Chamber / Debatte zur Kooperationspolitik verläuft ohne Aufreger – Reform des Staatsrates beschlossen
Vermeidbare Geschäfte mit Diktatoren oder Luxemburgs „verdammte Pflicht“? Trotz konträrer Meinungen ist die Chamber-Debatte zur Luxemburger Kooperationspolitik am Mittwoch größtenteils unaufgeregt verlaufen. Für einen „Paradigmenwechsel“ sorgte ein ganz anderer Punkt auf der Tagesordnung.
Wer am Mittwochnachmittag auf einen hitzigen Schlagabtausch in der Chamber gehofft hatte, wurde bei der Debatte zur Luxemburger Kooperationspolitik enttäuscht. Nach der Rede zur Lage der Nation und der Stellungnahme von Außenminister Jean Asselborn (LSAP) zur Luxemburger Außenpolitik war es zu jeweils sehr intensiv geführten Diskussionen gekommen. Bei der Debatte am Mittwoch hatten die Abgeordneten jedoch ihre Samthandschuhe angezogen – DP und CSV entdeckten sogar ihr Faible für Klimapolitik.
Der CSV-Abgeordnete Marc Spautz deutete gleich zu Beginn seiner Rede an, dass er nicht unbedingt auf eine Konfrontation mit der Regierung aus war. „Meines Erachtens ist Entwicklungspolitik keine Parteipolitik – im Interesse Luxemburgs und dem Image, das wir nach außen vertreten“, sagte der CSV-Politiker. Er wolle auch nicht auf einzelne Länder eingehen, sondern die großen Leitlinien der Luxemburger Kooperationspolitik umreißen.
Besonders dem Klimaschutz widmete der Politiker der Christsozialen einen beträchtlichen Teil seiner Redezeit. Kritik an der Politik von Franz Fayot gab es eigentlich keine – lediglich eine Aufforderung, der Luxemburger Minister möge bei seinen deutschen und französischen Amtskollegen Druck ausüben, damit diese ihren Verpflichtungen nachkommen. Aus dem Diskurs des Oppositionspolitikers kam die LSAP dennoch nicht ganz schadlos heraus. Bei seinen Ausführungen zur Gesundheitspolitik verglich der CSV-Abgeordnete das Gesundheitssystem indirekt mit dem eines Luxemburger Kooperationspartners.
„Verdammte Pflicht“
„Die Schere zwischen den armen und reichen Ländern geht immer weiter auseinander“, sagte der DP-Angeordnete Gusty Graas. Es sei deshalb Luxemburgs „verdammte Pflicht“, zu helfen. „Wir müssen trotz bröckelnder europäischer Solidarität und aufkommender nationalistischer Tendenzen den Blick über die Grenzen wagen.“ Der DP-Politiker forderte konsequente Maßnahmen im Bereich der Lebensmittelsicherheit, die eine zentrale Säule in der Luxemburger Kooperationspolitik darstellen sollte. Graas befürchtete weitere Migrationswellen aufgrund von Schäden, die durch den Klimawandel – und somit von den führenden Industrieländern – verursacht werden. „Ich bedauere, dass Europa in dem Kontext bisher keine koordinierte Flüchtlingspolitik entwickeln konnte.“ Auch die Luxemburger Gemeinden nahm Graas in die Pflicht. „Indem sie vermehrt auf Fairtrade-Produkte setzen und ihre Möglichkeiten im Rahmen des Klimapaktes ausnutzen, können sie ihren Beitrag leisten“, sagte Graas.
Wenn nicht die CSV, dann eben die Grünen: So war es an der Grünen-Abgeordneten Stéphanie Empain, hinsichtlich Fayots Erklärungen einen Hauch von Oppositionspolitik zu betreiben und die Ausführungen des Ministers zumindest teilweise zu hinterfragen. „Ich meine im Rahmen unserer Kooperationspolitik mit Ruanda herauszuhören, dass wir uns eben nicht mehr nur im Bereich der ungebundenen Entwicklungshilfe bewegen“, so Empain. Sie versuche den Spagat zu verstehen, wenn Wirtschafts- und Kooperationsminister Franz Fayot doch während der Visite den Slogan „Trade, not aid“ gebraucht habe.
