NGT-Züchtungen / Demnächst Gentechnik auf dem Teller? Versprechen, Kritik und Verbraucherschutzfragen
Ausschneiden oder umbauen und damit neu programmieren: Das soll zukünftig an Nutzpflanzen möglich sein, ohne es zu kennzeichnen. Die EU plant ein weitreichendes neues Gentechnikgesetz für die Landwirtschaft. Das betrifft auch den Obst- und Gemüseanbau. Die Erwartungen sind genauso groß wie die Befürchtungen.
In dem rund 8.000 Quadratmeter großen Garten hinter Schloss Ansemburg läuft gerade die Saatgutproduktion an. Mangold, Rotkohl, oder Sellerie und etwa 20 andere Gemüsearten müssen in den Boden gesetzt werden, um neue Samen für die nächste Ernte zu gewinnen. Frank Adams (63) hat das Stück Land gepachtet. Der Gemüsegärtner mit einem Meisterbrief entdeckt es vor 30 Jahren, als er in die Gegend zieht.
Seitdem experimentiert er mit regionalen Gemüsesorten und vermehrt ihr Saatgut, um sie widerstandsfähiger zu machen. Samen und Pflanzen passen sich an Klima und Boden des Landes an und brauchen keine Pestizide. Es ist Bio-Qualität. Der kleine Zwei-Mann-Betrieb in Ansemburg, in dem auch Auszubildende und Ehrenamtliche mithelfen, verteilt sein Saatgut an Hobby- und Marktgärtner.
Ein paar Gemüseanbaubetriebe sind „Stammkunden“, sagt Adams. Sie kommen aus der Solidarischen Landwirtschaft oder dem Sozialbereich wie dem „Centre d’initiative et de gestion local“ (CIGL) in Esch/Alzette und kaufen die aus den Pflanzen gewonnenen Samen. Die Qualität kontrolliert die „Administration des services techniques de l’agriculture“, kurz ASTA, des Landwirtschaftsministeriums. „Wir sind sehr zufrieden mit dem Gemüse, das wir aus den Samen gewinnen“, sagt David S’Jongers (38).
Lokale Samen für lokales Gemüse
Der gelernte Gemüsegärtner ist seit 2018 verantwortlich für den Anbau beim CIGL in Esch/Alzette. 20.000 Lauchpflanzen haben sie letztes Jahr aus den Samen von Ansemburg gewonnen, die an Geschmack und Form nichts zu wünschen übrigließen. Auch für das Basilikum, Kürbis und Gurken kamen die Samen von dort. Das Gemüse wird auf Wochenmärkten wie in Esch verkauft, Restaurants in der Minettestadt sind weitere Abnehmer der CIGL-Produkte.
Zurück zu Frank Adams: Er ist außerdem Mitbegründer und Sekretär der Initiative SEED, die sich für die Erhaltung und Verbreitung regionaler Gemüsesorten im Land engagiert. Sein Wissen gibt er am „Lycée technique agricole“ (LTA) in Gilsdorf weiter und bildet dessen Schüler im Gemüseanbau aus. „Die Qualität des Saatguts ist entscheidend für die Qualität des Essens, das anschließend auf dem Tisch steht“, sagt er. Die von ihm produzierten Samen sind auf natürliche Weise widerstandsfähig gegen Schädlinge.
Wenn es um die neue Gentechnikverordnung geht, die in Brüssel gerade auf dem Instanzenweg ist, steigen ihm allerdings Sorgenfalten auf die Stirn. „Es gibt sehr viele, die die neue Gentechnik als viel weniger risikoreich und viel präziser ansehen“, sagt er. Die neuen Techniken (NGT), die zum Einsatz kommen, sehen künstliche Einschnitte an der DNA der Pflanzen vor. Sie wird umgebaut und neu programmiert. Saatguthersteller, die mit NGT arbeiten, sollen darauf Patente erhalten.
Patente und Absatz ein Milliardengeschäft
Das, so ist die Befürchtung, bringt Saatgutabnehmer wie professionelle Gärtner und Landwirte in zunehmende Abhängigkeit eines ehedem konzentrierten Marktes. Die deutsche Bayer mit Monsanto, die amerikanische Corteva und die chinesische ChemChina sind die drei größten Saatguthersteller weltweit und erzielen Milliardenumsätze. Dabei ist die Idee gut. „Neue Genomische Techniken“ (NGT) an Nutzpflanzen sollen der Landwirtschaft dabei helfen, mit dem Klimawandel besser zurechtzukommen.
Am Ende von allem steht das Ziel, immer genug Nahrungsmittel liefern zu können. Luxemburg beispielsweise importiert gerade im Obst- und Gemüsebereich das meiste, weil es landesweit zu wenig Anbau gibt. Der Selbstversorgungsbereich liegt bei deutlich unter fünf Prozent, wie aus dem Bericht „Landwirtschaft 2.0“ von 22 NGOs aus dem Jahr 2017 hervorgeht. Krankheitsresistent sollen die Pflanzen nach dem Willen der Brüsseler Bürokraten sein und sie sollen möglichst effizient mit dem Verbrauch von Wasser und Nährstoffen haushalten.
