Kongress / „déi Lénk“ plant Ausstieg aus dem Kapitalismus
Nach drei ernüchternden Wahljahren wollte sich „déi Lénk“ als einzig wahre sozialökologische Partei neu aufstellen. Corona machte ihr einen Strich durch die Rechnung. Nach anfänglichen Schwierigkeiten scheint die Partei nun ihren Krisenkurs gefunden zu haben. In den kommenden Monaten will sie eine Strategie für den Ausstieg aus dem Kapitalismus ausarbeiten. Nur mit einem anderen Wirtschaftsmodell sei eine gerechte und nachhaltige Welt vorstellbar, hieß es auf dem Nationalkongress am Sonntag.
Am Sonntag beging „déi Lénk“ ihren ersten ordentlichen Parteikongress nach einem dreijährigen Wahlmarathon. Wegen der Corona-Krise hatten die Verantwortlichen im März beschlossen, die Tagung in den September zu verlegen. Rund 50 Mitglieder waren unter Einhaltung der Corona-Maßnahmen beim „Hybridkongress“ im Artikuss in Zolwer anwesend, rund ein Dutzend verfolgte das Geschehen am Sonntag per Videokonferenz. Auf eine Bilanz verzichtete die Partei, deren Resultate sowohl bei den Nationalwahlen 2018 als auch bei den Europawahlen 2019 stagnierten. Lediglich bei den Kommunalwahlen 2017 hatte „déi Lénk“ in Sanem einen Sitz hinzugewonnen. Es mag einer der Gründe gewesen sein, weshalb die Partei ihren Kongress nun ausgerechnet in dieser Gemeinde abhielt.
Man habe das vergangene Jahr genutzt, um sich zu erholen und zu erneuern, sagte Co-Sprecherin Carole Thoma in ihrer Ansprache. Im Oktober 2019 hatte „déi Lénk“ ein Seminar in Remich veranstaltet, um die interne Organisation zu verbessern und Wege zu finden, sich strategisch neu aufzustellen. Damals bestimmte der Klimawandel das öffentliche Bewusstsein, deshalb habe die Partei an einem neuen Narrativ gearbeitet, um zu verbildlichen, wie sie sich ein solidarisches und zugleich ökologisches Gesellschaftsmodell vorstelle, erklärte Thoma.
Doch dann kam Corona und es musste ein neues Narrativ her. Zu Beginn der Krise tat sich „déi Lénk“ schwer damit, eine eigene Position in der von Premierminister Xavier Bettel (DP) proklamierten „Union nationale“ zu finden. Die Verlängerung des von der Regierung ausgerufenen „Etat de crise“ hatte das Parlament Mitte März einstimmig angenommen. Auch die linken Abgeordneten Marc Baum und David Wagner unterstützten den Ausnahmezustand. Dabei hatte „déi Lénk“ 2017 noch gegen die Revision des Artikels 32.4 der Verfassung und die Ausdehnung des Ausnahmezustands auf nationale Krisen gestimmt. In seinem parlamentarischen Rechenschaftsbericht rechtfertigte der Abgeordnete Marc Baum die rezente Unterstützung des „Etat de crise“ damit, dass die Krankenhäuser in Luxemburg nicht auf eine solche Pandemie vorbereitet gewesen seien und keine Pläne für Schutzmaßnahmen in Alters- und Pflegeheimen existiert hätten. Nur dank des Ausnahmezustands hätte die Regierung kurzfristig überlebenswichtige Maßnahmen treffen können, sagte Baum. Nun gelte es, die richtigen Lehren aus dieser Erfahrung zu ziehen. Einen zweiten coronabedingten „Etat de crise“ werde seine Partei jedenfalls nicht unterstützen, betonte der Abgeordnete, der im Mai 2021 von Myriam Cecchetti im Parlament abgelöst wird.
Universelle medizinische Absicherung
Nach dem Ablauf des Ausnahmezustands Ende Juni schien „déi Lénk“ ihr Krisennarrativ (wieder-)gefunden zu haben. Keine andere Partei habe so viele parlamentarische Fragen und Änderungsvorschläge zu den Covid-19-Gesetzen eingereicht, unterstrich Marc Baum. Insbesondere bei ihren Kernthemen konnte „déi Lénk“ punkten. Man habe sich für die Menschen am Rande der Gesellschaft eingesetzt, die am schlimmsten von den Folgen der Pandemie getroffen seien. Damit die Gesundheitsversorgung für alle garantiert werden könne, erneuerte Baum die langjährige Forderung seiner Partei nach einer universellen medizinischen Absicherung und sprach sich für starke öffentliche Krankenhäuser aus. Den Plänen des Ärzteverbands AMMD und des vorigen LSAP-Gesundheitsministers Etienne Schneider, den Gesundheitssektor weiter zu privatisieren, erteilte Baum eine klare Absage.