Luxemburg müsse sich nicht schämen, im Rahmen von Kooperationsprojekten auch eine gewisse wirtschaftliche Entwicklung zu betreiben. „Das ist aber keine Hilfe, die wir an wirtschaftliche Vorteile oder gewisse Marktanteile knüpfen, wie es andere Länder tun“, entgegnete Fayot. „Das macht Luxemburg bestimmt nicht.“ Wenn Unternehmen aus Luxemburg die Mission in den Niger und Ruanda begleitet hätten, dann, weil dieser Wunsch auf Unternehmerseite geäußert wurde. Daran sei auch nichts „Anrüchiges“ und darauf sei er auch „stolz“.
Ruanda: Geschäfte mit Diktatoren
Während der ADR-Politiker Fred Keup Entwicklungshilfe mit Spenden gleichsetzte – „dann kann man abends besser schlafen“ – und gleichzeitig ein Herabsetzen des Luxemburger Entwicklungsbudgets forderte, lieferte die Linken-Politikerin Nathalie Oberweis eine deutlich differenziertere Kritik an der Luxemburger Kooperationspolitik. „Luxemburg macht Geschäfte mit Diktatoren“, sagte Oberweis im Chamber-Plenum. Während Luxemburg sich aus einigen Ländern zurückziehe, wo gerade jetzt Unterstützung gebraucht werde, weiche man mit Projekten in Ruanda unter Präsident Kagame in diktatorische Gefilde ab. „Wir sind nicht so naiv zu glauben, dass dies der Entwicklungshilfe dient, sondern eher dem Business“, sagte die Linken-Politikerin und forderte im Gegenzug eine klare Strategie für Menschenrechte im Rahmen der Luxemburger Kooperationspolitik. Eine Forderung, der sich die Piraten anschlossen. „Es müssen mehr Projekte zur Förderung von Menschenrechten durchgeführt werden“, forderte etwa Sven Clement. Und: „Das Kigali Financial Center ist definitiv kein solches Projekt.“
„Mit dem Aufbau eines Finanzplatzes hilft man internationalen Konzernen lediglich bei der Steueroptimierung auf dem afrikanischen Kontinent“, sagte Oberweis. Steuereinnahmen, die den Ländern bei der Erfüllung der Grundbedürfnisse ihrer Bevölkerung dann fehlen würden. Es sei demnach auch wenig überraschend, dass demnächst ein Steuerabkommen zwischen Ruanda und Luxemburg verabschiedet werden soll, das die Steuern auf Kapitalströme zwischen den Ländern herabsetze.
Reform des Staatsrates
Gegen Ende der Sitzung wurde dann noch der Gesetzesvorschlag des Grünen-Abgeordneten Charles Margue zur Reform des Staatsrates bei nur vier Enthaltungen und 56 Ja-Stimmen angenommen. Zukünftig sollen auch die Chamber-Abgeordneten den „Conseil d’Etat“ mit Gutachten zu Prinzipienfragen und Gesetzesvorschlägen belangen können – ein „Paradigmenwechsel“, wie der CSV-Abgeordnete Léon Gloden befand. Bei einem negativen Bescheid der hohen Körperschaft zu einem Gesetzesvorhaben soll das Recht der Abgeordneten, einen Gesetzesvorschlag einzubringen, trotzdem nicht eingeschränkt werden.
In dem Kontext wies Premierminister Xavier Bettel darauf hin, dass eine Überlastung des Staatsrates vermieden werden müsse, wenn auch die Chamber sich an die hohe Körperschaft wenden könne. Der DP-Abgeordnete Guy Arendt forderte in dem Kontext die restlichen Parlamentarier dazu auf, über eine Verstärkung des Staatsrates nachzudenken. Der Piraten-Abgeordnete Sven Clement beklagte seinerseits, dass ein solcher Vorschlag bereits aus Oppositionsreihen vorgelegen habe – von den Mehrheitsparteien jedoch ignoriert worden sei.
Einstimmig wurde hingegen das Gesetz bezüglich der Mietsubventionen angenommen. Demnach hatte sich im Erstentwurf ein Fehler in den Gesetzestext eingeschlichen, der mit der nun gestimmten Version wieder behoben wurde.
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