Editorial / Dem Sport würde eine Vorreiterrolle im Kampf gegen sexuelle Gewalt gut zu Gesicht stehen
Zumindest im Ausland fängt der Begriff „Safe Sport“ an, geläufiger zu werden. Es geht darum, Kinder und Jugendliche besser vor sexualisierter Gewalt im Sport zu schützen. In Deutschland wurde die Gründung eines Zentrums für „Safe Sport“ im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Sexueller Missbrauch findet zwar vor allem im engen Familienkreis statt, aber auch der Sport bietet einen besonderen Nährboden für Übergriffe. Es ist die Kombination aus Vertrauensverhältnis zwischen Sportler und Trainer und der Machtposition, in der sich Letzterer zugleich befindet. Dieses Zusammenspiel findet man nicht nur im Sport, sondern auch in Musikvereinen, bei den Pfadfindern und anderen Organisationen. Dass das Problem im Sport aber besonders groß ist, hat eine Studie in Deutschland ergeben, die zum Schluss kam, dass hier doppelt so viele Kinder sexuell missbraucht werden als in der katholischen und evangelischen Kirche zusammen.
Dennoch scheint das Thema vor allem im Luxemburger Sport immer noch ein großes Tabu zu sein. Wird es doch angesprochen, ist gleich von Stigmatisierung die Rede. Davor hat der ehemalige Sportminister Dan Kersch (LSAP) sogar in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der CSV-Abgeordneten Nancy Kemp-Arendt gewarnt. Doch so lange das Thema nicht offen diskutiert wird, ist es nicht möglich, die Gefahren zu erkennen, geschweige denn die Opfer besser zu schützen.
Dabei braucht es ein wesentlich größeres Bewusstsein für dieses Thema in der Luxemburger Sportwelt. Vergangene Woche hatte der entlassene Schwimm-Nationaltrainer Juan Jaime Arroyo-Toledo gegenüber dem Tageblatt erklärt, dass er bei seiner Einstellung nicht einmal einen Auszug aus dem Strafregister vorweisen musste. Und das für ein Amt, in dem er tagtäglich mit Kindern und Jugendlichen zu tun hat. Hinzu kommt noch, dass viele Verbände und Vereine nicht einmal wissen, dass ein normaler Auszug aus dem Strafregister in Luxemburg nicht ausreicht. Die Verurteilungen für an Minderjährigen begangene Straftaten sind nämlich im „Bulletin 5“ eingetragen. Zumindest scheint noch lange nicht jeder Verband oder Verein darauf zurückzugreifen. Das allein zeigt schon den Nachholbedarf, den es in diesem Bereich gibt.
Dem Sport in Luxemburg würde es gut zu Gesicht stehen, eine Vorreiterrolle im Kampf gegen sexualisierte Gewalt einzunehmen und sich nicht vor einer möglichen Stigmatisierung zu fürchten. Seine Kinder in einen Sportverein zu geben, ist immer noch mit das Beste, was Eltern tun können, sowohl für die körperliche Entwicklung als auch für die Entfaltung der Persönlichkeit. Und nicht hinter jedem Trainer versteckt sich ein Sexualstraftäter. Aber Sexualstraftäter suchen sich halt ein geeignetes Umfeld für ihre Taten und dieses finden sie im Sport, solange kein größeres Bewusstsein für diese Problematik entsteht.
Nein, Luxemburg braucht kein spezifisches Zentrum für „Safe Sport“, wie Deutschland es bekommen wird, aber die nationale Sportbewegung könnte sich für eine unabhängige Struktur in Luxemburg starkmachen, die der gesamten Gesellschaft im Kampf gegen sexuellen Missbrauch helfen würde.
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