Grüne Energie / Der große Überblick: So produziert Luxemburg Strom aus Windkraft
Das Großherzogtum produziert 18,5 Prozent seines Stroms selbst. Der größte Einspeiser ist dabei ein Energieträger, der weder Gas noch Kohle noch Öl braucht: die Windkraft. 56 Windräder drehen sich im Land. Ihr Anteil am Strommix ist noch relativ klein – aber das könnte sich bald ändern.
Sie sind groß, meistens weiß und prägen dort, wo sie stehen, das Landschaftsbild: Windräder drehen sich an immer mehr Orten in Luxemburg. Kein Wunder: Durch die Klima- und Energiekrise wird der grüne Strom wichtiger – genauso wie die nationale Energieproduktion. Als Konsequenz des Ukraine-Krieges sollen die Strompreise in Luxemburg kommendes Jahr um rund 35 Prozent steigen. „Nach wie vor wird Strom auch mit Gas produziert. Die sehr hohen Gaspreise haben einen direkten Einfluss auf die Strompreise“, erklärte eine Encevo-Sprecherin am 12. August auf Tageblatt-Anfrage.
Luxemburg kauft 81,5 Prozent seines Stromes im Ausland. Das heißt auf der anderen Seite: Rund ein Fünftel der benötigten Elektrizität wird im Großherzogtum selbst produziert – und ein essenzieller Teil davon geht mittlerweile auf die Windkraft zurück; Windenergie hat vergangenes Jahr laut dem Luxemburger Regulierungsinstitut ILR 26 Prozent des im Großherzogtum hergestellten Stromes ausgemacht.
Strom made in Luxembourg
Luxemburg produziert auch selbst Strom. Dieser hat laut der Luxemburger Regulierungsbehörde ILR vergangenes Jahr allerdings nur 18,5 Prozent des nationalen Verbrauchs abgedeckt. Die gesamte installierte Produktionskapazität belief sich vergangenes Jahr auf 592 Megawatt (MW) – im Vorjahr waren es 522 MW. „Dieser Anstieg ist vor allem auf die Inbetriebnahme neuer Fotovoltaikanlagen zurückzuführen“, schreibt das ILR in einem Bericht vom Juni. Doch wie produziert Luxemburg seinen Strom?
Der größte Teil stammte 2021 laut ILR aus erneuerbaren Energiequellen – 77,92 Prozent des im Großherzogtum produzierten Stroms sind nachhaltig. 25,97 Prozent werden durch Windenergie erzeugt, 23,57 aus Biomasse, 14,81 durch Solarenergie, 8,52 aus Wasserkraft und 5,05 aus Biogas. Erdgas (14,31 Prozent) und Müllverbrennung (7,69 Prozent) sind für die restliche Produktion verantwortlich. Insgesamt erzeugte Luxemburg vergangenes Jahr also 993 GWh Ökostrom.
Grund genug, einen ausführlichen Blick auf den Stand der Windenergie zu werfen. Wie wichtig ist die Windkraft für Luxemburg? Wie oft drehen sich die Windräder? Wo dürfen sie aufgestellt werden? Und wie sieht die Zukunft der Windenergie im Großherzogtum aus? Das Tageblatt hat nachgeforscht.
Wie wichtig ist die Windkraft für Luxemburg?
In Luxemburg drehen sich laut dem staatlichen Geoportal mittlerweile 56 Windräder – und die Regierung hat 23 weitere genehmigt. Im Norden des Landes stehen besonders viele Anlagen: 37 ragen allein im nördlichsten Kanton Clerf gen Himmel. Alle bestehenden Windanlagen zusammen haben laut ILR vergangenes Jahr 314 GWh produziert. Zum nationalen Energiemix – also zum insgesamt verbrauchten Strom inklusive der importierten Elektrizität zusammen – trug die Windkraft im Land 2021 trotzdem nur 4,3 Prozent bei.
Bei der Stromproduktion aus Wind spielt – natürlich – auch das Wetter eine Rolle. Ein Beispiel: Die Luxemburger Ökostrom-Produktion stieg von 979 GWh im Jahr 2020 auf 993 GWh im Jahr 2021. Doch die Produktion aus Windkraftanlagen sank im selben Zeitraum wegen weniger günstiger Windbedingungen und der Stilllegung alter Anlagen um zehn Prozent. Diese Windräder sollen laut ILR in Kürze durch neue Anlagen an denselben Standorten ersetzt werden. Dass der Wind nicht das ganze Jahr über stetig und mit der optimalen Geschwindigkeit auf die Rotorblätter bläst, wird über die sogenannten „Volllaststunden“ erfasst und fließt in die Bilanz der Anlagen ein (siehe Kasten zur „Volllast“).
