/ Der Bienenstock: Ein Blick hinter die Kulissen des Weltkonzerns Amazon
Innerhalb von zwei Dekaden ist Amazon zur wertvollsten Marke der Welt geworden. Der Konzern mit EU-Sitz in Luxemburg überlässt dabei nichts dem Zufall. Ein Besuch in einem Lager, das auch Luxemburg beliefert.
„Work hard. have fun. make history.“ Diese Wörter stehen in kleinen Lettern über dem Eingangstor der Lagerhalle. Dahinter reihenweise gelbe Regale, braune Kartonpakete und schwarze Fließbänder. Sie stehen noch still. Es ist 9.20 Uhr, die Schicht beginnt erst um 10.15 Uhr. Aus Effizienzgründen, wie es heißt, wolle man den Pendlerverkehr meiden.
Im Eingangsbereich laufen die ersten Mitarbeiter ein. Frauen mit Jeans und Tattoos an den Oberarmen, Männer mit Trikots der deutschen Nationalmannschaft und kurzen Hosen. Alle tragen Sneakers. Sie haben braune Haare, schwarze Haare, blonde Haare, manche auch rote Haare oder keine Haare. Aber niemand hat graue Haare.
„Sind Sie für ein Bewerbungsgespräch hier?“, fragt jemand vom Sicherheitsdienst mit Kippa einen Mann. Er ist der Einzige, der sich nicht in irgendeine Richtung bewegt, sondern lediglich im Eingangsbereich weilt und die Szenerie beobachtet. „Ich bin Journalist und für den Pressetermin hier.“
Vor rund einem Jahr hat das FRA7 des Konzerns Amazon in Frankenthal eröffnet, nur rund zwei Autostunden von Luxemburg entfernt. Es handelt sich um ein sogenanntes Fulfillment Center, ein Logistikzentrum, in dem Artikel in Kartons verpackt werden. Oder, wie Johannes Weingärtner sagt, „verheiratet werden“. Er leitet das Fulfillment Center und ist mit 33 Jahren der jüngste Standortleiter.
Weingärtner hat für diesen Tag Presse und Politik geladen, um sein hypermodernes Logistikzentrum vorzustellen. Er habe sich eigens ein neues Hemd gekauft und sich rasiert, heißt es von seinen Mitarbeitern. Er würde sonst immer nur lässig ein Shirt tragen. Das eigentlich Revolutionäre von Amazon liegt nicht im Logistikbereich, sagt ein Journalist. Es liegt im Kleidungsstil. Nach mehr als 100 Jahren heißt es: au revoir Anzug und Krawatte.
Fahrbare Revolution
In einem Jahr ist der Personalbestand in FRA7 von 300 auf 1.600 Mitarbeiter angewachsen. Täglich bepacken sie 100 Lastwagen, die den deutschen Südwesten, aber auch Luxemburg beliefern. Der am häufigsten versandte Artikel im ersten Jahr: die DVD von „Game of Thrones“.
„Schon gestempelt?“, steht an der Eingangshalle. Gleich daneben ein Briefkasten mit der Aufschrift „Krankenschein“. Weingärtner ignoriert die Beschilderung und führt seine Gäste über blaue Linien am Boden des Lagers zu den Stars des Zentrums. Das sind nicht die rund 1.600 „Amazonians“, die Angestellten, die täglich stempeln und gelegentlich Krankenscheine ausfüllen müssen, sondern fahrbare Regale: Transportroboter.
Alles im Fluss
Weingärtner bezeichnet ihr System als „revolutionär“. Der Grund: „Unsere Mitarbeiter laufen nicht zu den Regalen, die Regale kommen zu ihnen“, erklärt er. Diese Änderung des Arbeitsprozesses im Geist des Fordismus hat dem Konzern einen riesigen Produktionsvorteil verschafft. Durch die 35.000 fahrbaren Regale können Artikel und Fach in FRA7 noch schneller „verheiratet“, die Pakete noch schneller zum Kunden geliefert werden.
