Patrimoine immatériel / Der „Kleeschen“ ist nationales Inventar
Jeder kennt den „Kleeschen“. Ob Kind oder erwachsen, jeder hat eine, „seine“ Erinnerung an der Mann mit der spitzen Mütze und dem roten Mantel. Seit diesem Jahr steht er auf der nationalen Liste des „Patrimoine immatériel“ in Luxemburg.
Der „Kleeschen“ kommt, wenn ihn keiner sieht. In der Nacht vor dem 6. Dezember füllt er Schalen, Socken oder Stiefel, die die Kinder bereitgestellt haben. Das gehört zum Brauch und hat eine Geschichte. Den Mann, der die Tradition des Teilens, Schenkens und der Nächstenliebe zugunsten der Kleinsten, Schwächsten und Ärmsten begründet hat, gab es wirklich. Er kam aus reichem Elternhaus, verschenkte sein Erbe, wurde erst Pastor und dann Bischof. Gelebt hat er im vierten Jahrhundert nach Christus in Myra an der Südküste der heutigen Türkei. Dort soll er auch als junger Mann drei Mädchen vor dem Verkauf durch den Vater gerettet haben, weil er keine Mitgift für seine Töchter aufbringen konnte. Als Nikolaus von dem Schicksal hörte, warf er drei Nächte hintereinander ein Säckchen mit Goldstücken durchs Fenster, um den Mädchen die Sklaverei zu ersparen. So will es die Legende und so ist es bis heute: Der Nikolaus wirkt zuerst im Verborgenen.
Einer von neun geschützten Bräuchen
Details wie diese lernen angehende Nikoläuse in der eintägigen Ausbildung, die die „Erwuessebildung“ in Luxemburg seit letztem Jahr anbietet. 2018 haben vier Männer und zwei Frauen daran teilgenommen. In diesem Jahr musste der Kurs mangels Interesse ausfallen. Die „Erwuessebildung“ ist zusammen mit dem „Service d’éducation de l’archevêché de Luxembourg“ und der „Paroisse Notre-Dame“ eine der drei Organisationen, die sich dafür eingesetzt haben, dass der Brauch auf die Liste des immateriellen Kulturerbes in Luxemburg kommt. Damit steht der Nikolaustag seit dem 29. Juli dieses Jahres in einer Reihe mit der „Schueberfouer“, der Springprozession oder der Octav. Insgesamt stehen bis jetzt neun Bräuche auf der Liste. Der Mann in der Kleidung eines Bischofs ist Schutzherr der Schiffer, der Geschäftsleute und der Kinder.
Am Tag selbst kommt er, um sich den Kindern zu widmen und oft auch, um ihre Fragen zu beantworten. „Der Kleeschen ist jemand, der die Kinder sehr beeindruckt und an den immens hohe Erwartungen geknüpft sind“, sagt Laure Simon (57) von der Erwachsenenbildung. „Sie wollen von ihm beachtet werden und so wahrgenommen, wie sie als kleiner Mensch sind.“ Der Nikolaus ist bedingungslos zugewandt und die gute Seite des „Houseker“, den er oft im Schlepptau hat. „Kultur, Tradition und Religion“ sind die Dinge, die Jean-Louis Zeien, Schulreferent des Schulreferats des Erzbistums Luxemburg zum „Kleeschen“ einfallen. Er hat sich ebenfalls dafür eingesetzt, dass der Brauch geschützt wird. „Diese drei Komponenten gehören zum Land und werden am Nikolaustag an vielen Stellen lebendig.“
Der Nikolaus braucht Schutz
Der Kulturschatz soll mit der Aufnahme in die Liste gepflegt und vor allem geschützt werden. „Wenn ich schaue, welche Freude der Nikolaustag bei vielen Kindern und Familien auslöst – trotz kommerzieller Ausnutzung, trotz Vereinnahmung durch Konsuminteressen –, dann sind das gute Argumente für die Liste“, sagt Zeien. Dass die Geschäftswelt seine Strahlkraft nur zu gerne nutzt, liegt daran, dass der Nikolaus auch der Schutzherr der Geschäftsleute ist. Der Handel lief jahrhundertelang über das Meer und der Nikolaus kommt aus einer Gegend am Meer. Trotzdem bleibt festzuhalten: „Der Kommerz hat es nicht fertiggebracht, dem Brauch den Sinn zu nehmen, sodass nur noch eine ,Fratze‘ übrig bleibt“, sagt Zeien.
Dafür, dass die Zeit der Schuhe, der Teller, der Vorfreude und der „Boxemännercher“ bleibt, was sie ist, soll die Liste sorgen. Neben dem Schutz betont vor allem das Kulturministerium den Aspekt der Pflege des Brauchs. „Die Einschreibung des ,Niklosdag‘ auf das ,Inventaire du patrimoine immatériel‘ am 29. Juli 2019 hat zur Konsequenz, dass die Praxis des Nikolaustags aufgewertet und besser verbreitet werden kann“, heißt es aus Sam Tansons („déi gréng“) Ministerium. Das ist die luxemburgische Seite, international wird der Nikolaus in vielen Ländern gefeiert. Wohl nicht ohne Grund. „Stirbt Gott, haben wir noch immer den heiligen Nikolaus.“ So geht ein altrussisches Sprichwort, das die Bedeutung des Mannes in manchen Kulturen belegt.
Nikolaustag als Feiertag
Seit dem 19. November läuft eine Petition, in der Elisabeth Gonçalves die Einführung eines neuen nationalen Feiertags zum 6. Dezember fordert. Ihre Begründung: Damit sollen alle Kinder die Möglichkeit erhalten, „den Nikolaustag, der inzwischen zum kulturellen Erbe Luxemburgs gehört, mit ihren Liebsten zu verbringen“. Wie stark das Interesse ist, zeigt die Tatsache, dass die Petition in den ersten zwölf Stunden fast 1.000 Unterschriften erhielt. Bis zum 3. Dezember waren es schon 3.267. Die Frist zum Unterzeichnen läuft zum 30. Dezember aus.
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