Immobilienmarkt / Der Lockdown schafft Bedürfnis nach mehr Platz
Der Luxemburger Immobilienmarkt steht bekanntlich unter großem Druck. Laut dem Präsidenten der „Chambre immobilière du Grand-Duché de Luxembourg“ (CIGDL), Jean-Paul Scheuren, wird sich an der Nachfrage auch nach der Krise nichts ändern: Nur die Anforderungen an die eigenen vier Wände werden wohl anders ausfallen.
Der Präsident der CIGDL, Jean-Paul Scheuren, sieht keinen Grund, warum sich die Bedingungen auf dem Markt nach der Krise ändern sollten. „Bei der Nachfrage wird sich jedoch etwas ändern – so werden eher mehr Quadratmeter als weniger gefragt sein“, sagt er. Für den Fall, dass es noch mal zu einem Lockdown kommen sollte, wollen die Menschen nämlich eventuell mehr Platz zur Verfügung haben und ihre Wohnung oder ihr Haus anders gestalten. Er vermutet auch, dass die Luxemburger in Zukunft vielleicht nicht mehr so zentral wohnen wollen, auch wenn sie dann einen längeren Weg zur Arbeit auf sich nehmen müssten. Da müsse der Trend verfolgt werden, auch bei der Planung von Neubauten, erklärt Scheuren im Gespräch mit dem Tageblatt.
Am 11. Mai haben die Immobilienagenturen ihre Arbeit wieder aufgenommen. Bei der Vermietung ist das Geschäft schnell wieder angelaufen. Bei den Verkäufen sieht das schon anders aus – bedingt dadurch, dass man ein Objekt nicht einfach von heute auf morgen erwirbt. Die Einkommen seien auch nach der Krise gleich geblieben, so Scheuren, und solange das Angebot in Bezug auf die Nachfrage so niedrig bleibt, würden die Preise auch nicht sinken. „Diejenigen, die sich vor Covid-19 etwas kaufen konnten, werden das auch jetzt noch können. Während des Lockdowns haben sie sogar eher noch mehr Geld angespart.“ Zahlen aus Frankreich und Italien belegen das: Während des Lockdowns haben die Menschen dort rund dreimal so viel Geld zur Seite gelegt als sonst.
Auf dem Weg zur Digitalisierung
Die Digitalisierung hat sich während der Corona-Krise in Bezug auf die Immobilienbranche stark weiterentwickelt: „Wir werden in den nächsten Monaten sehen, dass verstärkt virtuelle Besichtigungen durchgeführt werden.“ Das ermögliche es den Interessenten, sich das Objekt bis ins letzte Detail anzusehen, ohne direkt vor Ort zu sein. Zurzeit arbeitet die Kammer zudem verstärkt daran, den Ablauf der Transaktion – von der Unterschreibung eines Mandats bei einem Makler bis hin zum Gang zum Notar – zu digitalisieren. All das, für was die CIGDL in dieser Frage zuständig ist, soll bis Ende des Jahres diesbezüglich geklärt sein. Der Gesetzesgeber muss die Umsetzung auch begleiten und über verschiedene gesetzliche Bestimmungen entscheiden.
Die Vergabe von Darlehen beobachtet die CIGDL jedoch mit Vorsicht. „Wenn der Kredithahn zugedreht wird, kann das größere Konsequenzen auf den Markt haben.“ Vor Covid-19 hätten schon viele Menschen Schwierigkeiten gehabt, ein Darlehen von einer Bank zu bekommen, wenn sie weniger als 20 Prozent Eigenkapital aufbringen konnten. In Luxemburg sind rund 70 Prozent der Einwohner selbst Eigentümer. „Die Menschen kaufen immer noch hauptsächlich für sich selbst, nur ein Teil der Käufe wird als Investment getätigt.“
Eine räumliche Verbesserung
Der Immobilienmarkt ist viel in Bewegung: Bei einer Wohnung dauert es zwischen drei und sechs Monate, bis das Objekt verkauft ist. Ein Hausverkauf kann ein halbes Jahr in Anspruch nehmen. Doch das hänge auch vom Preissegment ab, so Scheuren. „Die Kundschaft, die ein Objekt im höheren Preissegment erwerben mag, besitzt in der Regel bereits eine Wohnung und möchte sich mit dem nächsten Kauf verbessern.“ Besagte Käufer könnten sich demnach Zeit lassen. Beim Kauf der ersten Wohnung müssen sich die Kunden indes erst einmal auf dem Markt wiederfinden. „Die Menschen haben Angst, etwas zu verpassen. Das stellen wir immer wieder fest“, erklärt der CIGDL-Präsident. Manche glaubten, dass es möglich sei, ein äußerst gutes Geschäft zu machen. Doch dafür stünde der Markt zu sehr unter Spannung.
Nach einer Zeit wie dieser sei es von Vorteil, wenn ein Verkäufer Zeit hat und nicht unter Druck steht, so schnell wie möglich zu verkaufen. Die Käufer hingegen gehen ihre Suche normalerweise in Phasen an: Zuerst müssten sie sich bewusst werden, was sie für ihr Geld bekommen können, damit sie sich dann bei der Suche ganz auf besagte Objekte konzentrieren können. Selten wird schon innerhalb eines Monats ein Kauf getätigt. Eine Ausnahme ist der Kauf einer Immobilie, die noch gebaut werden muss.