„Natürlich“ nicht permanent unter Volllast
Da der Wind nicht immer stetig und in optimaler Stärke weht, können die Anlagen nicht immer ihre Höchstleistung liefern. Die Performance von Windkraftanlagen und anderen Kraftwerken wird deshalb in „Volllaststunden“ gemessen. Dieser Wert verrechnet die theoretisch maximale Leistung eines Windrads mit dem tatsächlich gelieferten Strom in einem Jahr. Zum Beispiel: Eine 3.000-Kilowatt-Anlage hat über einen Tag hinweg insgesamt 30.000 Kilowattstunden Strom geliefert. Damit würden ihrer Bilanz zehn „Volllaststunden“ gutgeschrieben.
Die Luxemburger Anlagen leisten insgesamt maximal 0,136 Gigawatt. Würden Sie sich immer unter Volllast drehen und würden nie gewartet werden müssen, würden sie also fast 1.200 Gigawattstunden Strom pro Jahr ins Luxemburger Netz einspeisen. Tatsächlich lieferten sie Laut ILR im vergangenen Jahr 314 Gigawattstunden. Das bedeutet, dass sie 26 Prozent ihrer Betriebszeit „unter Volllast“ gearbeitet haben: durchschnittlich 2.300 Volllaststunden.
Das ist für Windkraftanlagen an Land kein schlechter Wert – zumindest im Vergleich mit Deutschland. Die 29.456 Anlagen im Nachbarland erreichten laut Umweltbundesamt in den Jahren 2017 bis 2019 durchschnittlich 1.800 Volllaststunden. (sen)
Die Regierung scheint mit der bis jetzt aufgebauten Windenergie-Produktion zufrieden zu sein. „Laut dem Luxemburger Aktionsplan für erneuerbare Energie (NREAP) war für 2020 eine installierte Leistung von 131 MW geplant – letztendlich waren es 152 MW für 2020“, schreibt das Energieministerium auf Tageblatt-Nachfrage. Der Aktionsplan stammt aus dem Jahr 2010. Die Regierung hat seit Beginn der derzeitigen Legislaturperiode den Bau von elf Windrädern ermöglicht. „Es sei bemerkt, dass hier auch Windräder durch das sogenannte ‚Repowering’ ersetzt wurden“, schreibt das Energieministerium. „Repowering“ bedeutet das Erneuern bereits existenter Anlagen. Da die Technologie immer besser wird, ist es so damit möglich, die Leistung zu steigern, ohne wieder komplett neue Standorte zu finden. Bei einem Windpark in Luxemburg sind beispielsweise vier Anlagen mit einer Gesamtleistung von 2.000 Kilowatt durch ein einzelnes Windrad mit einer Gesamtleistung von 3.200 Kilowatt ersetzt worden. Die Leistung wurde somit gesteigert, obwohl sich nun weniger Windräder drehen.
Wie oft drehen sich die Windräder wirklich?
Aber wie oft laufen die Windräder schlussendlich – und wie oft stehen sie still? „Wir haben einen Vollwartungsvertrag mit dem Hersteller, der uns garantiert, dass wir eine 97-prozentige technische Verfügbarkeit haben“, sagt Guy Uhres, Verantwortlicher für erneuerbare Energien bei der „Société Electrique de l’Our“ (SEO) im Gespräch mit dem Tageblatt. „Mit unseren Mannschaften liegen wir sogar eher bei 98 Prozent“. „Technisch verfügbar“ ist eine Anlage dann, wenn Wind weht und sie in der Lage ist, Strom zu produzieren. Was zählt, ist allerdings die „energetische Verfügbarkeit“ – und die lag laut Soler im vergangenen Jahr bei 93,3 Prozent. Soler produziert laut Geschäftsführer Paul Zeimet etwa 70 bis 75 Prozent der Windenergie in Luxemburg. 14 Gesellschaften betreiben laut Energieministerium Windanlagen in Luxemburg. Soler ist ein Joint-Ventrue aus SEO und Enovos. Andere Betreiber sind beispielsweise PW34 und Oekostroum.