Die sanitäre Krise habe die wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und demokratischen Verfehlungen der vergangenen Jahre noch stärker zutage gefördert, erklärte Marc Baum. Die Corona-Krise wirke wie ein Brennglas, in dem sich die anderen Krisen widerspiegeln. Schuld an all diesen Verfehlungen sei der Kapitalismus, betonte Baum. Die blau-rot-grüne Regierung könne keinen Ausweg aus diesen Krisen aufzeigen, weil sie genau wie alle anderen in der Kammer vertretenen Parteien an den Mythos des freien Marktes glaube, ergänzte Co-Sprecherin Carole Thoma. Der freie Markt könne aber die Probleme, die er selber geschaffen habe, nicht lösen. Am Ende sei es immer der individuelle Konsument, der zur Rechenschaft gezogen werde. Ein Beispiel sei die CO2-Steuer. Anstatt einen leistungsfähigen öffentlichen Transport oder ordentliche Fahrradwege anzubieten, bitte die Regierung die Bürger zur Kasse. Wenn es keine Alternativen zum Auto gebe, hätten die Menschen aber gar keine Möglichkeit, ihr Verhalten zu ändern, erläuterte Thoma. Gleiches gelte für den Wohnungsbau. In dem überarbeiteten Mietgesetz habe der zuständige Minister Henri Kox („déi gréng“) die Chance verpasst, Maßnahmen zu ergreifen, um die Mieten zu senken.
Hinsichtlich der Debatte um die anstehende Steuerreform forderte Carole Thoma sowohl eine Erhöhung der Erbschafts- als auch der Vermögenssteuer. „déi Lénk“ habe nicht die CSV gebraucht, um eine Erbschaftssteuer ins Spiel zu bringen, betonte Marc Baum in Anspielung auf die rezenten Vorstöße des CSV-Präsidenten Frank Engel. Der linke Abgeordnete David Wagner habe Anfang vergangener Woche im Parlament eine Orientierungsdebatte über Steuergerechtigkeit beantragt.
„Keine zentralistische Partei“
Doch „déi Lénk“ übte auf ihrem Kongress am Sonntag nicht nur Kritik an der Regierung und an der CSV, sondern brachte auch eigene Verbesserungsvorschläge ein. Um die steigenden sozialen Ungleichheiten in Luxemburg zu verringern, forderte der Kongress die nationale Koordination in einer Resolution und einer Motion dazu auf, konkrete Vorschläge auszuarbeiten, um einen Anstieg der Arbeitslosenquote zu verhindern. Mit neuen Maßnahmen will die Partei eine gerechtere Verteilung der Einkommen und des Reichtums erreichen. Ihre Ideen zur Lösung der Wohnungskrise will „déi Lénk“ künftig besser kommunizieren. Eine gleichere, freiere, nachhaltigere und gerechtere Gesellschaft könne nur mit einem Ausstieg aus dem kapitalistischen Wirtschaftssystem bewerkstelligt werden, heißt es in der Motion. In den kommenden Monaten will „déi Lénk“ eine konkrete Ausstiegsstrategie ausarbeiten.
In zwei aktuellen Tagesresolutionen wurden bereits erste Schritte in diese Richtung erkennbar. Die eine beschäftigt sich mit den Folgen der Corona-Krise. Sie enthält Forderungen nach strengeren Bedingungen für öffentliche Hilfen an Privatunternehmen, nach der Erhöhung der Autarkie in der Lebensmittelproduktion und der Reduzierung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich. In einer weiteren Tagesresolution unterstützt „déi Lénk“ die Protestaktionen gegen steigende Miet- und Wohnungspreise, die am 26. September in Esch/Alzette und am 10. Oktober in der Hauptstadt geplant sind.
Wie Carole Thoma betonte, sei „déi Lénk“ noch immer keine zentralistische Partei, sondern eine Bewegung, deren Mitglieder sich in Gewerkschaften, Umweltverbänden, Menschrechtsvereinigungen und Friedensorganisationen engagieren. Der Systemwechsel sei nicht alleine auf institutioneller Ebene durchzusetzen. Dies sei nur mit der Unterstützung der außerparlamentarischen Linken möglich, mit den Menschen, die bereit seien, auf die Straße zu gehen und für ihre Rechte einzustehen. Eine soziale, ökologische, feministische und antirassistische Gesellschaft sei nur mit ihrer Partei umsetzbar, sagte Carole Thoma.
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Gruselig. Als ob das 20. Jahrhundert mit seinen vielen krachend gescheiterten Sozialismus-Experimenten – inkl. zig Millionen Tote – nicht stattgefunden hätte.
