Marc Theisen / Der Jeunesse-Präsident kämpft mit großem Personalmangel
Marc Theisen ist seit sieben Monaten Präsident der Jeunesse. Mit dem alten Glanz des Rekordmeisters hat seine aktuelle Aufgabe wenig zu tun. Vor dem Derby gegen die Fola erklärt der Anwalt im Tageblatt-Interview, wie es um den Verein von der „Grenz“ steht.
Tageblatt: Herr Theisen, Sie haben im vergangenen September das Präsidentenamt bei der Jeunesse übernommen. Wie fällt Ihre erste Bilanz aus?
Marc Theisen: Sagen wir es mal so: Aufgrund der sportlichen und finanziellen Voraussetzung, die wir zu Beginn der Saison hatten, fällt die Bilanz eher positiv aus. Das primäre Ziel Klassenerhalt wurde erreicht und die Finanzen des Vereins sind einigermaßen im Gleichgewicht. Die Vorgänger hatten eine desaströse Situation hinterlassen. Durch eine drastische Reduzierung der Ausgaben ist es uns gelungen, den Verein zu stabilisieren. Dieser Prozess wird allerdings noch ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen. Glücklicherweise hatten wir Geldgeber, die uns vertraut haben und weiter mit uns gearbeitet haben.
Können zurzeit alle Gehälter gezahlt werden?
Im Gegensatz zu der vergangenen Saison konnten in diesem Jahr alle Gehälter fristgerecht gezahlt werden.
Was ist anstrengender: das Nationale Olympische Komitee (COSL) oder einen BGL-Ligue-Verein zu leiten?
Beide Ämter könnten unterschiedlicher nicht sein. Im COSL bestand damals, als ich das Präsidentenamt annahm, eine Struktur und es gab keine finanziellen Probleme. Beim Olympischen Komitee konnte ich mich darauf konzentrieren, Ideen einzubringen und mir die Frage zu stellen, wie ich den Sport in Luxemburg nach vorne bringen konnte. Es war eine intellektuell-sportliche Aufgabe. Als Präsident der Jeunesse bin ich mannigfaltigen Problemen ausgesetzt. Die Struktur ist mit der zu vergleichen, die ich vor einem Vierteljahrhundert als Vizepräsident des Progrès Niederkorn miterlebt habe. Es ist noch wie früher.
Was meinen Sie genau?
Bei der Jeunesse hat man als Präsident oder Vorstand keine Zeit, um sich der Weiterentwicklung des Vereins zu widmen, weil so viele Löcher gestopft werden müssen. Das große Ziel für die Zukunft muss es sein, dass die Jeunesse eine personelle Struktur bekommt. Ich würde sogar behaupten, dass die Personalsituation derzeit desaströs ist. Es herrscht ein enormer Mangel. Der Verein wird teilweise nur von vier bis fünf Leute gesteuert. Erst wenn wir in diesem Bereich besser aufgestellt sind, können wir den nächsten Schritt machen. Passiert dies nicht, wird die Jeunesse weiterhin Mittelmaß sein.
Wie konnte es überhaupt so weit kommen? Ist jahrelanges Missmanagement der Grund, warum es beim bekanntesten Klub Luxemburgs teilweise weniger ehrenamtliche Helfer gibt als bei einem Dorfverein?
Es gibt einige Ursachen dafür. Corona und die allgemeinen Probleme im „Bénévolat“ sind sicherlich zwei Gründe dafür. Auf dem Dorf gibt es auch einen größeren Zusammenhalt als in Ballungsgebieten wie der Hauptstadt, Esch oder Differdingen. Das darf aber alles nicht als Ausrede gelten. Wir müssen umdenken und andere Wege gehen, damit der Verein wieder attraktiv für die Leute wird. Wir müssen uns als Klub besinnen und uns die Frage stellen, was wir wollen. Ein Ansatz ist, die Nachwuchsabteilung wieder stärker aufzustellen. Wir haben seit ein paar Monaten eine neue Jugendkommission, die sehr tatkräftig mit anpackt. Unser Ziel muss es sein, in naher Zukunft wieder mit Eschern – oder zumindest mit jungen Spieler aus der Region – anzutreten. Aus den Gesprächen mit den Zuschauern geht ganz klar hervor, dass sie Spieler wollen, die sich mit dem Verein identifizieren. Wenn wir das schaffen, werden sich vielleicht auch wieder ein paar Leute entscheiden, eine Hand mit anzupacken.
Vor dem Escher Derby gegen die Fola steht die Jeunesse auf dem neunten Platz der BGL Ligue. In den vergangenen drei Jahren sprang am Saisonende jeweils Platz acht heraus. Wird die aktuelle Lage von den Anhängern des Vereins akzeptiert?
Das eigentliche Ziel war ja der Klassenerhalt. Die Mannschaft wurde aber während der Saison und im Winter verstärkt. Die aktuelle Mannschaft müsste eigentlich in der Lage sein, um den fünften Platz mitzuspielen. Schließen wir die Saison wieder auf einem achten oder neunten Platz ab, dann wäre das eine Enttäuschung. Es ist inakzeptabel, wie wir uns gegen die Etzella präsentiert haben (0:3-Niederlage). Jeder kann mal gegen die rote Laterne verlieren, aber man muss wenigstens die richtige Einstellung an den Tag legen. Das war am vergangenen Sonntag nicht der Fall und das hat der Vorstand der Mannschaft auch so mitgeteilt. Wir gehen davon aus, dass die Spieler gegen die Fola reagieren werden. Allein schon aus Respekt vor den Zuschauern.
Am Sonntag wird die neue Gegentribüne eingeweiht. Welchen Stellenwert hat dies für den Klub?
Die alte Gegengerade war eine Art Mythos und erinnerte an die alten, ruhmreichen Zeiten. Deren Zerstörung ist mit Sicherheit mit einer gewissen Nostalgie und Demut verbunden. Man muss die Renovierung aber positiv sehen. Es ist ein gutes Zeichen, dass unsere Infrastruktur erneuert wird. Ich glaube, dass es ein erster von vielen Bausteinen sein wird.
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