil auch dazu geführt hat“, sagt sie. „Wenn wir nun trotz des Erfolges vom Dienstag heute hier sind, dann ist es, weil wir uns immer noch die Frage stellen, wie eine Privatisierung der öffentlichen Schule überhaupt in Betracht gezogen werden konnte.“
Abkommen am Vortag war kein Zufall
Als Mutter von zwei Kindern macht sie sich Sorgen um ihre Zukunft und auch um jene aller Kinder in Luxemburg. Die Petition habe gezeigt, dass dieses Thema nicht nur Lehrer, sondern auch vielen Eltern Sorgen bereitet. Sie stellt folgende Fragen: „Was ist wichtiger als unsere Kinder? Sollte nicht jedes Kind die gleichen Chancen auf Bildung haben?“ Gegenüber dem Tageblatt sagt sie nach der Debatte, dass das Zustandekommen des Abkommens ein Tag vor der Debatte kein Zufall war.
Die Paradigmen in der Privatwirtschaft sind einfach nicht kompatibel mit den Anforderungen in den SchulenLehrer und Bittsteller der Petition
Nicolas Sizaret hat sich viel mit dem Thema der Privatisierungen an Schulen beschäftigt. Er lebt in Frankreich und hat in seinem „OPA sur le mammouth“ ein Katastrophenszenario über die komplette Privatisierung der öffentlichen Schule in Frankreich verfasst. In der Chamber nennt er ein paar Beispiele aus verschiedenen Ländern zu Extremszenarien wie Werbekampagnen in US-Schulen, skurrile Managementmethoden aus dem Privatsektor und die Auslagerung des öffentlichen Dienstes. Er geht auch auf den Einsatz des multinationalen Medienkonzerns Pearson ein, der im Bildungsbereich aktiv ist. Angebote dieses Unternehmens seien auch in Luxemburg im „Lycée Michel Lucius“ zum Einsatz gekommen. Dadurch seien die Korrekturen der Examen verschiedener Klassenstufen ausgelagert worden.
Philippe Kirsch ist Ingenieur und Lehrer für Naturwissenschaften an einem Lyzeum in Luxemburg-Stadt. Davor hat er in der Privatwirtschaft gearbeitet. Als er vom Gesetzesprojekt 7662 hörte, hat sich ihm der Magen umgedreht. „Die Paradigmen in der Privatwirtschaft sind einfach nicht kompatibel mit den Anforderungen in den Schulen“, sagt er. „Ich glaube, dass es andere Wege geben muss als jener über die Privatisierung, um uns den Herausforderungen zu stellen, die uns in den Schulen erwarten.“ Kirsch sagt später gegenüber dem Tageblatt, dass er das Abkommen und die Debatte als einen Erfolg betrachtet. Dennoch sei dies nur die erste Etappe.
Man muss aufpassen, denn es gibt verschiedene Methoden, den öffentlichen Dienst langsam einer liberalen Logik zu unterwerfenAbgeordneter „déi Lénk“
David Wagner („déi Lénk“) teilt die Analyse von Sizaret. Er sagt, dass der Privatisierungsprozess, den er mit der Zerstörung der öffentlichen Schule gleichsetzt, bereits seit 30 Jahren existiere. Dieser Prozess passe sich an und sei schleichend. Zum Gesetzesprojekt sagt er: „Es wird immer gesagt, hier wird gar nichts privatisiert.“ Das sei richtig und falsch. „Man muss aufpassen, denn es gibt verschiedene Methoden, den öffentlichen Dienst langsam einer liberalen Logik zu unterwerfen.“
Meisch zeigt am Ende große Einsicht
Marine Hansen (CSV) findet es gut, dass die Bittsteller trotz Rückzug des Gesetzesprojektes an der Debatte festhalten. „Denn wir wissen ja nicht, was im nächsten Text stehen wird.“ Hansen greift Wagners Bemerkung zum schleichenden Prozess der Privatisierung auf. „Hier sollte mit einzelnen Schulen angefangen werden, mit kleineren Schulen, die nicht die stärkste Lobby haben. Es ist nicht das Athénée.“ Für Djuna Bernard („déi gréng“) ist das Thema Privatisierung sehr weitläufig. Man sollte die verschiedenen Aspekte auch losgelöst voneinander besprechen. Bernard findet punktuelle Zusammenarbeiten mit Akteuren von außen durchaus valorisierend, da es wichtig sei, dass eine Schule eine direkte Beziehung zur Außenwelt hat.