Die Energetische Verfügbarkeit wird von Umweltfaktoren beeinflusst. „Manchmal kann sich die Anlage drehen, aber wir müssen sie stoppen“, erklärt Uhres. Ein Beispiel: Wenn ein Bauer unter dem Windrad ackert, dann gräbt er auch Mäuse aus dem Boden. Diese liegen dann als Aas unter der Anlage, wodurch wiederum Greifvögel sich in der Gegend aufhalten. „Wir müssen die Anlage dann fünf Tage lang abschalten – allerdings nur tagsüber“, sagt Uhres. Dies sei eine Vorsichtsmaßnahme, damit die Vögel nicht in die Rotoren fliegen.
Auch Fledermäuse können zum Problem für den Betrieb der Anlage werden. Während verschiedenen Monaten, Windgeschwindigkeiten und Temperaturen müssen die Windräder deshalb ebenfalls angehalten werden. „Das ist dann ein Moment, in dem die Anlagen zwar technisch verfügbar wären, aber wegen Auflagen energetisch nicht verfügbar sind“, sagt Uhres.
Im Winter spielt auch die Kälte eine Rolle. Wenn eine Anlage wegen Leistungsverlust feststellt, dass Eis auf den Blättern ist, wird sie automatisch gestoppt. „Dann läuft eine Heizung an und warme Luft wird in die Blätter geblasen – nach vier Stunden versucht sie es noch mal“, erklärt Uhres. Dieser Vorgang sei, trotz der Energie, die zum Heizen benutzt wird, immer noch energieeffizient.
Unter dem Strich waren die Windräder von Soler im vergangenen Jahr zu 93,3 Prozent „energetisch verfügbar“. „Wenn man über die Nordstraße ins Ösling fährt und da stehen ein oder zwei Windräder still, dann kann es sein, dass der Bauer dort geackert hat – das fällt den Menschen natürlich auf“, sagt Paul Zeimet.
Wo dürfen Windräder platziert werden?
Der Bau eines Windrads inklusive Infrastruktur kostet laut Soler durchschnittlich 5,5 Millionen Euro. Dazu komme dann noch der jährliche Unterhalt von 90.000 Euro pro Windrad: „Wir haben einen Vollwartungsvertrag mit dem Hersteller“, sagt Uhres. Die Lebensdauer einer Windkraftanlage liegt laut Soler bei 20 Jahren. Rund 80 Prozent der Teile der abgebauten Anlagen seien wiederverwertbar. „Die restlichen 20 Prozent, vor allem die aus Kunstharz bestehenden Rotoren, werden weiterverarbeitet und im Bau z.B. Betonmischungen zugeführt“, steht auf der Internetseite des Betriebs.
Soler und andere Betreiberfirmen dürfen ihre Windräder allerdings nicht überall aufstellen – Natur und Mensch müssen geschützt werden. So legt ein Restriktionsverfahren unter anderem Pufferzonen zu den nächstgelegenen Siedlungen, Eisenbahnlinien und Stromleitungen fest. „Es gibt Normen: Beim Schall ist es so, dass die Lautstärke von 37dB(A) bei der nächsten Bebauungsgrenze in der Nacht nicht überschritten werden darf“, sagt Uhres. Tagsüber liege die Grenze bei 39 dB(A). Zum Vergleich: Ein Kühlschrank der neuesten Generation produziert etwa 40 dB(A). Dadurch sei die Schallbelastung an den nächstgelegenen Häusern – und bebaubaren Grundstücken – relativ gering. „Die Luxemburger Grenzwerte sind im Vergleich mit dem Ausland ziemlich streng – in Deutschland sind es beispielsweise 40 bis 41 dB(A)“, sagt Uhres.
Zusätzlich zum Lärm spielt auch der Schattenwurf eine Rolle bei der Ortswahl. Die Schatten der Windräder reichen laut Soler nur „sehr selten“ bis zu den Wohngebieten. Falls doch, sei gesetzlich festgehalten, dass sich der Schattenwurf im theoretischen „Worst case“-Szenario auf 30 Minuten pro Tag und 30 Stunden pro Jahr begrenzt. Dies müsse auch mit einer Simulationssoftware nachgewiesen werden, so Uhres.
Die Regierung kann allerdings in verschiedenen Fällen weitere Voraussetzungen fordern. „Zusätzlich gibt es auch Kriterien für Windparkprojekte mit mindestens zwei Windturbinen, bei denen die zuständige Behörde – also die Umweltverwaltung – abhängig von der Größe und Lage des Projektes entscheidet, ob eine Umweltverträglichkeitsstudie erforderlich ist“, schreibt das Energieministerium auf Tageblatt-Nachfrage. Diese Einschätzung basiere auf einem veränderten Gesetz aus dem Jahre 1999 über klassifizierte Einrichtungen.
