1. Mai / Den ersten Achtstundentag erkämpften einst australische Steinmetze
Der „Tag der Arbeit“ ist ein gesetzlicher Feiertag, an dem Arbeiterrechte und soziale Gerechtigkeit gefeiert werden. Während die Ursprünge des Arbeiterkampfs in Großbritannien und den USA liegen, waren es Kämpfer am anderen Ende der Welt – in Australien und Neuseeland –, die die ersten handfesten Erfolge verbuchten.
In Australien ist am 1. Mai kein Feiertag, obwohl es auch in Down Under einen sogenannten „Labour Day“ gibt – also einen „Tag der Arbeit“. Und auch in Australien ist dieser „Labour Day“ ein Feiertag. Allerdings wird er je nach Bundesstaat an einem anderen Tag begangen: am ersten Montag im Mai, am ersten Montag im Oktober und in einigen Staaten auch schon im März.
Der 1. Mai als Feiertag sucht seinen Ursprung eher in den USA, wo er einst der sogenannte „Moving Day“ war, an dem viele Arbeitsverträge endeten oder neu abgeschlossen wurden. Auch ein erster Generalstreik in den USA, bei dem rund 400.000 Arbeiterinnen und Arbeiter für den heute so selbstverständlichen Achtstundentag demonstrierten, fand 1886 am 1. Mai statt.
Doch die ersten erfolgreichen Kämpfe für diesen Achtstundentag und für dadurch deutlich verbesserte Arbeitsbedingungen lassen sich ans andere Ende der Welt verfolgen. Denn obwohl die Gewerkschaftsbewegung in den 1830ern in Großbritannien geboren wurde, soll es ein britischer Schreiner in Neuseeland gewesen sein, der die revolutionäre Idee aus der Heimat 1840 zum vermutlich ersten Mal in die Tat umsetzte.
Im Hafen untergetaucht
So nahm der Schreiner Samuel Parnell damals einen Job für den Aufbau eines Ladens in der neuseeländischen Hauptstadt Wellington rein unter der Bedingung an, dass er nur acht Stunden am Tag arbeiten musste. Berichten zufolge sagte er zu seinem potenziellen Arbeitgeber: „Es sind uns 24 Stunden am Tag gegeben: Acht davon sollten für die Arbeit, acht für den Schlaf und die restlichen acht für die Erholung gedacht sein.“ Den Satz hatte zuvor der britische Sozialreformer Robert Owen geprägt. Nachdem Schreiner damals Mangelware waren, wurde Parnells Wunsch stattgegeben. Die Idee sprach sich herum und andere Arbeiter folgten seinem Beispiel und beschlossen ebenfalls, künftig nur noch von 8 bis 17 Uhr zu arbeiten. Damit sich alle solidarisch zeigten, einigten sie sich darauf, dass jeder, der dagegen verstieß, im Hafen untergetaucht werde.
Deutlich professioneller gingen dann die Arbeiter im benachbarten Australien vor. Hier gab es den ersten offiziell eingeführten Achtstundentag mit vollem Lohnausgleich im Jahr 1856. Auch in Australien waren es britische Handwerker, die sich zuvor schon in der dortigen Arbeiterbewegung engagiert hatten, die bereit waren, auch in ihrer neuen Heimat für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Zahlreiche Briten waren wie auch viele andere Nationen anlässlich des Goldrauschs in den 1850er Jahren in die britische Kolonie am anderen Ende der Welt geströmt.
Dreimal die Acht
Am 21. April 1856 brachten dann die Steinmetze und andere Bauarbeiter in Melbourne den Ball ins Rollen. Sie legten ihre Arbeit nieder und marschierten in einer Protestaktion in Richtung Parlament. Dabei schwenkten sie Transparente, die die symbolträchtigen drei Achter („888“) trugen, die Zahlenkombination, die der Brite Owen einst ins Spiel brachte und die auch Parnell in Neuseeland schon beworben hatte: „Acht Stunden Arbeit, acht Stunden Erholung, acht Stunden Ruhe.“
Wie extrem schlecht die damaligen Arbeitsbedingungen waren, kann man sich heute kaum mehr vorstellen. Doch im 19. Jahrhundert arbeiteten viele Menschen bis zu 14 Stunden am Tag, sechs Tage die Woche. Auch Krankheits- oder Urlaubstage gab es nicht und Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konnten jederzeit und ohne Angabe von Gründen entlassen werden. Gerade in Australien, das zu diesem Zeitpunkt eine britische Kolonie war, und wo viele der ersten Arbeiter Sträflinge waren, gab es kaum Schutz hinsichtlich der Arbeitsbedingungen. Typischerweise arbeiteten die Sträflinge von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang. An Samstagen wurde ebenfalls mehrere Stunden gearbeitet, nur der Sonntag war ein Ruhetag, wobei ein Kirchenbesuch Pflicht war.
Drakonische Strafen
Die Arbeit in der Kolonie war Teil der Bestrafung eines Sträflings und freie Siedler betrachteten Sträflinge zunehmend als „freie“ Arbeitskräfte, wie es auf der Webseite des National Museum Australia heißt. Die erste Arbeitskampfmaßnahme in Australien fand demnach 1791 statt, als Sträflinge in den Streik traten und tägliche statt wöchentliche Lebensmittelrationen forderten. In den Anfangsjahren der Kolonie wurde das Verhältnis zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern durch die britischen „Masters and Servants Acts“ geregelt, die stark auf die Interessen der Arbeitgeber ausgerichtet waren. Mitarbeiter konnten wegen einer Reihe von Verstößen strafrechtlich verfolgt werden, darunter Trunkenheit, unbeurlaubte Abwesenheit und Unaufmerksamkeit gegenüber ihren Pflichten.