Sizaret wirft die Idee auf, Kurse anzubieten, welche die Motivation der Lehrkräfte steigern könnten, sich für einen Direktionsposten zu bewerben. Für Kirsch sind Empathie und Kenntnisse „um Terrain“ die wichtigsten Voraussetzungen für einen Kandidaten einer Direktionsstelle. Verwaltungsaufgaben seien eher nebensächlich. Laut Pinto muss ein Direktor den Schulsektor und das -system gut kennen. Auch müsse er fähig sein, die Schule weiterzuentwickeln. Dazu brauche er didaktische und pädagogische Kenntnisse. Im Umgang mit Eltern und Schülern brauche er zudem sprachliche Kenntnisse.
Ich kann das alles unterschreiben, was die verschiedenen Lager hier über den Wert der öffentlichen Schule sagen. Das ist die Politik, die wir machen.Bildungsminister
Marc Hansen („déi gréng“) knüpft an die Aussagen seiner Parteikollegin Bernard an. Er findet es schwierig, dass eine einzige Person alle Kompetenzen haben sollte, die in einem Lyzeum notwendig sind, um Direktor zu sein. „Ich überlege, ob man nicht eher in die Richtung eines ‚Conseil de direction‘ gehen sollte, wo man verschiedene Kompetenzen in einem Rat bündelt.“ Francine Closener (LSAP) wird per Telefon zugeschaltet. Sie findet, dass ein Direktor neben pädagogischen Kompetenzen auch solche zur Verwaltung des Personals aufweisen sollte. Sie stellt die Frage, ob ein Direktor, sofern er nicht alle diese Kompetenzen besitzt, sich diese durch eine Fortbildung aneignen sollte und ob dies eine Bedingung sein sollte, um eine Schule adäquat zu führen. Kirsch beantwortet beide Fragen mit Ja. Es sollte aber eine spezifische Weiterbildung sein, da die Aufgabe eines Direktors eine andere sei als jene eines Lehrers im Schulalltag. Claude Lamberty (DP) sagt, dass man als Lehrer nicht automatisch gut für einen solchen Posten sei, und auch nicht schlecht, wenn man keiner sei. Es komme vielmehr auf das Leadership in einem Menschen an. „Das geht hier etwas unter.“ Ein Direktor sei kein Alleinherrscher, sondern sollte gut in einem Team funktionieren.
Meisch zeigte am Ende der Debatte große Einsicht. Man sei sich in den wesentlichen Punkten einig. Extreme Beispiele von Privatisierung, wie sie Nicolas Sizaret anführte, seien sicherlich nicht der Weg, den man einschlagen wolle. „Ich kann das alles unterschreiben, was die verschiedenen Lager hier über den Wert der öffentlichen Schule sagen. Das ist die Politik, die wir machen.“ Meisch warf dennoch die Frage auf, ob eine Schule alleine mit der Einstellung eines Bewerbers aus dem Privatsektor schon privatisiert wäre. Auch sagte er, dass er nicht alles für völlig falsch halte, was in dem zurückgezogenen Gesetzesprojekt stand. Meisch zählte mehrere Beispiele auf, in denen es nicht zu einer Privatisierung, sondern umgekehrt zu mehr staatlichem Einfluss gekommen sei. Das Script („Service de coordination de la recherche et de l’innovation pédagogiques et technologiques“) entwickele zum Beispiel die Unterrichtsmaterialien für sämtliche Fächer in der Grundschule. Meisch verteidigte auch den Einsatz der Firma Pearson. Mittlerweile sei man da ausgestiegen.
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Ët si Leit, déi Problemer siche ginn, wou ët iwwerhaapt keng gëtt.
@schéifermisch Wat en ignoranten, onpassenden Kommentar. Heinsdo asset besser einfach naischt ze soen…
@ Ma lues. Oder besser, wéi an Ärem Fall, näischt ze schreiwen.
“ Ist es berechtigt über ein Projekt, das jetzt vom Tisch ist, noch zu debattieren ? „. Allein schon diese rhetorische Frage beinhaltet bereits die Antwort. Insofern hat @ de Schéifermisch recht.
@ ma lues. Es gibt immer Leute , die glauben, die Kommentare anderer kritisieren zu müssen. Sie sollen sich an die eigene Nase fassen. “ Wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen um sich werfen „.