Krieg in Nahost / Der „Globale Süden“ sympathisiert mit den Palästinensern
Viele Länder im „Globalen Süden“ machen Israel für die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten verantwortlich und solidarisieren sich mit den Palästinensern.
Der Überfall der Hamas auf Israel hat unabsehbare Folgen für das globale Machtgefüge. Der 7. Oktober 2023 werde als „schwarzer Tag in die Geschichte eingehen“, schreibt der Politologe und Journalist Markus Bickel. Die Weltöffentlichkeit ist entsetzt über die Grausamkeit der mörderischen Aktion der Hamas, aber auch über das Leid in Gaza durch die israelische Vergeltungsaktion. Während für die meisten westlichen Staaten die Sicherheit Israels im Vordergrund steht, machen viele Menschen im sogenannten Globalen Süden Israel für die Gewalt verantwortlich, die es erleidet.
Drohungen gegen Juden in Südafrika
So kam es etwa in Südafrika bei Anti-Israel-Protesten zu judenfeindlichen Exzessen. „Die Zionisten in diesem Land dürfen nicht glauben, dass sie sich in diesem Land frei bewegen können“, rief einer der Führer der Organisation Pagad. Das Kürzel steht für „People Against Gangsterism And Drugs“. Die militante Gruppe wurde Mitte der 90er-Jahre in den Vororten von Kapstadt als Antwort auf die zunehmende Gewalt krimineller Banden und den ausufernden Drogenhandel in den Townships gegründet. Ihre Methode war angewandte Lynchjustiz: Pagad-Mitglieder töteten einen Gangsterboss nach dem anderen. Der Organisation wurden Kontakte zu den afghanischen Taliban vorgeworfen. „Der Koran ist unsere Verfassung, der Dschihad ist unser Mittel“, sagte Pagad-Anführer Abdus Salaam Ebrahim. Den in Südafrika lebenden Juden drohte er: „Wir müssen in ihre Geschäfte gehen. Wir müssen sicherstellen, dass wir sie auf die gleiche Weise ins Visier nehmen, wie sie unser Volk getötet haben.“ David Saks vom South African Jewish Board of Deputies stellte fest: „Die hasserfüllten Beschimpfungen haben ein Ausmaß an Heftigkeit erreicht, das entschlossenes Handeln erfordert, um die Sicherheit unserer Gemeinschaft zu gewährleisten.“
Südafrika, wo die größte jüdische Gemeinde Afrikas lebt, ist ein Wortführer der Israel-Gegner im Globalen Süden. Die Regierung in Pretoria nehme eine „radikale und äußerst kritische“ Haltung gegenüber Israel ein, konstatiert der politische Analyst Ran Greenstein von der Witwatersrand-Universität in Johannesburg. Sie sprach von israelischen Kriegsverbrechen, forderte Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag und drohte mit einer Ausweisung des israelischen Botschafters. Die Regierungspartei „African National Congress“ (ANC) plädiert seit Jahren für ein „freies Palästina“ und lädt Hamas-Vertreter zu Konferenzen ein. Staatschef Cyril Ramaphosa und die ANC-Führungsriege zeigten sich mit Palästinensertuch und Palästina-Fähnchen in der Hand. Ein Grund dürfte sein, dass der ANC Parallelen zwischen der Apartheid und der israelischen Politik zieht sowie Israel als Kolonialmacht und die Hamas als Befreiungsorganisation betrachtet. Selbst die Nationalikone Nelson Mandela hatte einst gesagt, dass „unser Freiheitskampf ohne die Freiheit der Palästinenser unvollständig bleibt“.
Israel als Kolonialmacht
Auch zahlreiche andere afrikanische Staaten haben das israelische Bombardement des Gazastreifens verurteilt. Israel wird als Unterdrücker betrachtet. Die Afrikanische Union (AU) bezeichnet „die Verweigerung der Grundrechte des palästinensischen Volkes“ als Hauptgrund des Konflikts, bleibt jedoch neutral. Viele Staaten Afrikas seien noch vom Gefühl der Befreiung aus dem Unabhängigkeitskampf geprägt, meint Joachim Buwembo. Der ugandische Publizist schreibt: „Viele afrikanische Intellektuelle hinterfragen die Obsession der Welt vom Nahostkonflikt, während gleichzeitig über die fürchterlichen Konflikte auf dem afrikanischen Kontinent hinweggesehen wird.“ Unterdessen haben Ghana und Kenia ihre Solidarität mit Israel bekundet und Nigerias Präsident Bola Tinubu rief zum Dialog zwischen Israel und den Palästinensern auf.
