Wohnen in Esch / „déi Lénk“ sieht den Schöffenrat in seiner bisher größten strukturellen Krise
Es sei nicht die erste, aber die bisher größte strukturelle Krise des aktuellen Escher Schöffenrats. Grund genug für „déi Lénk Esch“, am gestrigen Montag eine Pressekonferenz einzuberufen. Denn mit dem aktuellen PAG („Plan d’aménagement général“) bekämpfen Bürgermeister Georges Mischo und seine Kollegen aus dem Schöffenrat der Partei zufolge die Armen – anstatt selbiges mit der Armut zu tun.
Nachdem es eine ganze Reihe Positionierungen zum PAG der Stadt Esch gegeben habe, wollte Marc Baum noch einmal klarstellen, was der PAG einer Gemeinde eigentlich kann und was er überhaupt darf. „Der allgemeine Entwicklungsplan ist ein Planungsinstrument, das die zukünftige Weiterentwicklung einer Stadt regelt. Es ist kein Instrument, das dazu dient, die Bevölkerung zu organisieren und bestimmte Wohnformen zu erlauben, geschweige denn zu verbieten“, stellte Baum klar.
Zwar würde der Schöffenrat immer wieder betonen, dass Wohngemeinschaften mit dem neuen PAG nicht verboten, sondern lediglich geregelt würden, dem widerspricht „déi Lénk“ jedoch. Wohngemeinschaften in Einfamilienhäusern würden unmöglich gemacht und demzufolge auch verboten. Außerdem führe der allgemeine Entwicklungsplan dazu, dass Airbnb liberalisiert würde.
Überdies gebe es eine klare Entscheidung vom Verwaltungsgericht, die besagen soll, dass Wohngemeinschaften vollkommen kompatibel mit Einfamilienhäusern sind, sowie einen Amtsbescheid der „Commission d’aménagement“, in dem klar festgehalten worden sein soll, dass Worte wie „lien affectif“ nichts in einem PAG zu suchen haben. „Der Schöffenrat versucht, sich über die Gesetze hinwegzusetzen. Das geht auch noch einmal klar aus der Antwort der Innenministerin und des Wohnungsbauministers hervor“, sagte Baum.
Gesetzeswidrig
Der PAG, der aktuell in der Diskussion steht, wurde bereits im März 2019 ein erstes Mal vom Gemeinderat gestimmt. In der Regel gelten bis zur zweiten Abstimmung beide PAGs – der alte und der neue. Der Abgeordnete und Gemeinderat Baum hat eine parlamentarische Anfrage eingereicht, in der er wissen will, ob dies auch gilt, wenn der neue PAG gesetzeswidrig ist. Denn all jene, die nicht nachweisen können – oder wollen –, dass sie mit ihrem Mitbewohner „gehen“, wie Georges Mischo es ausgedrückt hatte, würden vom Bürgeramt auf eine Warteliste gestellt. „Dadurch wird das Bürgeramt zu einer Art Sittenpolizei – und somit zweckentfremdet“, sagte Baum.
Jedes Mal ist jemand anderes schuld. Die Bürger, die den PAG nicht verstanden haben, die Opposition, die Regierung oder die Presse. Nur nicht sie selbst, die politischen Verantwortlichen.Gemeinderat und Abgeordneter „déi lénk“
Und wer auf besagter Warteliste, dem sogenannten „régistre d’attente“ landet, dem gehen „déi Lénk“ zufolge kurzerhand alle sozialen Rechte verloren. „Neben dem Recht auf eine ganze Reihe kommunaler Dokumente wie eine Vignette oder ein Mülleimer verlieren die Betroffenen auch ihr Recht, Revis („Revenu d’inclusion sociale“) zu beantragen“, so Baum. Auch eine Anfrage zur „Allocation de vie chère“, deren Betrag aufgrund der Krise vom Staat noch erhöht wurde, wird ohne Adresse unmöglich gemacht.
Der Schöffentat habe schon mehrmals Stellung genommen, meinte Baum: „Jedes Mal ist jemand anderes schuld. Die Bürger, die den PAG nicht verstanden haben, die Opposition, die Regierung oder die Presse. Nur nicht sie selbst, die politischen Verantwortlichen.“
Entsetzliche Rhetorik
Frank Jost wies darauf hin, dass wir in einem Zeitalter leben, in dem Jugendliche nach Abschluss ihres Studiums prekarisiert werden, weil sie oft nicht sofort einen Job finden. In einem Zeitalter, in dem Menschen alleine leben, obwohl sie das nicht unbedingt wollen, und in dem Migranten die Wohnungspreise auf dem Markt nicht zahlen können, dabei sind sie die Hauptträger der luxemburgischen Wirtschaft. Es gebe viele praktische Vorschläge alternativer Wohnformen, die von der Regierung unterstützt würden, um dem entgegenzuwirken „Diese werden durch den PAG auf dem Grundstück der Stadt Esch unmöglich gemacht“, so Jost.
Seiner Auffassung nach wolle der Schöffenrat die Armen aus der Stadt haben und die Reichen anlocken. „Er gebraucht entsetzliche Begriffe und spricht davon, die Situation zu bereinigen“, kritisierte Jost. Außerdem ginge die Anzahl an Wohnungen, die die Gemeinde zu einem vernünftigen Preis vermietet, ständig zurück. Ein Großteil dieser Wohnungen sei nicht besetzt – mit der Ausrede, sie müssten erst renoviert werden.
Jost fragte sich, wo die Aussage des Schöffenrats herkommt, dass Wohngemeinschaften die Preise in die Höhe treiben. Der Meinung von „déi Lénk“ nach sei eher das Gegenteil der Fall. Auch der Schutz der Einfamilienhäuser stehe nicht im Zusammenhang mit Wohngemeinschaften. Dass es einem Hauseigentümer nicht erlaubt ist, „Kaninchenställe“ zu bauen und Menschen dort zusammen einzupferchen, um sich zu bereichern, sei gut so – aber das sei eben schon per Gesetz geregelt. Wenn jemand sich nicht daran hält, müsse das Gesetz angewandt werden. „Der Kampf gegen die Café-Zimmer ist eine Ausrede, um die Gentrifizierung voranzutreiben.“
Mit den Zukunftsvierteln „Rout Lëns“, Esch-Schifflingen und dem „Crassier Terres Rouges“ kämen enorme Möglichkeiten auf die Gemeinde zu, um in den Bau sozialer Wohnungen zu investieren. „Die Kommunen müssen die Stadtplanung selbst in die Hand nehmen und sie nicht den Baufirmen überlassen“, sagte Frank Jost. „déi Lénk“ verlangt, dass die zweifelhaften Definitionen aus dem PAG umgehend gestrichen werden.
„déi Lénk“ sowie die LSAP haben jeweils einen Punkt zum PAG auf die Tagesordnung der letzten Gemeinderatssitzung vor den Sommerferien setzen lassen. Demnach verspricht es, am Freitag dieser Woche zu hitzigen Diskussionen im Stadthaus zu kommen.
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