Gebläsehalle Belval / Der lange Weg zur Umnutzung: Machbarkeitsstudie erstmals öffentlich vorgestellt
Es kann noch dauern: Das war das Fazit des bereits zehnten Seminars zur zukünftigen Nutzung der Belvaler Gebläsehalle. Erstmals öffentlich vorgestellt wurde dabei die Machbarkeitsstudie der Universität Luxemburg.
Tausendmal berührt, tausendmal ist nichts passiert: Der Evergreen des deutschen Sängers Klaus Lage passt mehr denn je zur Gebläsehalle in Belval. 2007 fand hier die „All we need“-Ausstellung im Rahmen des Kulturjahrs statt, anschließend wurde die riesige Halle als „Fourrière“ für abgeschleppte Autos genutzt. Bis sie aus Sicherheitsgründen im August 2020 ganz geschlossen wurde. Seitdem rottet sie vor sich hin.
An Ideen fehlt es nicht, doch tut sich die Politik ganz offensichtlich schwer mit der Umsetzung. Und so lud die Vereinigung „Industriekultur – Centre national de la culture industrielle“ (IK-CNCI) am Freitag bereits zur zehnten Ausgabe ihres „Hallz we need“-Seminars, bei der es um die zukünftige Nutzung der „Hall des soufflantes“ geht. Der Untertitel der Veranstaltung („vers l’étape finale“) verriet Optimismus. Ein Optimismus, der in Anbetracht der Aussagen der Verantwortlichen des Bautenministeriums und des Fonds de Belval doch ein wenig verfrüht sein dürfte. Denn eines ist sicher: Der Weg zur finalen Etappe wird ein langer sein.
Marie Lucas, Präsidentin des Architekturzentrums Luca, erinnerte das an das Märchen Schneewittchen und die sieben Zwerge. Luca, momentan als Mieter in Clausen untergebracht, sucht eine definitive Bleibe und kann sich diese durchaus in der Gebläsehalle vorstellen. Bevor es so weit ist, stellt sich die alles entscheidende Frage: Wann küsst Ministerin Yuriko Backes (DP) die Halle wach? Lag die Zuständigkeit in der letzten Legislaturperiode beim Kulturministerium, so beschloss die CSV/DP-Regierung unlängst, das Dossier an das Ministerium für öffentliche Bauten zu vergeben. Dort wartet man laut der ersten Regierungsrätin Sylvie Siebenborn auf das Ergebnis der Studie zur städtischen Programmplanung.
Damit hatte die Regierung den Fonds de Belval beauftragt. Sobald das Bauprogramm entwickelt ist, soll es zu einem Architektenwettbewerb kommen. Mit Ausschreibungen zu einem konkreten Projekt rechnet das Bautenministerium nicht vor Ende 2025 bzw. Mitte 2026. „Um optimal auf künftige Großprojekte am Standort Belval reagieren zu können, stellt der Fonds Belval derzeit umfassende Überlegungen zur Programmierung der Stadt der Wissenschaften, der Forschung und der Innovation an“, hieß es dazu im Sommer in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Abgeordneten Sam Tanson und Meris Sehovic.
Die vier Szenarien der Machbarkeitsstudie
Die frühere Kulturministerin Tanson hatte in ihrer Amtszeit Bewegung in das Dossier gebracht. Sie beauftragte das IK-CNCI mit der Ausarbeitung eines neuen Konzeptes und die Universität mit einer Machbarkeitsstudie. Die wurde am Freitag erstmals in der Öffentlichkeit vorgestellt und diskutiert. „Die Idee ist, Wissenschaft, Kultur und die Zivilgesellschaft an einem Standort zusammenzubringen“, sagt Prof. Dr. Florian Hertweck von der Universität Luxemburg. Sechs Monate arbeitete er mit einem kleinen Team an der Studie. „Die Transformation der Gebläsehalle bietet die Gelegenheit, ein Gegengewicht zu den Defiziten der noch jungen und in seiner Gesamtheit noch nicht abgeschlossenen Entwicklung Belvals zu setzen“, ist hier zu lesen. Die Defizite liegen v.a. im Mangel an erschwinglichem Wohnraum und an Räumlichkeiten zur unkommerziellen Nutzung. Unter diesen Voraussetzungen sei das Potenzial der Halle nicht zu unterschätzen, so Hertweck, der die Beispiele ähnlicher Projekte im Ausland gleich mitlieferte: das Tate Modern in London, ein früheres Kraftwerk, das heute eines der größten Museen für moderne Kunst weltweit ist. Oder das LocHal im niederländischen Tilburg. Hier wurde ein früheres Lokdepot in eine Bibliothek mit Veranstaltungssälen sowie Co-working- und Konferenzräumen umgebaut.
In der Machbarkeitsstudie werden vier Szenarien für die Gebläsehalle durchgespielt: die einfache Renovierung ohne wirklichen Eingriff in die Innenstruktur. So blieben zwei große Hallen und auf der unteren Etage Platz für ein Café, Sportanlagen oder Lagerung. Beim zweiten Szenario, dem „Nesting“, würde das Innere in kleinere Einheiten aufgeteilt, um Platz für Ausstellungs- oder Lagerräume, Studios oder Büroräume zu schaffen. Szenario drei nennt sich „Congestion“ (Stauung). Es sieht die Möglichkeit vor, die Gebläsehalle zu vergrößern, um den Raum noch besser nutzen zu können. Im Fall der Gebläsehalle bedeutet das eine Erhöhung nach dem Vorbild einer Tate Modern oder aber der Hamburger Elbphilharmonie. Das vierte Szenario wäre derweil der Abriss.
Den mochten die Anwesenden am Freitag unbedingt verhindern, denn dann würde Geschichte einfach wegradiert werden. Der Zeitverlust erhöhe die Qualität des Gebäudes nicht unbedingt, wie einer der Anwesenden anmerkte. „Das Projekt muss vor allem ökonomisch sinnvoll sein. Wir reden hier schließlich über eine Investition im achtstelligen Bereich“, so Sylvie Siebenborn zum Abschluss.
Die Gebläsehalle
Die „Hall des soufflantes“ ist das letzte noch erhaltene authentische Industriebauwerk der Belvaler Schmelz. Viele der Anlagen und Maschinen im Inneren sind noch da. 1910 von der Gelsenkirchener Bergwerks-AG erbaut, besticht das Gebäude neben seinem hohen Alter vor allem durch seine Größe. Im Umkreis von mehreren hundert Kilometern findet sich kein vergleichbares Bauwerk. Einzigartig ist auch die Stahlkonstruktion aus Eisenträgern und das Dachfachwerk aus Eisenprofilen. Die enorme Größe der Halle war erforderlich, um die neun riesigen Kolbengasmotoren unterzubringen, die vom Gichtgas der Hochöfen angetrieben wurden. Das Gas wurde in Elektroenergie umgewandelt und diente zum Antrieb der in den Stahl- und Walzwerken erforderlichen Maschinen. Die Motoren waren aber auch mit dem Kolbengebläse verbunden, das Wind erzeugte, der durch anderthalb Meter dicke Stahlrohre in den Hochofen geblasen wurde, um den Schmelzvorgang der Minette zu aktivieren und zu unterhalten.
1990 wurde die Gebläsehalle außer Betrieb genommen. Seitdem gab es unzählige Ideen und Konzepte, wie die Halle weiterzuverwenden wäre. Sie kam wegen ihrer Größe sogar als Standort für die Rockhal infrage, was allerdings an der schlechten Akustik des Gebäudes scheiterte.
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