„Der Krieg gegen den Faschismus, die Offenlegung der nationalsozialistischen Verbrechen an den Juden und der lange Kampf gegen den Kommunismus haben westliche Politiker und Journalisten zu lange von einem (…) viel größeren und folgenreicheren Ereignis des 20. Jahrhundert abgelenkt: von der Dekolonialisierung, also von der Befreiung des größten Teils der Weltbevölkerung vom rassistischen und despotischen Kolonialismus“, schreibt der indische Schriftsteller Pankaj Mishra. „Sie konnten oder wollten nicht begreifen, dass sich durch die partielle Befreiung des größten Teils der Weltbevölkerung von der westlichen Vorherrschaft dort neue Denkweisen und Weltsichten entwickelt haben. Zum Beispiel die verbreitete Ablehnung der westlichen Parteinahme für Israel.“
„Doppelmoral“ des Westens
Viele Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika werfen dem Westen eine „Doppelmoral“ im Umgang mit Menschenrechten vor und sehen in seiner Haltung im Nahostkonflikt einen Beweis dafür, „dass er internationale Regeln und Normen selektiv anwendet – je nach geopolitischem Interesse und nicht auf universelle Weise“, schreibt der deutsch-brasilianische Politologe Oliver della Costa Stuenkel von der School of International Relations der Fundação Getulio Vargas in der US-Fachzeitschrift Foreign Policy. Zwar verurteilte die Regierung in Brasilia das Massaker der Hamas an israelischen Zivilisten, andererseits traf sich Präsident Luiz Inacio „Lula“ da Silva mit dem antisemitischen ehemaligen Pink-Floyd-Musiker Roger Waters. In Argentinien verurteilte Staatschef Alberto Fernández den „terroristischen Angriff der Hamas gegen den Staat Israel“. Das Land hat die größte jüdische Gemeinschaft in Lateinamerika – mindestens sieben Argentinier wurden beim Überfall der Hamas getötet – und war in den 90er-Jahren Ziel zweier schwerer antisemitischer Bombenattentate: Am 17. März 1992 starben bei einem Anschlag auf die Botschaft Israels in Buenos Aires 29 Menschen und wurden 242 verletzt, am 18. Juli wurden bei einem Attentat auf das jüdische Gemeindezentrum in der Hauptstadt 85 Menschen getötet und etwa 300 verletzt – die Hintergründe für beide Taten wurden nie vollständig geklärt.
Deutlich auf der Seite der Palästinenser stehen die linksautoritären Regierungen von Kuba, Nicaragua und Venezuela, die Kontakte sowohl zur Hamas als auch zur Hisbollah im Libanon pflegen. Der Konflikt sei die Folge von 75 Jahren permanenter Verletzung der Rechte des palästinensischen Volkes und der expansionistischen Politik Israels, meldete das kubanische Außenministerium. Der venezolanische Präsident Nicolás Maduro warf Israel vor, ein System der Apartheid errichtet zu haben und im Gazastreifen Völkermord zu verüben. Bolivien brach seine diplomatischen Beziehungen zu Israel ab, weil Israels Reaktion „unverhältnismäßig und aggressiv“ gewesen sei. Und Kolumbiens Präsident Gustavo Petro verglich Israel mit dem Nazi-Regime und nannte den Gazastreifen ein Konzentrationslager. Er kündigte eine diplomatische Vertretung seines Landes in Ramallah im Westjordanland an. Auch Chile, wo etwa eine halbe Million Menschen palästinensischer Abstammung leben, bezeichnete Israels Bombardierungen als „kollektive Bestrafungen der Zivilbevölkerung“. El Salvadors Präsident Nayib Bukele hingegen, Sohn eines palästinensischen Imams, stellte sich deutlich hinter Israel.
Indien wiederum steht den Palästinensern näher als Israel und dringt auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Das bevölkerungsreichste Land der Welt hat weltweit die drittgrößte muslimische Bevölkerung und ist auf arabisches Öl angewiesen. Zugleich verurteilte Premierminister Narendra Modi den Hamas-Terror. Er pflegt eine Handelspartnerschaft mit Israel – vor allem im Rüstungsbereich. Unterdessen gehört Malaysia zu den stärksten Unterstützern der Hamas. Angeblich wurden sogar militante Palästinenser dort ausgebildet. Kuala Lumpur sagte die Teilnahme bei der Frankfurter Buchmesse wegen der pro-israelischen Haltung der Organisatoren ab. Wie Malaysia unterhält Indonesien keine diplomatischen Beziehungen zu Israel. In der indonesischen Hauptstadt Jakarta gingen Tausende Menschen auf die Straße, um ihre Solidarität mit den Palästinensern zu bekunden. In Malaysia wie auch in Indonesien werden die Massaker der Hamas ausgeblendet. Dagegen hat der Stadtstaat Singapur, die wirtschaftliche Drehscheibe der Region, die Hamas verurteilt. Die anderen südostasiatischen Länder bewegen sich zwischen diesen beiden Positionen.
Soziale Bewegungen für Palästinenser
Nicht zuletzt schlugen sich viele zivilgesellschaftliche Organisationen im Globalen Süden, wie etwa die sozialen Bewegungen in Lateinamerika, auf die Seite der Palästinenser: etwa die „Madres de Plaza de Mayo“ in Argentinien oder die brasilianische Landlosenbewegung. In Mexiko demonstrierten Mitglieder von rund hundert Organisationen und riefen die mexikanische Regierung von Präsident Andrés Manuel López Obrador dazu auf, die diplomatischen Beziehungen zu Israel abzubrechen. Einige riefen „Netanjahu Faschist, du bist ein Terrorist“. Und die zapatistische Befreiungsbewegung EZLN schrieb in einem Kommuniqué: „Jede Bombe, die auf Gaza fällt, fällt auch auf die Hauptstädte und Metropolen der Welt.“
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Bei 1,9 Milliarden Muslimen und 14 , 7 Millionen Juden auf der Welt ,ist es doch logisch dass die Sympathien aller Tiersmondisten auf der Seite der Palaestinenzer sind .Die am meisten verfolgte Gemeinschaft zwischen Nil und indus sind die Christen . Nicht durch die Staaten ,sondern durch Islamisten .Weil der Westen die saekularen Regime im Irak und Syrien eliminiert bzw geschwaescht hat ,kann der Staat sie dort nicht mehr schuetzen .