Die Roboter fahren in flottem Schritttempo in einem mehrere Fußballfelder großen Raum. Die Logik, nach der sie sich bewegen, lässt sich für Beobachter kaum erschließen. Deshalb ist ihr Raum auch umzäunt. „Die Gefahr von Unfällen ist sonst zu groß“, sagt Markus Meel, der mit seinen 30 Jahren bereits den Titel Senior Operations Manager trägt.
Nur ausgebildete Mitarbeiter mit roten Uniformen dürfen sich innerhalb des Robokäfigs aufhalten. Alle anderen müssen vorschriftsgemäß an ihrem genau definierten Posten bleiben – und darauf warten, bis die Regale zu ihnen kommen. Wenn sie ihn verlassen, um eine Pause einzulegen oder auf Toilette zu gehen, müssen sie es mitteilen, damit jemand anderes den Posten belegt. Nur so ist der einwandfreie Prozess möglich. Production first.
„Wir können genau nachverfolgen, was unsere Mitarbeiter leisten“, sagt Meel und fügt in Erwartung der Folgefrage hinzu: „Und ja, wir geben auch Quoten vor.“ Wegen zu hoher Arbeitsbelastung steht der Konzern seit mehreren Jahren in der Kritik. Presseberichte aus den Vereinigten Staaten, aber auch aus Europa zeichneten das Bild einer Arbeitskultur, die weit über die Belastungsgrenze hinausgeht – durch die Menschen vor Erschöpfung krank werden.
Der Konzern ist sich dieser Kritik bewusst: „Wir fordern, aber überfordern unsere Mitarbeiter nicht“, heißt es. Deren Gesundheit und Wohlergehen seien auch im Interesse des Unternehmens. Wer sich an diesem Tag mit den Mitarbeitern unterhält, wird kein anderes Bild vermittelt bekommen. „Ja, die Arbeit kann schon anstrengend sein“, sagt eine Frau mit rot gefärbten Haaren, während sie ein Paket scannt. Aber über zu hohe Belastung könne sie nicht klagen. Die Arbeit bringe vor allem „gutes Geld“. 11,25 Euro die Stunde verdienen fest angestellte Packer bei Amazon im Fulfillment Center. Im Monat erhalten sie einen Bruttolohn von rund 2.500 Euro – ein Wert, der sich über dem Branchendurchschnitt in Deutschland befindet.
„Haufen sind immer schlecht“, sagt Weingärtner und zeigt auf mehrere Meter große LED-Bildschirme. Er hat seine Gäste mittlerweile in die Kommandozentrale, das „Gehirn“ des Logistikzentrums, geführt. Hier können Roboter, Förderbänder sowie der gesamte Prozess kontrolliert und gesteuert werden. Das Kommandodeck ist mit der Schaltzentrale in Barcelona verbunden, die wiederum mit Seattle, dem globalen Sitz, verbunden ist.
Alles ist vernetzt
Es ist typisch für die Philosophie von Amazon: Alles ist mit allem vernetzt. So lässt sich jede Etappe der Produktionskette bis ins letzte Detail kontrollieren und gegebenenfalls optimieren. Es sei nicht so, dass der Einzelne nicht eigene Ideen einbringen könne, sagt Meel. Individualität und Kreativität seien durchaus gefragt, wenn es darum geht, Prozesse zu verbessern. Die Ideen werden gesammelt, lokal getestet und, sollten sie sich bewähren, global reproduziert. Nach dem Prinzip der natürlichen Auslese: Erfolgreiche Strategien setzen sich durch.
Ob er denn tatsächlich davon überzeugt sei, hart zu arbeiten, Spaß zu haben und Geschichte zu schreiben, will man am Ende des Tages vom jüngsten Standortleiter wissen. Die Antwort ist ebenso knapp wie klar: „Ja.“
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Déi läscht Woch wor an der „Last Week Tonight“ vum John Oliver och eng 20 minüteg Reportage iwwert dësen Betrieb. Vu dass ech den ganzen Text hei net liesen kann, kann ech awer déi Reportage empfeelen:
witzeg, opschlussreich an interessant. Esou kann een dann winnstens en connaissance de cause op Amazon akaafen, oder och net méi…