Zu den Strafen konnten laut dem Museum Lohnkürzungen oder Gefängnisstrafen gehören. Diese waren nur gerichtlich durchsetzbar, aber da die Richter der gleichen Klasse wie die Arbeitgeber angehörten, wurde in den meisten Fällen zugunsten der Arbeitgeber entschieden. Im Jahr 1822 wurde der Sträflingshirte James Straighter zu 500 Peitschenhieben, einem Monat Einzelhaft und fünf Jahren Gefängnis verurteilt, weil er „die Diener seines Herrn dazu angestiftet hatte, sich zu vereinigen, um ihn zu zwingen, den Lohn und die Rationen zu erhöhen“, wie es vonseiten des Museums heißt.
Ein großer „Segen“: das Wochenende
Insofern war der erfolgreiche Protest der Steinmetze in Melbourne einige Jahrzehnte später eine geradezu heroische Aktion und ein Meilenstein für die internationale Arbeiterbewegung. Trotz der frühen Erfolge sollte es auch in Australien noch fast ein Jahrhundert dauern, bis der Achtstundentag dann wirklich zur Norm wurde. „Eine Fünf-Tage-Woche bescherte uns den großen Segen, das Wochenende“, schrieb John Quiggin, Professor für Volkswirtschaft an der University of Queensland, einst in einem akademischen Aufsatz. Sowohl Produktivität als auch Lebensstandard seien in der Folge stetig verbessert worden. Und auch viele andere industrialisierte Länder folgten der Idee, auch wenn die meisten Erwerbstätigen bis Anfang oder Mitte des 20. Jahrhunderts auf den Achtstundentag warten mussten. In Deutschland wurde er beispielsweise 1918 zunächst für Arbeiter und 1919 auch für Angestellte eingeführt.
Wir müssen mehr Unternehmen dazu bringen, es zu versuchenGeschäftsführer von Perpetual Guardian, zur Vier-Tage-Woche
Auch die Ursprünge der Vier-Tage-Woche liegen übrigens am anderen Ende der Welt. So startete die Firma Perpetual Guardian in Neuseeland 2018 das Experiment, dass Angestellte nur noch vier statt fünf Tage arbeiteten, und das bei gleichem Gehalt. Eine Studie zog bereits nach einigen Monaten ein positives Fazit: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter waren weniger gestresst, deutlich glücklicher und um 20 Prozent produktiver, obwohl sie einen Tag weniger im Büro verbrachten. Auch die Gesamtleistung des Unternehmens sank nicht. 78 Prozent der Mitarbeiter sagten, dass sie das Gefühl hätten, ihre Work-Life-Balance erfolgreich bewältigen zu können, 24 Prozent mehr als bei der Befragung vor dem Experiment. Und auch das Stressniveau der Mitarbeiter sank um sieben Prozent, während die Lebenszufriedenheit insgesamt um fünf Prozent höher lag.
Work-Life-Balance: Mehr Golf, Netflix oder Putzen
Die Angestellten der neuseeländischen Treuhandgesellschaft arbeiten insgesamt 30 Stunden an vier Tagen. Jede Mitarbeiterin und jeder Mitarbeiter hat damit auch während der Woche einen Tag frei. Diesen nutzen einige für ähnliche Aktivitäten wie am Wochenende, zum Beispiel spielen sie Golf oder schauen Netflix. Andere verbringen aber auch mehr Zeit mit ihren Eltern, lernen etwas Neues oder putzen ihr Haus schon während der Woche anstatt am Wochenende.
„Die Manager gaben an, dass ihre Teams durch den Prozess kreativer waren“, sagte Jarrod Haar, ein Professor für Personalmanagement an der Auckland University of Technology, der an der Studie beteiligt war. „Sie mussten an vier Tagen nach Lösungen suchen, um ihre Arbeit zu schaffen.“ Zudem hätten die Führungskräfte einen verbesserten Kundenservice festgestellt. Die Mitarbeiter seien „engagierter und konzentrierter“ gewesen, wenn Kunden anriefen. Zusätzlich dazu konnte die Studie auch eine Stärkung des Teamgedankens feststellen – die Zusammenarbeit klappte deutlich besser. Und auch die Arbeitszufriedenheit sei so sehr gestiegen, dass sich deutlich weniger Mitarbeiter nach einem anderen Job umschauen würden, wie es hieß.
Andrew Barnes, der Geschäftsführer von Perpetual Guardian, sagte Medienvertretern damals, dass es die richtige Zeit für die Idee gewesen sei. „Wir müssen mehr Unternehmen dazu bringen, es zu versuchen“, wurde der Neuseeländer damals in der australischen Ausgabe von The Guardian zitiert. Die Vier-Tage-Woche würde nicht nur eine Verbesserung für Unternehmen und ihre Mitarbeiter bringen, sondern der gesamten Gesellschaft zugutekommen.
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