Deutschland / Der Kümmerer kann auf weitere Amtszeit hoffen: CDU von Kretschmer führt in Sachsen
Im Wahlkampf klapperte Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer unermüdlich Feste und Betriebe ab – und stellte sich Diskussionen mit den Bürgern. Er bekomme oft zu hören, er habe „allen Sachsen schon einmal die Hand geschüttelt“, meinte der CDU-Spitzenkandidat dazu süffisant. Am Ende aber scheint sich die Strategie ausgezahlt zu haben: Hochrechnungen zufolge gewann die CDU die sächsische Landtagswahl am Sonntag – wenn auch knapp vor der vom Landesverfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuften AfD.
Als Kretschmer nach dem CDU-Wahlsieg 2019 im Amt bestätigt wurde, gab er das Ziel eines Sachsens als „fröhlicher, freundlicher Freistaat“ aus. Eine Pandemie und viele Proteste gegen Corona-Maßnahmen später sowie angesichts von Krisen und Kriegen ist die Gesellschaft inzwischen aber auch in Sachsen eher gespalten als entspannt. Kretschmer wurde von Corona-Leugnern sogar an seinem eigenen Haus heimgesucht.
Er selbst sprach im Herbst 2021 angesichts der Entscheidung der damaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die massiv gestiegenen Infektionszahlen durch starke Gegenmaßnahmen zu bekämpfen, von „Hysterie“. Später räumte er Fehler ein. Vor der Landtagswahl versuchte der 49-Jährige, mit einer starken AfD im Nacken, verlorenes Vertrauen in die Landespolitik zurückzuholen. Schon vor fünf Jahren hatte er mit seiner Gesprächsstrategie als Kümmerer im Wahlkampf Erfolg, und auch diesmal schrumpfte in den Umfragen der Vorsprung der AfD zur CDU stetig.
Dass Kretschmer keine Konfrontation scheut, beweist er immer wieder mit Alleingängen. Im Zusammenhang mit dem Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine sprach er sich für ein „Einfrieren“ des Konflikts und eine diplomatische Lösung aus und kritisierte die Russland-Sanktionen. In seiner eigenen Partei stieß das zum Teil auf Unverständnis und Empörung.
Kretschmer dringt zudem auf verschärfte Regelungen beim Bürgergeld und eine Begrenzung der Migration nach Deutschland. Er will eine eigene sächsische Grenzpolizei schaffen. Der 49-Jährige übernahm den Regierungssessel im Dezember 2017 in einer Krisensituation, nachdem sein Vorgänger Stanislaw Tillich (CDU) wegen des Wahldesasters bei der Bundestagswahl zurückgetreten war. Die CDU im Freistaat war zuvor mit knappem Abstand nur zweitstärkste Partei hinter der AfD geworden.
Eine „persönliche Zäsur“
Für Kretschmer selbst war die Bundestagswahl 2017 eine „persönliche Zäsur“, wie er später sagte, als er seinen eigenen Wahlkreis in Görlitz an den späteren AfD-Chef Tino Chrupalla verlor. Nach 15 Jahren flog der CDU-Politiker aus dem Bundestag, wo er zuletzt Vizechef der Unionsfraktion war.
Kretschmers politische Wurzeln liegen im Wendeherbst 1989, den er als eine ihn „bis heute prägende Zeit“ beschreibt. 1994 wurde er Stadtrat in seiner Heimatstadt Görlitz. Der ausgebildete Büroinformationselektroniker erwarb auf dem zweiten Bildungsweg seine Fachhochschulreife und studierte in Dresden Wirtschaftsingenieurwesen. 2002 zog er in den Bundestag ein, wo der Vater von zwei Söhnen bis 2017 eine recht glatte politische Karriere hinlegte.
Seiner größten politischen Niederlage folgte seine bis dahin größte Chance. Als Ministerpräsident setzte er auf einen anderen Politikstil als seine Vorgänger. Er wollte den Menschen wieder mehr zuhören. Das löste er ein. Die Union im Freistaat hielt er gleichwohl weiter auf konservativem Kurs.
Für den Wahlsieg scheint das gereicht zu haben, der Weg zu einer stabilen Regierung in Sachsen aber ist angesichts der Mehrheitsverhältnisse noch weit. Seit fünf Jahren regiert die CDU in Sachsen gemeinsam mit SPD und Grünen. Den ersten Hochrechnungen zufolge könnte es dafür auch erneut knapp reichen, Kretschmer aber will die Grünen am liebsten loswerden.
Anstelle der Ökopartei könnte sich das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) anbieten, das den Sprung in den Landtag am Sonntag auf Anhieb schaffte. Kretschmer könnte mit diesem und der SPD laut Hochrechnungen durchaus eine Dreierkoalition schmieden. Kretschmer schloss eine Zusammenarbeit mit dem BSW, dass für ihn bislang „eine Blackbox“ ist, im Vorfeld nicht grundsätzlich aus. Eine Kooperation mit der AfD hingegen lehnte er klar ab.
Am Sonntagabend blieb er zunächst vage. Es werde nicht einfach, aber es könne gelingen, Sachsen eine stabile Regierung zu geben, sagte Kretschmer vor CDU-Anhängern. Wie diese aussehen könnte, ließ er offen.
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