Das Immobilienportal Immotop.lu gibt den Eindrücken von Jean-Paul Scheuren recht: Die ersten paar Tage nach Ankündigung des Lockdowns konnte man hier einen Rückgang der Klickzahlen feststellen. Doch bereits im April ist die Anzahl der Besuche auf der Seite nach und nach wieder angestiegen. Da Besichtigungen vor Ort nicht möglich und Umzüge sowie der Gang zum Notar nicht so einfach umsetzbar waren und der Markt somit regelrecht stillstand, sind viele Verkäufe verschoben worden, heißt es von Immotop. Im Mai konnte das Portal dann einen Anstieg von 75 Prozent gegenüber der Zeit vor dem Lockdown (Februar) verzeichnen. Dies erklärt sich zum einen dadurch, dass der Frühling generell zu den besseren Zeiten für die Branche gehört, und zum anderen dadurch, dass die aufgeschobenen Immobilientransaktionen nun nachgeholt werden. Auch Immotop stellt fest, dass die Menschen nach dem Lockdown im Alltag nach mehr Komfort und Platz suchen.
Eine gute Immobilienagentur finden
Viele unter uns müssen sich mindestens einmal im Leben mit dem Ver- oder Ankauf einer Immobilie beschäftigen: Dabei stellt sich als Erstes die Frage, ob privat verkauft werden soll oder über eine Immobilienagentur. Die „Chambre immobilière du Grand-Duché de Luxembourg“ schätzt, dass in Luxemburg rund 800 bis 1.000 Menschen in der Immobilienbranche professionell aktiv sind. „Ob alle von dem Beruf leben können, ist eine andere Frage. Wir gehen davon aus, dass der Markt auf maximal 400-500 Unternehmen ausgerichtet ist“, so Scheuren.
Weniger als zehn Prozent der Objekte werden privat verkauft. „Der Makler stellt hier einen Mehrwert dar – und das macht seinen Beruf auch aus: die Frage, welchen Mehrwert er in diesem Bereich erbringen kann.“ Ein Makler, der keinen Mehrwert erbringen könne, brauche er sich nicht zu wundern, wenn er schnell wieder vom Markt verschwindet. Das sei der CIGDL auch bewusst, sagt Scheuren.
Der Beruf verändert sich
Die Immobilien einfach als Anzeige auf eine Plattform zu setzen, reiche in Zukunft nicht mehr aus. Und diejenigen Makler, die sich fast nur um den Verkäufer kümmern und dem potenziellen Käufer weniger Aufmerksamkeit schenken, werden laut Scheuren künftig ebenfalls keine Überlebenschance haben. Man müsse als Makler in gleichen Teilen Zeit für Käufer und Verkäufer aufbringen. „Der Käufer muss Vertrauen in den Makler haben – und der ist immerhin für beide Parteien zuständig.“ Der Makler müsse ein Objekt bei einer Besichtigung objektiv bewerten, „auch wenn jeder das Objekt natürlich in dessen schönstem Gewand zeigen möchte“. Die Kaufinteressenten müssten sich indes darauf verlassen können, dass ihnen jemand Professionelles ehrlich sagt, wie gut das Haus oder die Wohnung in Schuss ist. Um ein Netzwerk in der Branche zu schaffen, hat die CIGDL eine Börse geschaffen, mithilfe derer sich die Agenturen austauschen können.
Aber wie kann man jetzt eine gute von einer schlechten Immobilienagentur unterscheiden? Ein Indiz für eine gute Agentur sei schon mal, wenn diese Mitglied der „Chambre immobilière du Grand-Duché de Luxembourg“ ist, so Jean-Paul Scheuren. 200 Agenturen sind derzeit dort angemeldet. „Wenn ein Makler zum Verkäufer hingeht und sagt, er hätte bereits Interessenten für das Objekt, dann kann er jedoch direkt draußen bleiben.“ Dasselbe gelte für diejenigen, die sagen, dass noch mal 50.000 Euro mehr drin seien als bei einer vorherigen Schätzung. „Natürlich ist es ein Verkaufsmetier und eine gewisse Eloquenz ist gefragt.“ Doch es müsse möglich sein, ein ehrliches Verhältnis zum Makler zu haben.
Die zur Wahl stehenden Agenturen sollten auf ihre Kompetenzen überprüft werden. „95 Prozent der entschlossenen Käufer werden nie von einer Agentur zurückgerufen.“ Das werfe in Bezug auf die Seriosität nicht das beste Licht auf eine Agentur und funktioniere auch nicht mehr, wenn der Markt zuziehe. „Das Wichtigste ist, Antworten auf Fragen zu bekommen.“ Käufer sollten sich vor der Besichtigung mögliche Fragen aufschreiben. Und Makler sollten üblicherweise wissen, wie ein Haus geheizt wird, wie alt es ist und welche Energieklasse es hat. „Wenn jemand das nicht weiß, ist das gerne mal ein Zeichen für mangelnde Vorbereitung.“
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