Der entsprechende Gesetzentwurf sieht bis zu 20 Labor-Veränderungen an der DNA der Pflanzen vor, ohne dass sie zukünftig als Gentechnik deklariert werden müssen. Das, was Menschen wie Frank Adams, Initiativen wie SEED oder Umweltorganisationen wie Greenpeace zur öffentlichen Kritik treibt, ist die Tatsache, dass diese Pflanzen den konventionellen Züchtungen, wie Frank Adams sie betreibt, gleichgestellt werden sollen. Damit werden Risikoprüfung, Rückverfolgbarkeit, Haftung und Kennzeichnungen stark aufgeweicht.
Fehlende Risikoanalyse und genetische Verunreinigung
„Die Argumentation ist, dass auch bei herkömmlichen Kreuzungen zweier Pflanzen in die Genetik eingegriffen wird“, sagt Adams. „Das Resultat bei Genschere oder Kreuzungen auf dem Feld wird als gleich angesehen.“ Angesichts mangelnder Belege über die Langzeiteffekte der NGT-Technik ist das für die Gegner der Gesetzesinitiative zweifelhaft. „Unter Laborbedingungen verändert man etwas, das nachher in der Natur wachsen und uns Essen liefern soll“, sagt Adams. Damit wäre dann vielleicht auch bald Schluss mit dem Schild, das auf vielen Biohöfen prangt: „Wir arbeiten ohne Gentechnik.“
Weltweit konzentriert sich der kommerzielle Anbau von Gentechnikpflanzen nach Angaben der deutschen Umweltorganisation BUND bisher hauptsächlich auf vier Pflanzenarten: Soja, Mais, Baumwolle und Raps. Europa ist nach Angaben von Greenpeace Luxemburg weitgehend gentechnikfrei. Eine weitere Befürchtung ist die genetische Verunreinigung von konventionellen oder Bio-Kulturen. Ausschließen oder verhindern kann man den Pollenflug von gentechnisch veränderten Pflanzen nicht.
Hinzu kommen Verbraucherschutzfragen. „Bei einer Zulassung des Gesetzes ist die Transparenz bei der Wahl der Produkte im Laden in Gefahr“, sagt Adams. Das bemängelt auch Greenpeace. „Deswegen fordern wir, dass unbedingt eine Risikoanalyse und ein Monitoring gemacht werden müssen“, sagt Raymond Aendekerk (63), seit 2016 Direktor von Greenpeace Luxemburg. „Es ist ein künstlicher Eingriff in die Genstruktur der Pflanzen, und das muss gekennzeichnet sein.“ In seinen Augen werden die Eingriffe von den Befürwortern von NGT verniedlicht. Deswegen lässt er auch den Vorwurf nicht gelten, die Gegner des Gesetzes wollten den Fortschritt behindern.
Viele Versprechungen und fehlende Beweise
Geht die Gesetzesinitiative so durch wie geplant, weiß der Verbraucher nicht mehr, ob er gerade ein gentechnisch verändertes oder ein nicht gentechnisch verändertes Gemüse auf dem Teller hat. Er weiß auch nicht, was der Konsum langfristig für Auswirkungen hat und ob er welche hat. Das gilt für Tomaten, Karotten oder Salat, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Frank Adams hingegen spürt ein wachsendes Interesse an seinem lokalen Saatgut.
Wo kommt der Samen und letztendlich das Gemüse auf dem Teller her, ist eine Frage, die nicht mehr nur ihn interessiert. Die Nachfrage nach Samen aus Ansemburg wächst. Trotzdem bleibt: Der Zwiespalt ist groß. Die neue Gentechnik liefert viele Versprechen und viele Konjunktive wie „könnte“ oder „sollte“. Beweise, dass sie unbedenklich ist und dauerhaft funktioniert, gibt es bislang nicht.
Stand der Dinge: Das neue Gentechnikgesetz auf dem Instanzenweg
Am 7. Februar 2024 hat das Europaparlament dem Vorschlag, NGT zuzulassen, zugestimmt. Allerdings gibt es noch viel Diskussionsstoff über die Umsetzung des Gesetzes. Die nächste Beratung dazu liegt nach Angaben von Greenpeace beim Ministerrat. Danach beginnt der Trilog zwischen Ministerrat, Kommission und Parlament, um aus den Vorschlägen der Kommission, den abgestimmten Ergebnissen im Parlament und der Position der Mitgliedstaaten den neuen Gesetzesrahmen zu verhandeln. Allerdings steht die Neuwahl des EU-Parlaments im Juni an. „Wenn sie sich nicht vorher einigen können, kann es erst im Herbst weitergehen“, sagt Greenpeace-Direktor Aendekerk.
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Geentechnik, gehei’ert dach och zur Krankheet „Wuesthum“.
Emmer mei produzei’eren, emmer mei‘ Goss, emmer mei‘ Problemer, och Gesondheetsproblemer .
De Wuesthum vun der Menschheet ass och een Deel vun der Krankheet, an do missten mol Mesuren geholl ginn fir den Populatio’unswuesthum ze begrenzen !
Wann eng Spezies iwerhand kritt, dann gereit all Liewen aus der Balance !