Editorial / Der Abriss der „Keeseminnen“ ist ein folgenschwerer Fehler
Seit dem Niedergang der Stahlindustrie ist die Luxemburger Südregion auf der Suche nach einer Identität. Im Rahmen der Europäischen Kulturhauptstadt „Esch 2022“ soll über die industrielle Geschichte ein grenzüberschreitendes Zusammengehörigkeitsgefühl geschaffen werden. „Der gemeinsame Stolz auf die Vergangenheit der Stahlindustrie“ vereine die luxemburgische Minetteregion und den französischen Gemeindeverbund „Communauté de communes Pays Haut Val d’Alzette“ (CCPHVA), sagte dessen Präsident Patrick Risser am vergangenen Donnerstag.
Dieser gemeinsame Stolz war in den vergangenen Jahrzehnten nicht besonders ausgeprägt. Sichtbar wird das am Umgang mit den Industriedenkmälern auf beiden Seiten der Grenze. Von Longwy bis Audun-le-Tiche sind kaum noch Zeugen der einst so stolzen Stahlindustrie zu finden. Auch in Esch/Alzette war das Interesse am Erhalt der Industriekultur lange Zeit gering. Mit dem geplanten Abriss der „Keeseminnen“ auf dem Gelände der ehemaligen Brasseurschmelz soll nun erneut ein wichtiges Kulturdenkmal den kommerziellen Interessen eines Baulöwen geopfert werden. Das zeigt einmal mehr, wer die Macht in Luxemburg hat. Wer gehofft hatte, mit einer grünen Kulturministerin würde sich daran etwas ändern, wird nun eines Besseren belehrt.
Industriedenkmäler wie die „Keeseminnen“ sind nicht nur Zeugen technologischer und architektonischer Errungenschaften. Sie sind auch Erinnerungsorte der sozialen und kulturellen Geschichte Luxemburgs. Jahrzehntelang trugen Luxemburger und Einwanderer in den Schmelzen gemeinsame Kämpfe zur Verbesserung der Lohn- und Arbeitsbedingungen aus. Unser Erleben der Gegenwart hängt stark von unserem Wissen über unsere Vergangenheit ab, schrieb der Sozialanthropologe Paul Connerton. Der Abriss der „Keeseminnen“ legt nahe, dass dieses Wissen in manchen politischen Kreisen nicht besonders ausgeprägt oder schlichtweg nicht erwünscht ist.
Die Mitglieder des neu gegründeten CNCI („Centre national pour la culture industrielle“) und Historiker wie Denis Scuto oder Jacques Maas werden nicht müde, auf die kulturgeschichtliche Bedeutung der „Keeseminnen“ hinzuweisen. Von der Stadt Esch, dem Kulturministerium und seiner Denkmalschutzbehörde werden sie als lästige Querulanten abgetan. Ihre Berichte und Gutachten werden schlichtweg ignoriert.
Man stelle sich vor, Ministerin Paulette Lenert und ihr Gesundheitsamt hätten in den vergangenen Monaten die Ratschläge und Warnungen der Virologen und Epidemiologen ihrer Corona-Taskforce als Hysterie zurückgewiesen und die Gesundheit der Bevölkerung aufs Spiel gesetzt, nur um die Unternehmerverbände nicht zu brüskieren. Wenn es um Leib und Leben geht, ist so etwas undenkbar. Wenn es aber um Geschichte und Erinnerung geht, ist es offenbar ganz normal. Wozu braucht Luxemburg eine Uni und ein CNCI, wenn deren wissenschaftliche Erkenntnisse missachtet werden?
Der Unterschied zu Covid-19 ist, dass durch den Abriss der „Keeseminnen“ niemand stirbt oder körperlich krank wird. Doch das Verschwinden des bedeutsamen Industriedenkmals stellt einen schweren Verlust für die Kulturgeschichte und die Identität der Südregion und des gesamten Landes dar.
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Es wurde schon so viel abgerissen, und es wird auch in Zukunft abgerissen werden. Luxemburg hat definitiv kein Geschichtsbewusstsein. Das merkt man unter anderem daran, dass historische Bauten immer wieder als „ale Krëppeng“ abgestempelt werden.
Jo,am Süden ass de lëtzburgischen Wuëlstand op d’Schinnen gesaat gin,mee,an der Staadt,do waren se nie ganz frou mat déen aus dem ,,Eck,,;ech wees,daat gefällt villen Leit nit,sin nun awer Tatsaachen!
Oh Mann, da scheint ja jemand wirklich mit vollem Herzen an den Keeseminnen zu hängen.
Dabei sehen diese Gebäude wie eine bombastische postapokalyptische Filmkulisse à la Mad Max aus, häßliche unheimliche Gebäude, die an das schmutzige Esch von vor den Elektrohochöfen erinnern und höchstens noch zum gefährlichen Abenteuerspielplatz taugen.
Schauen Sie sich die Gebäude mal mit nüchternen Augen an, statt mit historisch verklärten.
Machen Sie Fotos und Maquettes, um an die Geschichte zu erinnern und überlassen Sie den Platz den Lebenden. Auf Belval gibt es schon genügend solcher dystopischen Bauten, vor denen man sich gruseln kann. Mehr brauchen wir nicht.
Und wenn irgend jemand nach Identität für den Minett sucht, dass sind es die Journalisten und Historiker, nicht die Menschen, die dort leben und arbeiten .
MfG
Ein historisch interessierter Minetter
Der Abriss der „Keeseminnen“ ist ohne Zweifel ein historischer Fehler. Die „Keeseminnen“ zeigen, wenn es auch nicht direkt augenscheinlich ist, den geschichtlichen Werdegang der Stadt Esch auf. Mit der technologischen Weiterentwicklung der „Brasseurschmelz“ ging auch die Stadentwicklung einher, durch Entstehung neuer Stadviertel.