Generell würden diese Vorschriften dafür sorgen, dass die meisten Luxemburger Windräder ohne größere Probleme von der Bevölkerung akzeptiert werden. „Wir haben bei weit über 90 Prozent unserer Projekte eine breite soziale Akzeptanz“, meint Soler-Geschäftsführer Paul Zeimet.
Wie sieht die Zukunft der Windkraft aus?
„Neben der Fotovoltaik ist die Windkraft die Technologie mit dem größten Potenzial, wie auch im NECP vermerkt“, schreibt das Energieministerium dem Tageblatt. Sieht man sich den angesprochenen nationalen Energie- und Klimaplan (NECP) aus dem Jahr 2018 an, wird ersichtlich: Geplant war, bis 2020 insgesamt 211 GWh Windenergie herzustellen – laut ILR waren es im Jahr 2020 schließlich 351 GWh. Bis 2030 soll der durch Windräder in Luxemburg produzierte Strom 674 GWh betragen. 2030 soll Windenergie etwas mehr als die Hälfte der Power liefern, die Solarzellen ins Netz bringen. 2040 nähern sich die beiden grünen Energien in ihrer Leistung dann an: Dann sollen Solarzellen 1.442 GWh produzieren – und Windräder 1.166 GWh. Damit wäre fast die Hälfte des derzeitigen Verbrauchs des Landes gedeckt, im Vor-Corona-Jahr 2019 verbrauchte Luxemburg 6.397 Gigawattstunden.
Doch wie realistisch ist dieses Ziel? „Wir haben noch viele Projekte in der Pipeline – wenn wir das auf die Ziele anwenden, die Luxemburg im NECP festgehalten hat, sind wir der Meinung, dass wir die Ziele für 2030 schon 2025 erreichen können“, sagt Paul Zeimet. Dabei gebe es alleine schon durch Repowering extrem viel Luft nach oben. „Wir haben jetzt 13 Anlagen zurückgebaut und ersetzen sie mit sechs: Diese produzieren doppelt so viel Strom wie die 13 davor“, erklärt Zeimet. Die Technologie wird also wesentlich effizienter. Sechs moderne Windräder würden heute so viel Energie herstellen wie 26 alte Modelle. Dadurch werde Windkraft vom Flächenverbrauch her auch effizienter.
Laut Energieministerium sollen bis Ende 2021 noch sieben neue Windräder in vier verschiedenen Ortschaften ans Netz gehen. Bei drei dieser vier werden alte Anlagen ersetzt – 13 Windräder sollen abgebaut werden. Das Endresultat: ein Plus von zehn Megawatt Leistung. Nächstes Jahr sollen noch zehn weitere Windräder installiert werden. „Die Jahre danach sind von den Genehmigungen und Umweltverträglichkeitsüberprüfungen abhängig“, schreibt das Energieministerium. Heißt: Seit Beginn der Legislaturperiode im Jahr 2018 wurden elf neue Windräder gebaut – und in den nächsten 16 Monaten sollen noch mal 17 Anlagen hinzukommen.
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Wie ist das mit dem Schwefelhexafluorid SF6 in den Flattermuehlen das grosse Treibhauswirkung hat? Gibt es nicht bei uns?
„– aber das könnte sich bald ändern.“ Na dann spargelt mal die Landschaft zu. Die neue Sky-line 2023. Das Problem liegt unter anderem bei eiskalten Nächten ohne Wind. Was dann?
Danke für diesen interessanten Artikel.
Nun noch eine Frage: gibt es Informationen, wieso die Standorte alter Windräder nicht wieder vollständig genutzt werden (13 alte gegen 6 neue)? Wäre das umweltschädlich, ist es eine Kostenfrage oder gibt es andere Gründe?
Merkholtz ewech baggeren an do 25 Stéck opriichten, d’Kuelenindustrie mécht dat jo och an Däitschland.
@ JJ
„– aber das könnte sich bald ändern.“ Na dann spargelt mal die Landschaft zu. Die neue Sky-line 2023. Das Problem liegt unter anderem bei eiskalten Nächten ohne Wind. Was dann?“
Dann stecken wir den Finger in den Mund, so wie die Atomkraftwerke und Kohlekraftwerke bei Niedrigwasser oder bei gefrorenem Wasser.