Die „Lénk“ können ihr „anderes“ Wirtschaftsmodell umbenennen, schönreden und anpreisen wie sie wollen („nachhaltig“, „gerecht“ und was weiss ich alles) – es wird immer nur auf den altbekannten Sozialismus hinauslaufen. Alter, ungeniessbarer Wein in neuen Schläuchen. Deshalb lese man es von meinen Lippen ab: Jede sozialistische Gesellschaft ist unfrei, kollektivistisch und von Mangel und Misswirtschaft gekennzeichnet. Gewiss, den von „déi Lénk“ erträumten „Systemwechsel“ könnte ein anfangs noch einigermassen gut aufgestelltes Land wie Luxemburg eine Weile durchhalten. Freilich nur so lange bis die letzte, noch vom bösen Kapitalismus erarbeitete volkswirtschaftliche Reserve aufgebraucht und der letzte leistungswillige und auf seiner Freiheit bestehende Bürger entweder ausgewandert ist, beseitigt wurde oder resigniert hat. Danach würde es eines Morgens für alle ein bitteres Erwachen geben, mit Glück „nur“ in einem weiteren sozialistischen „failed state“ à la Venezuela oder Cuba (hierzulande leider ohne den Trost eines subtropischen Klimas), mit etwas Pech gleich in Orwells Ozeanien.
„volkswirtschaftliche Reserve“. Über 15 Milliarden Staatsschulden kann man auch als Reserve ansehen, oder?
Habe 42 Jahre lang für das Kapital geschuftet. Meine Reserve ist aber immer +- Null geblieben. Was habe ich nur falsch gemacht? Die sozialistische Gesellschaft könnte funktionieren, wenn der Mensch nicht dahinter stünde mit seinem, naja Egoismus. H. Realist, was sagen Sie den 18% die unter der Armutsgrenze leben. Sollte ich einmal ins Altersheim müssen, hoffe ich krepiere vorher, werde ich leider dem Kapital auf der Tasche liegen. Misswirtschaft gibt es nicht nur im Sozialismus, Beispiele bekommen wir monatlich geliefert, auch hier im Lande.
Das planen die doch seit 1917 oder so.
Herr Grober: Sozialistische Regimes stehen bekanntlich seit jeher für totale Schuldenfreiheit und „schwarze Null“, nicht wahr? Aber egal: Sie fragen, was ich persönlich ärmeren Mitmenschen sagen würde, die sich in unserer Gesellschaft abgehängt fühlen? Vielleicht dass es ihnen nicht den geringsten Mehrwert einbringen würde – weder finanziell, noch in puncto Lebensqualität – wenn wir das System auf Staatssozialismus umschalten und somit eine allgemeine Zwangsnivellierung nach unten einführen würden. Eher wäre das Gegenteil der Fall. Wenn jeder im maroden Plattenbau wohnt, ökosozialistisch genehm im rasch abgetakelten Bus fährt und sich seine paar Sachen im selben beschränkten Angebot des lokalen Koop-Ladens zusammensuchen muss, haben alle verloren und niemand etwas gewonnen. Und die Armen hätten dann auch noch die letzte Chance vertan, mit etwas Eigenleistung, Fleiss oder meinetwegen Glück ihren Status zu verbessern.
Bei einem Satz kann ich Ihnen allerdings zustimmen: Dass eine sozialistische Gesellschaft nur ohne Menschen funktionieren kann. Wie diese Abschaffung des Menschen, bzw. des Menschseins als Vorbereitung auf den totalen Sozialismus bewerkstelligt werden könnte, hat Orwell seinerzeit auf elektrisierende Art beschrieben. Unbedingt (wieder) lesen. Wenn Sie dann immer noch zusammen mit Winston Smith in seiner tristen Werkskantine anstehen möchten, wissen Sie ja, wem Sie nächstes Mal Ihre Stimme geben müssen…
Der totale Überwachungskapitalismus wie durch Amazon und Co ist auch nicht das Wahre!
Herr Realist: Kucken Sie mal gelegentlich rüber in die Kapitalhochburg, auch Trumpland genannt? Kenne Leute (Familie) drüben die ihren Lebensstandard mit viel Fleiss und einer Menge Idealismus halten können. Mann hat 2 Jobs, Gattin hat 2 Jobs. 3 Kinder in nicht öffentlichen Schulen, warum wohl? Jetzt mit Corana wird es noch schlimmer, weil manche Jobs „abbröckeln“ und die Krankenversicherung bald nicht mehr bezahlt werden kann. Letzte Frage: Wo haben Sie gearbeitet?
A propos Stimme abgeben. Habe jahrelang den „Richtigen“ meine Stimme gegeben, es hat leider nichts genützt. Jetzt lese ich wieder Aufstand der Tiere!
Soziale Marktwirtschaft war doch unlängst das Zauberwort einiger unserer vorbildlichen Kapitalisten in den „sozialen“ Reihen oder habe ich mich wieder wie sooft getäuscht. Muss bald wieder zum ORL.