Die „Keeseminnen“waren im Jahr ihrer Erbauung (1907) nicht nur wegen ihre Bauweise (béton armé) sondern auch in technologischer Hinsicht eine Anlage, welche den Zustellungsprozess der hochöfen der damaligen Stahlindustrie revolutioniefrte. Es gab in jener Zeit keine vergleichbare Erzförderanlage. Die auf der Hütte Terre-Rouge errichtete Anlage funktionierte so zufriedenstellend, dass die Gelsenkirchener Gesellschaft den Plan fasste, auf ihrem Hüttenwerk in Deutsch-Oth eine vergleichbare Anlage zu errichten.
Da ich ein neugieriger Mensch bin würde mch interessieren, welche Kriterien von der „Denkmalschutzbehörde“ angewandt wurden, um dieses historische Monument nicht zu erhalten. Wären die „Keeseminnen“ eine Burg, wäre vielleicht anders entschieden worden. Man weiss es nicht! Könnte es vielleicht sein, dass den Verantwortlichen in der „Denkmalschutzbehörde“das Mittelalter näher liegt, als die jüngere industrielle Vergangenheit des Landes?
@ Dan : „“Ein historisch interessierter Minetter““ daat kann, gemaess aeren Kommentar jo nemmen eng Ligen sinn !
De Fehler vun den Keeseminen ass wuel virun 40 Johr geschidt, well se net schons dunn an Valeur gesaat ginn sinn !
Ich wohne keine 300 Meter weit weg und ich spüre nicht die geringsten Folgen, keine leichten und keine schweren.
Ich bin froh, dass der Schandfleck endlich verschwindet.
Vleicht hätten dei, dei sech elo esou künstlech opreegen, e puer Joer eischter sollen opstoen. Dunn, ier den ganzen Wouscht baufälleg war. An sollen Souen sammelen vier et an d’Reih ze brengen. Einfach meckeren geet net duer. Da muss een och bereed sinn eppes vir den Erhalt op den Desch ze léen…enner aanerem Geld. An dat och nach wann meiglech ier et ze speit ass. Soss geseit dat e bessen no Profileierungssucht an Eegeninteressen vun den Meckerer aus …
@ Nomi
*grins*
Oh, ich bin Minetter und ich bin historisch interessiert, nur nicht an Industriebauten. Es gibt ja ein paar und das ist auch gut so. Aber alles erhalten, das finde ich maßlos übertrieben.
Ich bin im Minett aufgewachsen und habe zwischen all diesen düsteren Gebäuden gelebt. Da kam eher das Gefühl von „erdrückt werden“ auf und nicht Freude und Lebenslust.
Rappt deen däämlechen Héichuewen um Belval gläich mat ewech.
Diese Pappnasen wollen ja auch allen Ernstes die 100.000 Häuser die nach dem Krieg bis 1955 aus dem Boden gestampft wurden, mit Schotter, Minettesteine, Schieferblöcken und anderem Dreck der nichts gekostet hat, und von Leuten ohne Ahnung selber gebaut wurden, unter Denkmalschutz stellen.
Die haben sie nicht mehr alle.
Der Abriss mach aus einer bestimmten Sicht ein Fehler sein. Aber folgenschwer? Die Folge ist doch „nur“, dass hier schon wieder Wohnraum entsteht, den anscheinend niemand haben will.
„Die auf der Hütte Terre-Rouge errichtete Anlage funktionierte so zufriedenstellend, dass die Gelsenkirchener Gesellschaft den Plan fasste, auf ihrem Hüttenwerk in Deutsch-Oth eine vergleichbare Anlage zu errichten.“
Deutsch-Oth ist ja auch fast 9 Kilometer weit weg, es war also eine Weltumspannende Neuheit.
Déi di sech loo sou opreegen, déi woaren 30 Joer laang um Rudder an woaren an der Responsabilitéit. Si hun aaawer 30 Joer näischt ennerholl fir daat ganzt beim ”Sites et monuments“ schützen ze loossen!
A loo wou et rotzfaul as an nett mi méijlech as/ et nett dowärt mi as well keng Souen (weeder vum Staat nach vum der Geméng) doo sin, loo sin di amtéiernd Politiker di Béis.
@ DANV :
„“De Fehler vun den Keeseminen ass wuel virun 40 Johr geschidt, well se net schons dunn an Valeur gesaat ginn sinn !““
Domadder hun ech net gesoot datt se sollen erhaalen bleiwen ! Ech so’en datt et elo ze speid ass fir dei baufaelleg Konstruktio’un ze restaurei’eren !
@ Nomi
Mäi *grins“ hat näischt direkt mat de Keeseminnen ze dinn, mee domat, dass Der supposéiert hutt, ech wär weder Minetter nach historesch interesséiert.
Mäin agewanderten Uergrousspapp géif wahrscheinlech soen, de Stolz vum Minett si keng Gebaier (wéi et hei esou pathetesch beschriwe gëtt), mee dass seng Kanner an di Generatiounen dono et wäit bruecht hunn.
Ich bin dafür dass alles abgerissen und planiert wird und der Kuhstall der vorher da stand wieder errichtet wird nach präzisen Vorgaben des Denkmalschutzes.
@Rosie: Ich bin eher für das neolithische Dorf.
Vive Esch 2022! Do gesäit een, dass dat Kulturgesabbels wirklech just Gesabbels ass. An enger Stad mat Kultur a fähegen Kulturbeamten wier dat net geschitt! Denkmalschutz – Fehlanzeige. Kreativitéit an Innovatioun – wat ass dat?