Kunstturnen / Der Luxemburger Nationalkader der Junioren ist in Europa kein unbeschriebenes Blatt mehr
Zum ganz großen Coup sollte es in Berlin nicht reichen, doch bei seinem ersten großen internationalen Auftritt als Mannschaft zeigte der Junioren-Nationalkader, dass er sich auf dem höchsten europäischen Niveau keinesfalls mehr verstecken muss. Vielmehr dürfte die Konkurrenz hinter die Namen der Luxemburger Turner ein fettes Ausrufezeichen gesetzt haben.
„Es wäre die Kirsche auf dem Kuchen gewesen“, blickt Nationaltrainer Jacques Renson auf das Wochenende in Berlin zurück. Beim internationalen Junior Team Cup, einem der am stärksten besetzten Wettkämpfe im Junioren-Kalender mit Teilnehmern aus Frankreich, Italien, Großbritannien und den USA, war Quentin Brandenburger seinem Traum von einer Medaille ganz nah. Nach dem Mehrkampf am Freitag hatte sich der 18-Jährige sogar an einem Gerät, dem Barren, an die Spitze des Teilnehmerfeldes gesetzt. Mit einer Wertung von 13,250 Punkten war er dabei einer von gerade einmal vier Turnern, die überhaupt mehr als 13 Punkte an diesem Gerät erhielten. Als großer Favorit ging das ehrgeizige Nachwuchstalent, das mit erstaunlicher Disziplin auf seine hohen Ambitionen hintrainiert, in das Gerätefinale am Samstag, in dem Brandenburger als Bester des Vortages ganz zum Schluss an der Reihe war.
Dass sich die luxemburgischen Turner aber noch in einem Lernprozess befinden, zeigt dann der Fehler, der Brandenburger schlussendlich die Medaille kostete. Einmal musste er vom Gerät absteigen, was einen Strafpunkt bedeutete und somit auch das Ende der Medaillenträume. Dennoch hat der junge Athlet, der in diesem Jahr den Sprung in den Promotionskader des COSL geschafft hat, Eindruck hinterlassen. Am Ende bleiben einer sechster Platz im Finale am Barren und ein 13. Platz im Mehrkampf unter 60 Turnern seiner Altersklasse. Mit seinen 76,500 Punkten lag Quentin Brandenburger dabei nur einen Punkt hinter dem dritten Rang, ein Beweis dafür, wie eng es an der Spitze des Feldes zuging. Auch das luxemburgische Team holte bei seiner Premiere auf diesem Level einen 13. Rang (217,900 Punkte) unter 28 Mannschaften. Wichtige Erfahrungswerte haben dabei alle gesammelt.
„Man muss bedenken, dass die Konkurrenz in ihrer Vorbereitung derzeit ein gutes Stück weiter ist als wir“, erklärt Renson, seit 2015 ebenfalls Technischer Direktor beim nationalen Turnverband FLGym. Nationen wie Frankreich oder die Schweiz befinden sich aktuell im Selektionsprozess für die EM im August und sind daher sogar zum Teil mit zwei Mannschaften angereist. Für diese Turner ging es in Berlin um die Nominierung für den Höhepunkt dieses Kalenderjahres. Ein Prozess, durch den der vierköpfige luxemburgische Kader nicht muss. Quentin Brandenburger, Ronan Foley, Mathis Kayser und Joy Palermo können sich in Ruhe auf den Sommer vorbereiten, der neben der EM zusätzlich noch das Europäische Olympische Jugendfestival im slowakischen Banská Bystrica als Highlight aufbietet. Berlin war damit ein erstes Herantasten an die europäische Spitze, welches das Quartett souverän gemeistert hat, denn große Nationen wie Israel, Polen oder Rumänien konnten sie hinter sich lassen.
Eine perfekte Teamleistung
Mit Mathis Kayser, einem der zwei Jüngeren im Kader, trumpfte dabei noch ein zweiter FLGym-Turner am Freitag groß auf. Aufgrund von Rückenprobleme bestritt er im Mehrkampf zwar nur vier Geräte, haute dabei aber einen Sprung heraus, der es in sich hatte. 14,000 Punkte erreichten an diesem Tag nur vier Turner aus der älteren Kategorie. Mit diesem einen Sprung hat es Kayser sogar noch fast ins Gerätefinale am Samstag geschafft, für das eigentlich der Mittelwert von zwei Sprüngen genommen wird. „Unsere Strategie ist voll aufgegangen. Mathis hat unter diesem Druck sein ganzes Potenzial gezeigt. Ich kann ihm hierfür nur gratulieren. Er hat gezeigt, dass er bereit ist“, betont Renson, der mit Kayser für den Sommer nun einen zweiten Sprung trainieren möchte, mit dem er sich dann auch fürs Gerätefinale qualifizieren könnte.
Doch auch Joy Palermo und Ronan Foley erfüllten ihre Rollen im Team nach Meinung des Trainers perfekt. „Joy hat erstmals auf diesem Niveau einen kompletten Mehrkampf bestritten und hat gezeigt, wie wichtig er für das komplette Team ist.“ Als erster oder zweiter luxemburgischer Starter an den jeweiligen Geräten soll der junge Turner eine solide Note holen, um so auch seine Teamkollegen zu beruhigen und ihnen einen gewissen Druck zu nehmen. Foley hat als zweitältester Turner hingegen gezeigt, dass seine Teamkollegen auf seine Erfahrung und Entschlossenheit zählen können. Alle seine Noten gingen am Ende in die Mannschaftswertung ein – pro Gerät sind dies die drei besten Wertungen eines Teams – und dabei hat er noch seine persönliche Bestleistung geknackt. Am Ende landete Foley mit 71,650 Punkten in seiner Altersklasse, in der auch Brandenburger antrat, auf dem 36. Rang. Palermo holte seinerseits in der jüngeren Kategorie Rang 28 mit 66,250 Punkten.
Insgesamt eine erstaunliche Entwicklung: Denn als Jacques Renson vor sieben Jahren den Neuaufbau im männlichen Kunstturnen lancierte, erlebte das luxemburgische Turnen gerade schwere Stunden. Kaum jemand konnte zu dieser Zeit ahnen, wo der Weg schlussendlich hinführen würde. Doch der Belgier trainierte mit einem anfangs fünfköpfigen Nachwuchskader kontinuierlich auf das Jahr 2022 hin, wichtig war ihm dabei vor allem der Aspekt der Mannschaft. Ein Ziel, das immer konkretere Formen annahm und bei dem die vier übrig gebliebenen Turner konsequent mitzogen. Nun werden die Früchte geerntet, auch wenn Renson bescheiden bleibt: „Das Team ist jung und hat bereits sehr viel aus den limitierten Trainingsmöglichkeiten gemacht, die es zur Verfügung hat.“ Dennoch traut er Brandenburger durchaus das eine oder andere Gerätefinale bei der EM in München zu. Gespannt darf man somit auf die kommenden Monate blicken.
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